Johann König stammt aus einer einflussreichen Familie, die in der Kunstwelt zu Hause ist, und wuchs umgeben von Kunstwerken von Andy Warhol, On Kawara oder Gerhard Richter auf. Bei einem Unfall mit einer Startschusspistole verlor er als Elfjähriger einen Großteil seines Augenlichts und hat gerade ein Buch unter anderem darüber geschrieben. Seine Frau Lena König ist Kunsthistorikerin und hat während des Studiums angefangen, Kunst zu kaufen. Heute führen die beiden zusammen nicht nur eine der wichtigsten Galerien für zeitgenössische Kunst weltweit, sondern sammeln auch gemeinsam Kunst. In ihrer Berliner Galerie in St. Agnes, die sich in einer ehemaligen Kirche befindet, sprechen wir mit ihnen über Spontankäufe im Vorbeigehen, über Tipps für junge Sammler und über ihre etwa 800 Werke umfassende Privatsammlung.
Johann, du bist gerade 38 Jahre alt geworden und hast bereits deine erste Autobiografie „Blinder Galerist“ veröffentlicht. Warum schreibt man – und dazu so früh – ein Buch über sich? Warum war es dir wichtig, deine Geschichte zu teilen?
J: Das ist von außen schon lange an mich herangetragen worden, zum ersten Mal vor zehn Jahren. Immer wenn es darauf kam, die Geschichte meines Unfalls zu erzählen, wann genau das angefangen hat, wie das passiert ist. Erst fand ich das nicht so eine interessante Idee. Mit immer mehr Abstand zu meiner Galeriegründung und meinen Zweifeln und mit dem sich einstellenden Erfolg habe ich irgendwann gemerkt, dass es doch interessant sein könnte, Menschen zu motivieren sich Sachen zu trauen, die sie sich sonst nicht trauen würden. Dann habe ich eine Literaturagentin bei einer Veranstaltung kennengelernt und gefragt, ob das spannend sein könnte. Die war da total hinterher und war ein bisschen so, wie ich mich um einen Künstler bemühen würde, den ich gerne ausstellen würde, so war sie dann mit mir. Ich brauchte kein Buch nur für mich, ich wollte das nur machen, wenn es auch andere Menschen wirklich erreicht. Ein anderer Grund war, dass es eine Möglichkeit ist, Menschen in die Kunst zu holen und die Barriere abzubauen. Ich merke, dass außerhalb des Kunstkontextes noch immer eine große Schwellenangst herrscht, sich mit Kunst zu beschäftigen.
Du meinst, überhaupt mit Kunst in Berührung zu kommen und beispielsweise in eure Galerie zu gehen?
J: Ja genau. Alles zu fragen, was das zum Beispiel soll, was man sieht, oder in die Galerie zu gehen, sich mit Kunst zu beschäftigen. Es herrscht oft ein elitäres Bild über Galerien vor, obwohl das eigentlich die demokratischste Form von Kunst und Kultur ist.
In deinem Buch beschreibst du auch, wie Lena und du euch in Wien kennengelernt habt. Inzwischen seid ihr verheiratet und sammelt gemeinsam Kunst. Habt ihr euch mal darüber ausgetauscht, welche Bedeutung Kunst für euch beide hat? Ist das etwas Ähnliches? Du, Johann, kommst aus einer Kunstwelt, bist damit aufgewachsen. Lena, du bist Kunsthistorikerin. Habt ihr einen ähnlichen Zugang zur Kunst?
J: Ich glaube schon, dass uns sehr viele Sachen gemeinsam gefallen. Es gibt einen sehr starken Austausch zwischen uns darüber, wie man zu etwas steht und auch erstaunlich viele verbindende Interessen in der Kunst. L: Das stimmt. Uns ohne die Kunst kann ich mir gar nicht vorstellen. Wir sind uns darüber begegnet, im Rahmen der Kunst. Mich hat Kunst persönlich sehr interessiert. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt einen ganz anderen Beruf. Johann war der, der rausgegangen ist und Entdeckungen gemacht hat, da habe ich oft gemerkt, dass ich das teilen kann. Er hat mir von Dingen erzählt, die er gesehen hat und toll fand oder auch nicht verstanden hat.
Was genau hast du damals gemacht?
