Die Sammlung von Sigrid und Franz Wojda gehört zu den bedeutendsten Sammlungen im deutschsprachigen Raum. Ihr Schwerpunkt liegt auf der reduktiven, konzeptuellen und analytischen österreichischen und internationalen Gegenwartskunst. Das Ehepaar Wojda sammelte Werke von Klassikern der minimalistisch-abstrakten Malerei, darunter von den US-Amerikanern Josef Albers oder Robert Barry, über Arbeiten der nachfolgenden Generation internationaler Stars, wie François Morellet, Helmut Federle, Joseph Marioni, Bernard Frize, Günter Umberg oder Imi Knoebel bis hin zu Werken von Robert Zandvliet und Katharina Grosse. Einen weiteren Sammlungsschwerpunkt bilden Arbeiten international bekannter österreichischer Künstler wie Franz West, Heinz Gappmayr, Heimo Zobernig, Gerwald Rockenschaub, Ernst Caramelle, Brigitte Kowanz, Erwin Bohatsch, Helmut Scheibl oder Herbert Brandl. Wir trafen Franz Wojda in seiner Wohnung und sprachen mit ihm über die Einflüsse, die minimalistische Kunst auf ihn persönlich hat, über die Anfänge seiner Sammlung und sein kürzlich veröffentlichtes Buch über das Sammeln zeitgenössischer Kunst.
Herr Wojda, Ihre Kunstsammlung ist vielbeachtet. Wann und wie wurden Sie zum Sammler?
Meine Frau Sigrid und ich haben uns schon immer sehr für Kunst interessiert. Meine Frau ist mit Kunst aufgewachsen, war oft im Atelier ihres Onkels, des Malers Richard Knaus. Sie hat in Italien die italienische Kunst studieren können und dort auch die neuen Strömungen in der Kunst kennengelernt. Das war Anfang der 60er Jahre. Ich war von den Impressionisten und Expressionisten sehr begeistert. Damals war Van Gogh für mich der Größte – ist er eigentlich immer noch.
1963 habe ich meine Frau kennengelernt. Meine Frau brachte viele Kunstwerke aus ihrem Elternhaus und von Ihrem Onkel mit in die Ehe. Somit war unsere Wohnung von Anfang mit Kunst „eingerichtet“. Die Geburt unseres Sohnes war eine Zäsur. An einem Abend gingen wir gemeinsam aus und wir besuchten das „Atelier Gerersdorfer“. Wir waren in guter Stimmung, fanden die aktuelle Ausstellung spannend, entdeckten ein Werk, das uns besonders ansprach, „Wasserwelt I „von Arnulf Rainer, und erwarben dieses. Es war das erste Bild unserer Sammlung. In den darauffolgenden Monaten kauften wir dann noch ein paar weitere Bilder von Rainer.
In den 70er Jahren erwarben wir in dieser Galerie mit einer gewissen Regelmäßigkeit immer wieder Werke junger österreichischer Künstler, die damals allmählich im Kommen waren und heute sehr bekannt sind. So z.B. Eduard Angeli , Franz Ringl, Peter Pongratz, Robert Zeppl-Sperl, Alfred Hrdlicka, Walter Pichler.
In den 80er Jahren hatte ich die finanziellen Möglichkeiten, um häufiger Kunst zu kaufen und erstand Arbeiten von Gunter Damisch, Karl-Heinz Ströhle, Hubert Scheibl, Erwin Bohatsch und Maria Lassnig Später in den 90ern kamen dann Heimo Zobernig, Gerwald Rockenschaub sowie Herbert Brandl, Jakob Gasteiger und Rudi Stanzl dazu.
Wie kam es dazu, dass Sie sich in Ihrer Sammlung auf minimalistische, konzeptuelle und analytische Kunst spezialisiert haben?
1994 besuchten meine Frau und ich eine Ausstellung der Kunstsammlung der Erste Bank, die von Rosemarie Schwarzwälder aufgebaut und von Edelbert Köb geführt wurde. Das war ein einschneidendes Erlebnis.
