Joëlle Romba ist Expertin für zeitgenössische Kunst und Direktorin von Sotheby’s Berlin. Sie lebt mit ihrem Mann Eric, ihren zwei kleinen Töchtern und einem großen Hund in einer Villa aus der Jahrhundertwende in Berlin-Nikolassee. Die Leidenschaft für Kunst begann bei dem Sammlerpaar vor über zehn Jahren. In der Zwischenzeit sind mehr als 200, vornehmlich zeitgenössische Werke zusammengekommen. Als wir eintreffen, herrscht fröhlicher Trubel im Treppenhaus. Eric und seine ältere Tochter gehen einkaufen. Im Hintergrund hören wir die Soundinstallation von Ignacio Uriarte, in der Blixa Bargeld zu hören ist, der mit rhythmischer Stimme die Buchstabenreihe ASDFGHJKLÖ vorliest. Man merkt gleich, dass hier Kunst und Alltag ganz dicht beieinander liegen.
Joëlle, Ihr Haus ist voll mit Kunst. Was bedeutet Ihnen Kunst?
Die Kunst bedeutet mir fast alles, sie ist mein Leben. Erst habe ich Kunstgeschichte studiert. Schließlich wurde meine Ausbildung zu meiner Berufung. Tagsüber arbeite ich mit Kunst und abends gehe ich zu Ausstellungseröffnungen.
Es scheint so, als ob Sie sich nichts anderes vorstellen könnten, als mit Kunst zu leben.
Ja, ich kann mich der Kunst nicht entziehen. Sie schafft einen ganz eigenen Kosmos. Wir sammeln keine Kunst, um sie in einem Depot verschwinden zu lassen. Sie ist Teil unseres Lebens.
Lebt die Kunst eigentlich mit Ihnen, oder leben Sie mit der Kunst?
Ich sage: Wir leben miteinander. Aber es stimmt schon, manche Werke sind etwas kompromisslos, wie die Arbeit »Untitled« von Jeroen Jacobs. Die neun Betonstelen durchziehen das gesamte Haus, man findet sie neben dem Wohnzimmer auch im Badezimmer oder auf der Terrasse. Wir haben den Künstler gebeten, den Standort für die einzelnen Betonstelen im Haus frei zu bestimmen. Da muss man sich gelegentlich etwas arrangieren, sofern eine Installation einem den Weg versperrt.
Es gibt kein Zimmer in Ihrem Haus, in dem keine Kunst hängt oder steht. Kunst macht auch nicht vor dem Keller, dem Badezimmer oder den Kinderzimmern halt. Man hat bei Ihnen im Haus aber nicht den Eindruck, als herrsche hier eine Atmosphäre von Übervorsicht?
Nein. Wir leben ja nicht in einem Museum. Natürlich achten wir auf ein paar Grundregeln im Umgang mit Kunst. Das sollte jeder tun, der Kunst zu Hause hat. Unsere Töchter sind noch relativ klein, und wir haben auch einen Hund, sie wissen alle, dass man die Kunst respektieren muss. Hätten wir Sorge, dass etwas kaputtgehen könnte, würde sicherlich mehr passieren.
Wie wichtig ist es für Sie, dass auch Ihre Kinder an Kunst herangeführt werden?
Mir ist es schon wichtig, dass unsere Kinder mit Kunst aufwachsen und sie als Selbstverständlichkeit begreifen. Ich glaube, dass es auch für sie eine Bereicherung ist. Später können sie selbst entscheiden, ob Kunst für sie eine Rolle in ihrem Leben spielen soll. Wir möchten ihnen die Faszination an Schönheit und die Offenheit für andere Ideen und Lebenswelten, die in jedem Kunstwerk beheimatet sind, von Anfang an mitgeben.
Hängen Sie die Kunst in Ihrem Haus häufiger um?
Ja. Vor allem, wenn was Neues dazu kommt, muss meist umgehängt werden. Oft ist es schwierig, einen geeigneten Platz für eine neue Arbeit zu finden. Das kann bedeuten, dass Räume komplett neu gehängt werden.
Sind Sie und Ihr Mann sich immer einig beim Kauf von Kunst?
Meistens schon. Manchmal gibt es Diskussionen. Mein Mann Eric ist ja Rechtsanwalt und hat von Berufs wegen immer recht. Ich poche dann auf meine Expertise – bei der Kunst kann ich das, da bin ich der Profi.
Man sieht und merkt sofort, dass Ihre Sammlung eine ganz besondere ist. Sie strahlt Persönlichkeit aus.
Man merkt es einer Sammlung an, wenn sie nur nach dem Anlagepotenzial der Arbeiten zusammengestellt wurde. Das ist bei uns nicht so. Wir haben immer gekauft, was uns gefiel.
Seit 2011 gibt es die Romba Collection of Contemporary Art Stiftung, besser bekannt als die ROCCA Stiftung. Ihr Privathaus fungiert gleichzeitig als Ausstellungsraum, und steht daher immer offen. Stört Sie die mangelnde Privatsphäre nicht?