L: Ich war zu dem Zeitpunkt, als wir uns kennenlernten, Sprecherin vom Belvedere in Wien. Im Vergleich zu heute hatte ich damals wenig Berührung mit zeitgenössischer Kunst.
Habt ihr euch trotzdem von Anfang an viel über zeitgenössische Kunst ausgetauscht?
L: Ja, das auf jeden Fall. Zeitgenössische Kunst war für mich immer interessant, ich habe mich damit beschäftigt und sie mir angeschaut, aber ich konnte damit nur sehr begrenzt beruflich arbeiten, es war fast immer nur mein Privatvergnügen. Es gibt einen kleinen Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst am Belvedere, da habe ich dann so viel getan, wie ich konnte als Sprecherin. Bei uns war es im Grunde so; ich habe sehr viel gelesen, Johann hat sehr viel gesehen…
J: … oder auch nicht (lacht).
L: … und mir davon erzählt. Manchmal war es auch andersrum. Ich habe dir vom Hintergrund einer Ausstellung erzählt und dann sind wir zusammen hingegangen. Das war für mich schon immer wichtig. Irgendwann haben wir was gekauft. Das sind dann auch ganz besondere Momente. Da spürt man eine gemeinsame Begeisterung, die kann man auch nur schwer in Worte fassen.
Wie muss ich mir euch als Sammlerpaar vorstellen? Sammelt ihr aus dem Bauch heraus oder denkt ihr beim Sammeln an den Wiederverkaufswert und eine mögliche Preissteigerung?
J: Wir kaufen unabhängig vom Markt. Wir besitzen ein Stillleben von Nicolas Party, das wir zusammen gekauft haben, und das ich mal auf Instagram gepostet habe. Plötzlich habe ich hunderte von Anfragen bekommen, ob ich das verkaufen will. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass der plötzlich so teuer geworden ist und eine so hohe Nachfrage entstanden ist. Wir sind manchmal so befasst mit anderen Sachen, dass wir sowas nicht mitbekommen. Ein anderes Beispiel ist Richard Aldrich, von dem habe ich mehrere Bilder gekauft und mich dann aber eine ganze Weile nicht damit befasst. Kürzlich habe ich bei einer Galerie nach dem Preis für eines seiner Werke gefragt, das mir gefallen hat, und bin erstaunt gewesen, wie teuer das inzwischen ist.
Könnt ihr das denn überhaupt trennen, die private Sammlung und die Handelsware für die Galerie?
J: Intuitiv merke ich, ich trenne es immer dann, wenn ich frage, was Lena davon hält oder wenn Lena mich fragt, was ich davon halte. Neulich habe ich einen Albert Oehlen gekauft, das habe ich einfach so gemacht, das ist aber auch Handelsware.
Wie funktioniert das, stimmt ihr euch grundsätzlich immer ab, wenn ihr etwas für eure Sammlung kauft? Oder bringt ihr euch gegenseitig Überraschungen von der Messe mit?
L: Es gibt beides. Bei dem Oehlen kam irgendwann eine Rechnung bei uns an und ich war etwas überrascht, weil wir uns zwar gemeinsam den Aktionskatalog angeschaut, nicht aber über dieses Werk gesprochen haben. Ich glaube, Johann, du kaufst viele Sachen, ohne dass ich davon weiß, oder (lacht)?
J: Hm … ja stimmt. Aber so viel kaufen wir auch nicht. Neulich haben wir die Tobias-Brüder (Anm. d. R. : Gert und Uwe) gekauft. Oft kaufen wir in Auktionen, weil es so einfach ist.
Fahrt ihr selbst zu den Auktionen?
J: Nein, wir schauen uns den Katalog an und bieten von hier aus. Manchmal bekomme ich auch von Kollegen Hinweise zu Auktionen. So haben wir zum Beispiel auch drei Bilder von Andi Fischer gekauft. L: Es gibt ganz klar Kunst, die wir nur für uns sammeln, die würde als Anlageobjekt keinen Sinn machen.
An was denkst du da konkret, Lena?
L: An eine Man Ray Lithografie, die wir gekauft haben. Für mich war da so viel drin. Für mich verbindet Man Ray Leute, die ich verehre: Erik Satie, Marcel Duchamp, William Copley. Und dann ist es auch noch ein Bild, das er Satie gewidmet hat. Ich habe mit Satie Klavierspielen gelernt und Man Ray war immer wieder eine Figur, die mir begegnet ist. Ich wollte das Bild haben, es ist super persönlich und jetzt hängt es bei uns in der Wohnung neben dem Klavier.