Diese Ausstellung hat Sie und auch Ihre Sammlung nachhaltig beeinflusst. Was war in dieser Ausstellung zu sehen?
Zu dieser Zeit war ich sehr viel beschäftigt, war ständig beruflich unterwegs. Ich war neben meiner Professur an der TU Wien Geschäftsführer zweier Management-Consulting-Gesellschaften, fungierte in mehreren Aufsichtsorganen und war im Vorstand verschiedener Vereine. Ich lebte in einer Fülle, die mich im Laufe der Zeit zunehmend überforderte.
Die internationale, minimalistische, konzeptuelle und analystische Kunst, die damals in der Ausstellung gezeigt wurde, führte mir vor Augen, dass es eigentlich auf ganz wenig ankommt. Ich beschloss, mich auf das Wenige und Bedeutende zu konzentrieren und habe in diesem Sinne auch meine berufliche Situation neu geordnet. Mehrere Positionen gab ich auf und widmete mich von da an mehr der Kunst. Gleichzeitig entdeckte ich Parallelen zu meinem Beruf. Auch dort ging es vielfach darum, mittels abstrakter Modelle die äußerst komplexen Phänomene der Wirtschaft und Gesellschaft abzubilden und möglichst einfach darzustellen.
Von da an legten meine Frau und ich immer stärker den Fokus auf internationale Kunst, was unsere Sammlung völlig neu positioniert hat. Meine Frau hat das zu 100 Prozent mitgetragen. Zuerst haben wir im Wesentlichen Malerei gesammelt, die wir später um Lichtobjekte und Skulpturen erweitert haben. Skulpturen haben wir immer in einem etwas bescheideneren Rahmen gesammelt, was vor allem unserer räumlichen Situation geschuldet war. Entscheidend für uns war stets der Aspekt, unsere Kunstwerke in unseren konkreten Lebensbereich integrieren zu können.
Es war Ihnen also immer wichtig, mit Kunst zu leben. Sie einfach nur zu besitzen und ins Depot zu stellen war Ihnen nicht genug?
Tatsächlich war uns das immer sehr wichtig. Auch wenn wir die Kunst teilweise in einem Depot hatten, sollte sie dennoch immer „griffbereit“ sein. Die Kunst in Noppenfolie rumstehen zu haben, war nie unseres. Wir haben auch zwei Ausstellungen gemacht die wir „Leben mit zeitgenössischer Kunst!“ nannten.
Eine der Ausstellungen fand in unserem Renaissancehaus in Kärnten nach dessen Restaurierung statt. Danach dachte ich, dass wir hier nie unsere Kunstwerke aufhängen können, weil ich so begeistert von der Architektur des Hauses war. Nach einiger Zeit haben wir uns dann doch dazu entschieden, eine Ausstellung in dem Haus zu machen. Das war im Jahr 2003. Die alten Türen und Schränke sowie die Renaissanceräume im Zusammenspiel mit den Arbeiten von Heimo Zobernig, Ernst Caramelle oder Brigitte Kowanz, Jessica Stockholder, Katharina Grosse, Josef Albers und Robert Barry haben sehr gut korrespondiert. Das war ein toller Erfolg.
Sie konnten Ihre Sammlung nicht nur in Ihren eigenen Räumen, sondern auch in Museen zeigen.
Ende 2005 wurde ein Teil unserer Sammlung in der Ausstellung „Entdecken und Besitzen. Einblicke in österreichische Privatsammlungen“ im Mumok in Wien gezeigt. Ein paar Jahre später, 2012, konnten wir unsere Sammlung in einer Ausstellung im Museum Moderner Kunst Kärnten präsentieren, die von Edelbert Köb und Christine Wetzliger-Grundnig kuratiert wurde. Hier konnten wir das ganze Museum bespielen.