Unsere Sammlung erreichte irgendwann eine gewisse Größe, die auch einen immer größer werdenden logistischen Aufwand bedeutete. Somit standen wir vor der Entscheidung, ob wir ernsthafte Sammler sein oder dies weiter als Hobby betreiben wollten. Wir haben uns dann dazu entschieden, eine Stiftung zu gründen. Diese sieht in ihrer Satzung auch vor, dass wir unsere Sammlung der Öffentlichkeit zugängig machen. Sei es, indem wir Werke an Museen verleihen oder unser eigenes Haus öffnen. Meines Erachtens ist Kunst auch dafür gemacht worden, um möglichst vielen Menschen gezeigt zu werden. Wir freuen uns sehr, wenn wir unsere Freude an Kunst und mit Kunst zu leben teilen können.
Als Kunsthistorikerin haben Sie von Berufs wegen sehr viel mit Kunst zu tun. Wird davon beeinflusst, wie Sie Ihre Sammlung aufbauen?
Ein Aspekt unserer Sammlung sind „Kunsthistorische Vorbilder weitergedacht“, wie beispielsweise eine kleine Papierarbeit von Leon Polk Smith, die als kunsthistorisches Vorbild für Gerold Millers Arbeit diente. José Davila interpretierte in seiner Arbeit die »Studies for Homage to the Square« von Josef Albers neu. Diese Dialoge von kunsthistorischen Vordenkern mit zeitgenössischen Künstlern finde ich sehr spannend.
Gibt es weitere Schwerpunkte in der Sammlung?
Als wir unsere Stiftung gründeten, haben wir unsere Sammlung unter vier weiteren Schwerpunkten zusammengefasst: Fotorealistische Malerei, Architektur in der Kunst, Zeitgenössische Op-Art sowie die Suche nach Identität in der Fotografie.
Ist es Ihnen wichtig, persönlichen Kontakt zu den Künstlern zu haben, die Sie sammeln?
Im Vordergrund steht für mich das Kunstwerk. Natürlich sind wir immer offen, die Künstler kennenzulernen, und laden sie auch gern zu uns ein, um ihre Arbeiten bei uns zu Hause zu sehen. Manche Künstler unserer Sammlung habe ich aber noch nicht persönlich kennengelernt.
Gibt es denn so etwas wie ein festes Budget, für das Sie Kunst kaufen?
Eigentlich nicht. Jedes Mal, wenn mein Mann und ich uns beim Besuch einer Galerie vornehmen, keine Kunst zu kaufen, klappt das nicht. Wir haben schon oft Kunst gekauft, obwohl wir das Geld dafür nicht hatten. Irgendwie bekommen wir das immer hin.
Zum Sammeln gehört auch oft Verzicht und Leiden – oder?
Leiden gehört dazu, klar. Letztendlich kann man doch nicht jedes Kunstwerk kaufen, das einem gefällt. Es ist uns auch schon passiert, dass uns eine Arbeit sozusagen vor der Nase weggeschnappt wurde. Mit der Zeit versteht man, dass die richtigen Kunstwerke wieder zu einem kommen werden. Man wird gelassener. Ärgerlich kann es sein, dass der Zug bei einigen Künstlern schon abgefahren ist, bevor man zuschlagen konnte. Die Preise können manchmal extrem schnell davon galoppieren. So war es bei Wolfgang Tillmans, den ich mir nach dem Studium gekauft habe. Ich hatte seine Fotografien schon am Anfang seiner Karriere für mich entdeckt. Eines meiner ersten Kunstwerke in der Sammlung war von Tillmans. Leider ist es lange dabei geblieben. Heute sind seine Arbeiten für mich unerschwinglich. In seinem Fall finden sich sehr schöne Editionen zu moderaten Preisen.
Würden Sie für ein Kunstwerk, das Sie ins Auge gefasst haben, ein anderes verkaufen?
Nein. Wir haben noch nie ein Kunstwerk aus der Sammlung verkauft. Das haben wir auch nicht vor. Wenn wir merken, dass die Begeisterung für ein Werk nachlässt, hängen wir es ab und geben es ins Lager. Dadurch gewinnt man wieder ein wenig Abstand zu der Arbeit und kann sie mit neuem Blick erneut für sich entdecken.
Haben Sie einen Tipp für angehende Sammler?
Verlasst euch intuitiv auf euer eigenes Urteil. Legt einfach los. Kauft, was euch gefällt. Sammelt mit den Augen, nicht mit den Ohren!
Welche Künstlerinnen und Künstler beobachten Sie zurzeit?
Auf unserer Wunschliste stehen viele Arbeiten teils von Künstlern, die bereits Eingang in unsere Sammlung gefunden haben. Andere Künstler beobachten wir gerade und überlegen uns, ob ihr Ansatz zu unserer Sammlung passt.
Interview: Michael Wuerges
Fotos: Florian Langhammer
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