Was war das erste Werk, das ihr als Paar gesammelt habt?
J: War das Gloria?
L: Ja genau, Gloria von Shannon Ebner.
J: Wobei das so eine große Arbeit ist, mit der man gar nicht leben kann. L: Das Wort „Gloria“ besteht jeweils aus einem Buchstaben. Im Moment hängt nur einer bei uns.
Was hängt sonst noch bei euch in der Wohnung oder steht auf dem Boden? Überwiegt dort ein bestimmtes Genre oder habt ihr ein Konzept, nachdem ihr sammelt?
Beide gleichzeitig: Nein.
L: Wir sammeln ganz spontan. Wir waren mal auf einer Auktion und da wurden Bilder von Wolfgang Tillmanns angeboten, von Kate Moss. Das war eine spontane Entscheidung. Das passte gut.
J: Ich habe eine Zeitlang Videos gesammelt, sehr konzentriert. Und ich habe Arbeiten gekauft, die mit dem Thema „Identität“ zu tun hatten: Danh Vo, Brian Young, auch installative Sachen. Aber davon bin ich immer mehr weggekommen.
L: Manchmal gibt es so eine Idee, dann denke ich, das passt jetzt ganz gut zu zwei, drei anderen Werken.
Wenn ihr etwas seht, dass euch gefällt – fragt ihr euch, ob es dem anderen gefallen könnte?
J: Es ist glaube ich eher so, dass es dem einen gefällt, und dann zeigen wir es dem anderen und fragen direkt, wie der andere es findet. Jetzt, wo wir darüber sprechen, weiß ich übrigens gar nicht so genau, ob ich mich selbst überhaupt als Sammler bezeichnen würde. Wir haben kleine thematische Gruppen, die zueinander passen. Aber der Kauf liegt eher in der Vergangenheit. Wir kaufen oft Sachen, ohne vorher darüber nachzudenken, was man damit jetzt machen kann. Ich glaube wir sind bessere Berater als Sammler. Ich vermittle unseren Kunden besser, wie sie an Entscheidungen kommen und lege dieses Maß an geplanter Herangehensweise nicht bei uns selber an.
Gab es trotzdem einen Punkt, an dem ihr gemerkt habt, dass ihr Kunst nicht nur privat ansammelt, sondern dass es eine bewusste Entscheidung ist, ein Werk zu kaufen?
L: Ich glaube, von Manfred Pernice war das erste, was wir zusammengekauft haben. Das war eine bewusste Entscheidung.
J: Stimmt! Es war nicht Gloria. Von Pernice haben wir auch eine große Skulptur. Aber wie gesagt, wir sind einfach nicht besonders strukturiert und verfolgen keine bestimmte Agenda. Eigentlich machen wir alles falsch. So richtig trennen wir unsere Sammlung von der Galerie dann auch nicht, wenn ich mir die Lampe anschaue, die gerade über uns hängt. Das ist eine Franz West-Lampe, die ist auch aus unserer privaten Sammlung, jetzt hängt sie mal hier in der Galerie. Wir haben auch ein Franz West-Sofa.
L: Das ist aber auch gerade das Schöne, es gibt so viele Verbindungen. Ich hatte im Rahmen seiner letzten Ausstellung mit Franz West in Wien viel zu tun. Da war ich zufällig am Museum und er war ganz offen und zugänglich, dadurch habe ich viel Zeit mit ihm verbracht damals. Diese Verbindungen von Künstlern über ihre Kunst zu uns ist schön. Das ist immer etwas ganz Besonderes.
Im Rahmen des Umbaus und der Restaurierung von St. Agnes (– beides hat sehr viel länger gedauert und wurde teurer, als ursprünglich geplant –) musstet ihr euch von Teilen eurer privaten Sammlung trennen. Darunter war auch ein Bild, das dir, Johann, glaube ich sehr viel bedeutet: das Datumsbild (4. Oktober 1976) von On Kawara, dass er dir geschenkt hat, als du noch ein Kind warst. Bereust du es heute, dass du es verkauft habt? Oder hast du es inzwischen vielleicht sogar zurückgekauft?