Meine Frau und ich haben uns hierfür ein Modell im Maßstab 1:20 bauen lassen und haben in unserer Wiener Wohnung die Hängung ausprobiert, obwohl meine Frau damals bereits sehr krank war. Und leider die Eröffnung der Ausstellung nicht mehr erleben konnte.
Ist das nicht ein merkwürdiges Gefühl, wenn man die Werke, die man sonst tagtäglich in der eigenen Wohnung hängen hat, an ein Museum ausleiht?
Nein, dann ersetzt man die ausgeliehenen Arbeiten in der Wohnung, am besten durch andere Werke, und sieht, dass diese auch „ganz gut“ sind! Das ist auch eine Gelegenheit, immer mal wieder was Neues zu hängen.
Hatten Sie, was den Sammlungsschwerpunkt oder auch einzelne Positionen betraf, Berater an Ihrer Seite?
Meine Frau wurde einmal in einem Zeitschriftartikel als mein „Scout“ bezeichnet. Das stimmte auch. Ich selbst hatte ja sehr wenig Zeit, sodass sie in die Galerien ging und sich über die Künstler und deren Arbeiten informiert hat. In den 2000ern war ich Vorsitzender des Universitätsrates der Universität für angewandte Kunst, Wien und Stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums des Mumok sowie Mitglied der Freunde der Secession. Dadurch habe ich auch sehr viel Neues in der Kunst entdeckt und gute Kontakte geknüpft.
Darüber hinaus haben mich Edelbert Köb und Rosemarie Schwarzwälder inhaltlich stets sehr bereichert und immer gut beraten. Ein sehr großes Wissen hatte aber auch meine Frau. Sie war die Hauptperson bei der Auswahl unserer Kunstwerke.
Der Kunstmarkt hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Wie sehen Sie diese Entwicklungen?
Die großen Versteigerungen in den Aktionshäusern verfolge ich nur am Rande. Aber natürlich beobachte ich den Kunstmarkt mit großem Interesse, soweit mir das möglich ist. Ich gehe selbstverständlich auch immer wieder auf Kunstmessen. Das erste Bild, das von der englischen Künstlerin Lucy Skaer am Kontinent auf der Art Basel verkauft wurde, haben wir zum Beispiel auf den „Statements“ erworben. Da haben wir öfters ganz junge Künstler erstehen können.
Mit dem Kunstmarkt haben sich wohl auch die Sammler verändert?
Es gibt ganz unterschiedliche Zugänge zum Sammeln. In dem Buch, das ich gerade veröffentlicht habe, entwickle ich eine Sammlertypologie. Hierin beziehe ich mich auf die von den unterschiedlichen Sammlern verfolgten Absichten, seien es ideelle, materielle, soziale oder kulturelle Zielsetzungen. Ich habe in meinem Buch sieben Sammlergrundtypen herausgearbeitet. Darüber hinaus gibt es weitere Merkmale, in denen sich Sammler unterscheiden, so z.B. das Qualitätsbewusstsein, die Risikobereitschaft oder den Formalisierungsgrad beim Sammeln. Alle diese Aspekte und Fragen spielen eine Rolle.
Selbstverständlich ist auch das verfügbare Budget, um Kunst kaufen zu können, ganz wesentlich. Ich zeige aber auf, dass man selbst mit relativ geringen Budgets eine sehr beachtenswerte Sammlung aufbauen kann. Es bedarf allerdings schon einer hohen Risikobereitschaft, um junge neue Positionen zu sammeln. Auch geht es darum einen Fokus in einer Sammlung zu setzen dies ist auf jeden Fall sehr wichtig. Ich versuche, jungen angehenden Sammlern zu zeigen, dass sie durchaus ins Sammeln einsteigen können, auch ohne ein großes Budget. Man entwickelt sich ja auch als Sammler.
Die Ziele werden dementsprechend im Laufe der Zeit immer wieder neu gesteckt. Anfänglich dachte wir überhaupt nicht an den Wert eines Kunstwerkes. Die Emotionen spielten da noch eine große Rolle. Nach einer bestimmten Zeit findet man es aber schon interessant, wie sich manche Kunstwerke finanziell entwickeln. Sammeln ist etwas langfristiges, da muss schon eine Strategie zugrundeliegen. Sonst wird es eine Ansammlung von Werken, aber keine Sammlung.
Sie sammeln seit fast fünfzig Jahren Kunst. Würden Sie sagen, dass Sie dabei auch Fehler gemacht haben?
Für unsere Verhältnisse haben wir jährlich schon einiges in Kunst investiert und haben damit doch eine sehr beachtliche Sammlung aufgebaut. Natürlich habe ich im Nachhinein betrachtet Fehler gemacht. Ich habe von einigen Künstlern, die inzwischen sehr im Wert gestiegen sind, leider nur ein einziges Werk gekauft. Einige Positionen haben wir übersehen oder nicht genug Mut bewiesen sie zu erwerben. Ende der 90er Jahre hätte ich einen Gerhard Richter für 90.000 Schweizer Franken kaufen können. Das war damals schon sehr viel Geld. Heute kostet dieses Bild allerdings einige Millionen. Damals habe ich mich nicht getraut.
Haben Sie unter Ihren vielen Kunstwerken ein Lieblingsbild?
Nein, ich habe kein Lieblingsbild. Es gibt allerdings schon ein paar Bilder oder Künstler, zu denen ich eine größere Affinität habe als zu anderen. Hier in dem Zimmer hingen schon viele verschiedene Bilder. Dabei geht es mir um das „in Beziehung setzen“ und „Spannung erzeugen“ und weniger um das einzelne Werk!
Wie wichtig ist Ihnen der direkte Kontakt zu den Künstlern?
Das ist mir schon sehr wichtig. Mit vielen der Künstler, die ich in meiner Sammlung habe, bin ich bis heute befreundet. Es ist sehr schön mitzuerleben, wenn man Arbeiten von Künstlern gekauft hat, als diese noch ganz jung waren und diese nun die Pavillons in Venedig bespielen.
Gibt es einen Tipp, den Sie jungen Sammlern geben können?
Für junge Sammler, als „Einsteiger“, empfehle ich, mit Werken zu beginnen, denen sie gerne täglich begegnen und mit denen sie gerne leben möchten.Im Allgemeinen ist dabei das Gespür für gute Kunst nur durch das häufige und regelmäßige Betrachten von Kunstwerken, das Lesen von Fachliteratur, das Zuhören und Reden über Kunstwerke und Künstler zu erlangen.
Ihr Buch „Das Sammeln zeitgenössischer Kunst“ wurde gerade veröffentlicht. Was sind ihre nächsten Projekte?
Nachdem das Buch nun auf dem Markt ist, habe ich mir vorgenommen, zusammen mit einem anderen Sammler, das Thema „Digitale Sammlungsverwaltung“ für die eigene Sammlung,systematisch anzugehen. Dazu gibt es in meinem Buch bereits ein Kapitel, das einen umfassenden Überblick über die, für verschiedene Einsatzbereiche relevanten Daten liefert, wobei es gilt, gemäß den eigenen Anforderungenen eine sinnvolle und wirtschaftlich vertretbare Auswahl für das eigene Informationssystem zu treffen.
Aber es gilt auch Verleihungen für Ausstellungen vorzubereiten, wie z.B. für die Ausstellung „Abstract Loop Austria – Kunst und visuelle Forschung seit 1950“ im Belvedere in Wien, Anfang 2016, wo aus meiner Sammlung einige Arbeiten von Gerwald Rockenschaub und eine von Gerald Miller zu sehen sein werden. Das Aufspüren und Finden von „Neuem“, nun mit einem Schwerpunkt auf CEE (Central and Eastern Europe), wird meine weitere Sammlungsausrichtung sein.
Interview: Michael Wuerges
Fotos: Maximilian Pramatarov