J: Nein, leider ist das immer das Problem beim Verkaufen. Wenn man einmal Sachen verkauft hat, kriegt man die in der Regel nicht wieder. Zumindest bei etablierten Positionen, bei jungen kann es sogar sein, dass man sie teuer verkauft und sie zum Teil günstig wieder zurückbekommen kann. Im Nachhinein ist man oft klüger, aber das Problem ist ja, dass man irgendwann einfach an seine Finanzierungslimits kommt und einfach kein Geld mehr von den Banken bekommt und dann muss man einfach verkaufen. L: Aber mir tut es weh mit dem On Kawara, muss ich sagen. Jetzt gerade erst, als es im Museum für Moderne Kunst gebrannt hat, da habe ich auf Bildern gesehen wie die On Kawaras getragen wurden und habe wieder an den Verkauf gedacht. J: Ja klar. Aber ich glaube auch, dass Künstlergeschenke oft auch genau dafür da sind, für solche Situationen. Meine Mutter hat mal ein Bild von Gerhard Richter verkauft und ihm deshalb geschrieben, dass es ihr sehr leidtäte, aber sie müsste jetzt für ihre Altersvorsorge leider das Bild verkaufen, um sich eine Wohnung kaufen zu können. Er hat ihr geantwortet, sie sei die Letzte, die ein Bild von damals überhaupt noch habe. Das waren Hochzeitsgeschenke, die er Freunden geschenkt hat. Alle anderen hatten die Bilder schon längst verkauft. Er sagte auch so was wie „dafür ist es doch auch da“.
Das heißt, im Grunde bist du, Johann, On Kawara dankbar?
J: Ja genau. Denn ohne ihn hätte ich jetzt nicht diese großartige Galerie. Trotzdem ist es ein Opfer, das man bringt. Als ich mit der Galerie angefangen habe, war es so, dass man Kunst nicht verkauft. Und das finde ich, ist ein Widerspruch, denn wenn man Kunst kauft, muss man sie auch wiederverkaufen dürfen. Man muss das verantwortungsbewusst tun. Ich habe auch kein Problem damit, wenn Sammler von uns etwas wiederverkaufen. Es ist nur die Frage, wie sie es machen und nach welcher Zeit und auf welche Art. Man ist falsch beraten, wenn man etwas kauft, nur um es wiederzuverkaufen. Aber wenn man sich umorientiert und irgendwann zu dem Punkt kommt, an dem sich Dinge verändert haben, ist das ebenso. Der Handel von Kunst ist ohnehin eine neue Gegenwart.
Die Künstlerliste der König Galerie ist nahezu geschlechterparitätisch besetzt. Achtet ihr auch beim Sammeln darauf, ob es Kunst von Frauen oder Männern ist, die ihr kauft?
J: Da machen wir keine Unterschiede. Ich glaube, dass wir sehr viele Frauen in unserer Sammlung haben. L: Ja, zum Beispiel Amelie von Wulffen, Ella Kruglyanskaya, Shannon Ebner.
Aber achtest du darauf, Johann, wenn du was siehst, das du magst?
J: Nein, das ist ja gerade das Interessante. Ich habe schon immer wahnsinnig viele Frauen ausgestellt, aber nicht, weil ich dachte, ich müsse jetzt Frauen ausstellen, sondern weil ich die Kunst einfach gut fand. Mein letztes Interview mit Joko Winterscheidt, wir haben einen Podcast gemacht. Als er aufzählte, wen er außer mir alles so interviewt, ist mir aufgefallen, dass das ja bislang nur Männer sind. In solchen Situationen denke ich darüber nach, da fällt mir das natürlich schon auf. Ich fand es cool, dass er die Stelle im Podcast drin gelassen hat. Lena und ich kommen beide aus einer Generation, in der diese Unterschiede zum Glück zunehmend verschwinden und sich zeitgleich aber auch ein Bewusstsein dafür einstellt. Mir wäre es andersherum genauso aufgefallen, wenn Joko nur Frauen interviewt hätte.
Es sieht so aus, als würdet ihr beim privaten Kunstkaufen genauso vorgehen, wie es auch beim Galerieprogramm zumindest nach außen wirkt: nicht aufgesetzt, die Künstlerinnen und Künstler passen aufgrund ihrer Kunst in die Galerie bzw. zu euch, und nicht, weil es von außen aufgesetzt wurde. Oder fiel jemals das Stichwort „Frauenquote“ für das Programm der Galerie?
Beide: Nein.
J: Das würde für uns keinen Sinn machen. Aber ich finde durchaus wichtig, dass es eine Frauenquote geben sollte, zumindest beim Ankauf von Kunst für öffentliche Unternehmen. Da könnte man mal einen Anfang machen, bis es irgendwann so selbstverständlich ist, dass die Frauenquote nicht mehr nötig ist.
Decken sich Galerieprogramm und Sammlung?
J: Wir kaufen zu wenig der eigenen Künstler. Wir haben doch sehr den Sammler als Kunden im Kopf und auch den Künstler als Kunden. Denn jedes Mal, wenn wir eine gute Arbeit an einen guten Ort verkaufen, passiert etwas. Oft ist es dann so, wenn wir was für uns behalten, dass ich mich frage, ob das jetzt gut ist. Dann denke ich wieder: wir sollten wirklich mehr behalten. Wir haben auch Kinder, wer weiß, was mal später ist. Vielleicht geben wir unsere Sammlung irgendwann auch an eine Stiftung. Ich habe früher nicht an Galeristen verkauft, was ich heute bereue. Im Nachhinein war das falsch. Ernst Beyeler war ein Galerist, Anthony d‘Offay hat der Tate eine phantastische Sammlung geschenkt. Alexander Schröder hat gerade eine tolle Zeitkapsel ans Museum Ludwig gegeben. Oft sind die Galeristen die besten Sammler.
Deswegen machen wir heute das Interview, Johann …
J (lacht): …verstehe! Das Komische ist ja, dass wir eher so im Vorbeilaufen Sachen kaufen und der klassische Sammler in der Regel einen anderen Beruf hat und eine andere Form der Auseinandersetzung sucht und da viel bewusster und manchmal auch kontemplativer über das Sammeln nachdenkt und was das eigentlich ist. Was kann man überhaupt leisten mit dem Budget, das man hat …
L: … und wie man seine Sammlung präsentiert. J: Genau. Das ist bei uns keine Frage und läuft viel intuitiver ab, als am Reißbrett geplant.
Ein bekannter deutscher Sammler hat einmal erzählt, dass ihn ein Kunstwerk so geärgert hat, weil er nicht wusste, was es von ihm will, dass er gekauft hat. Könnt ihr dieses Motiv nachvollziehen?
Beide: Ja. J: Ich würde sagen, dass es Sachen gibt, die einen ratlos zurücklassen. Kunst kann man nie vollständig verstehen, also zumindest die gute nicht. L: Die Irritation empfinde ich manchmal sogar als sehr angenehm. Das macht etwas mit einem. Ich finde es auch spannend, wenn Johann etwas kauft, über das ich denke, das verstehe ich nicht. Man kann den anderen auch noch mal anders kennenlernen. Es gab ein Werk, da wollte ich unbedingt wissen, was es damit auf sich hat. Ich habe mich gefragt, warum ich daran so abpralle. Wir haben es dann sogar ins Schlafzimmer gehängt. J: Ja, das war echt verrückt. Manchmal merkt man, es gibt Sachen, die halten überhaupt nicht. L: Genau. Dann haben wir es wiederverkauft. J: Manchmal kauft man junge Künstler, aber dann merkt man später, es hält irgendwie nicht.
Die Künstler, die ihr vertretet, sind hingegen zum Teil sehr arriviert und für viele, gerade jüngere Sammler, oft nicht erschwinglich. Wie seht ihr in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, neue Kunstinteressierte zu begeistern und sie an das Sammeln heranzuführen? Welchen Zugang, um sich ernsthaft mit Kunst zu befassen, schlagt ihr vor?
J: Also ich habe ja immer vor dem Editionskauf gewarnt und mich selbst dabei gedrosselt. Jetzt merke ich aber, dass das doch eine Bereicherung ist, weil man sich dadurch eben ein Stückchen des Gesamtwerks leisten kann. Und das ist ein guter Weg für einen Sammeleinstieg.
Siehst du das auch so, Lena?
L: Ja unbedingt. Wir sind ja ganz verschieden von Kunst geprägt worden, trotzdem stimme ich dem zu. Johann ist umgeben von Kunst groß geworden. Das gab es nicht in unserer Familie, nur in unserem Freundeskreis. Mein Vater hat auch Kunstgeschichte studiert, ist aber dann Lehrer geworden und hat etwas anderes damit gemacht. Die einzige Möglichkeit für mich, mit Kunst zu leben, war über Editionen. Ich war total dankbar, dass es die gab. Bei „Parkett“ waren die am Anfang noch ganz günstig, oder ich habe welche bei „Texte zur Kunst“ gekauft. Als ich 19 war, habe ich in der Tate eine limitierte Edition von Louise Bourgeois gekauft. Die habe ich auch heute noch.
Gibt es noch weitere Tipps von euch für junge Sammler?
L: Was ich jedem nur raten kann, ist zu Auktionen zu gehen. Das habe ich früher oft gemacht, auch wenn ich mir meist nichts kaufen konnte. Ich habe mir mal Luci Stahl in einer Caritas-Auktion gekauft. Auktionen fand ich schon immer sehr interessant.
Einige Sammler eröffnen Showrooms oder bauen sogar Museen für ihre eigene Sammlung, andere dauerleihen oder stiften an öffentliche Institutionen. Könnt ihr euch irgendwann auch ein „Museum König“ vorstellen?
J: Dafür ist dieser Ort hier (St. Agnes) eigentlich ja prädestiniert. Aber dafür müssten wir konzentrierter sammeln. Aber vielleicht kommt das ja auch noch, wir sind ja noch jung. Aber wenn ich das sehe, was der Ernst Beyeler für eine Lebensleistung dahingelegt hat, auch mit den Sachen die er für die Fondation Beyeler gekauft hat – und das trägt sich ja auch über den Ort – die Sammlung ist natürlich beeindruckend vor dem Hintergrund, dass er Galerist war und was der da geschaffen hat. Aber wenn ich das jetzt in den Kontext setze zu der Sammlung im Kunstmuseum Basel, dann ist die Sammlung im Kunstmuseum in Basel natürlich viel bedeutender. Und wenn man ehrlich ist, ist es heute mit einer Einzelsammlung gar nicht mehr zu leisten, so eine Relevanz zu bekommen. Ein anderes Beispiel ist die Sammlung Berggruen. Oder die Sammlung von Ulla und Heiner Pietzsch. Ich finde es großartig, dass die Surrealismus-Sammlung der Pietzschs in das Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin kommt und dort in die Sammlung integriert wird. Man muss sich selbst schon sehr ernst nehmen oder wichtig nehmen, wenn man sagt, die eigene Sammlung hat so eine Relevanz, dass man ein eigenes Museum dafür baut. Wenn man damit Lücken stopft in einer bestehenden Sammlung, ist das was anderes. Deshalb finde ich es von Gerhard Richter auch gut, dass er sagt, er braucht kein eigenes Museum. Der Kontext ist das Wichtige.
Gibt es eine Arbeit, die ihr gerne in der Zukunft unbedingt in eurer Sammlung hättet?
J: Ich ärgere mich, dass ich vor fünf Jahren nicht einen David Hockney gekauft habe. Das wäre damals schon sehr teuer gewesen, aber ist jetzt gar nicht mehr machbar. L: Ich habe nicht immer das Bedürfnis, ein Werk unbedingt besitzen zu müssen. Es gibt Kunst, die ich unglaublich beeindruckend finde, wie beispielsweise die Arbeiten von Cady Noland. Trotzdem ist es für mich auch in Ordnung, die Arbeiten im Museum zu sehen. Ich hatte mal was von Lutz Bacher gesehen, das hat mich sehr interessiert. Wenn ich auf der Art Basel bin, fange ich manchmal an zu träumen, wenn ich mir vorstelle, dass man das rein theoretisch jetzt wirklich besitzen könnte, was da hängt, zum Beispiel eine Arbeit von Henri Rousseau. Aber das geht einfach nicht mehr, das ist zu teuer. Irgendwann hätte ich gerne noch einen Alten Meister.
J: Ich hätte gerne eine kleine Skulptur von Ewald Mataré. Und ich will noch einen Robert Mapplethorpe kaufen, so einen hier (Johann zeigt uns auf dem Handy eine Arbeit des Künstlers, die ein farbiges, männliches Modell zeigt).
L: Wolltest du nicht eine Botero-Katze kaufen?
J: (lacht…) Ach stimmt ja, die hängen wir dann einfach beide nebeneinander.
Interview: Dr. Sylvia Metz
Fotos: Franziska Rieder
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