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Nuriel Molcho, Wien

Collector Stories

»Ich könnte ohne Kunst gar nicht existieren.«

In einer künstlerischen Familie aufgewachsen, fühlte sich Nuriel Molcho schon früh von Kunst und Design angezogen. Immer schon war er von der Idee überzeugt Unternehmer zu werden. Das ließ ihn, gemeinsam mit seiner Mutter und seinen drei Brüdern, das Restaurant NENI am Naschmarkt in Wien eröffnen. Seitdem ist Nuriel die treibende Kraft hinter immer wieder neuen Ideen für das Familienunternehmen. Die Inspiration dafür findet er auf seinen Reisen. Wir sprachen mit Nuriel darüber, die Rolle von Kunst in seinem Leben und was ihm seine eigene Kunstsammlung bedeutet.

Nuriel, bevor wir uns über Kunst und deine Sammlung unterhalten, sag doch bitte mal für diejenigen, die dich nicht kennen, ein paar Worte zu dir. Viele hier in Wien kennen dich natürlich von eurem Restaurant NENI am Naschmarkt oder dem Tel Aviv Beach am Donaukanal.
Ich bin ein sehr familienbezogener Mensch und fühle mich als Teil meiner Familie. Ich sehe mich eigentlich nicht als einzelne Person, sondern als Teil eines Ganzen. Das ist mir sehr wichtig. Ich bin der älteste von vier Brüdern. Mit zwei meiner Brüder arbeite ich eng zusammen. Wir haben das NENI in Wien, Berlin und Zürich sowie den Tel Aviv Beach am Donaukanal, den man ja auch kennt. Der jüngste Bruder Nadiv ist Schauspieler, er lebt und arbeitet in L.A. und London. Wir haben ihn gerade in London besucht. Sein Film „History of Now“ ist beim „Raindance Festival“ gezeigt worden.

Wusstest du von Anfang an, welchen Beruf du ausüben willst?
Bevor ich angefangen habe zu arbeiten, habe ich in London und Barcelona studiert. Ich wusste immer, dass ich ein „Business-Man“ werden will. In welchem Business wusste ich allerdings nicht. Ich wollte eigentlich auch nie studieren. Mit achtzehn wollte ich um die Welt reisen und in Hong-Kong nach etwas suchen, das ich dann in Australien verkaufen könnte – oder etwas in Tokio, das in den Staaten funktioniert. Ob das ein Gastronomie-Konzept gewesen wäre oder ein Produkt oder eine Idee, war mir egal – ich wollte einfach ein eigenes Business starten.

Deine Eltern waren damit einverstanden?
Meine Eltern waren der Meinung, dass es nicht nur wichtig sei, eine Business-Idee zu haben, sondern dass man auch Know-How brauche, um zu wissen, wie man ein Business leitet. Für sie war es klar, dass ich studieren muss. So ging ich dann zum Studium nach London und Barcelona. Gleich danach wollte ich die Weltreise antreten, doch dann rief mich meine Mutter aus Wien an und meinte, dass sie sehr gerne ein Restaurant in Wien eröffnen würde und mich brauche. Ich dachte mir, dass das, was ich auf der Management-Schule gelernt hatte, da ganz nützlich sein könnte, und war mir sicher, auch nach einem Jahr immer noch verreisen zu können. Nur hatte ich mich so in die Arbeit verliebt, dass es nach einem Jahr auch nichts wurde mit der Weltreise. Nun reise ich ein-, zweimal im Monat, um Ideen und Inspirationen zu sammeln, die dann in unsere Firma einfließen. NENI ART Collective oder der Food Truck, den wir gerade gekauft haben, sind Inspirationen von Reisen, die wir dann in Wien umgesetzt haben.

Du hast selbst nicht Kunst studiert?
Naja, ich habe Kunst an der IB High gemacht. Damals hatte ich eine abstrakte Kunstausstellung kuratiert. Das war mein Beitrag für das Schuljahr. Alle anderen haben gemalt oder Skulpturen angefertigt. Meine Arbeit war einfach ein kreativer Output. Nichts hat zum andern gepasst. Es war alles ziemlich bunt. Mein damaliger Lehrer hat mir dafür eine Sieben als Note gegeben, was sehr gut war. Der Zweitkorrektor, der Ausschlaggebende für die Endnote, gab mir eine Vier, und das war eher schlecht. Das hat mich damals ziemlich eingeschüchtert und unter anderem davon abgehalten, Kunst zu studieren. Auch weil ich gar nicht wusste, was genau ich hätte studieren sollen. Meinem Interesse, mich mit Kunst zu beschäftigen, hat das aber ganz und gar keinen Abbruch getan.

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Wie kam es dann dazu, dass du dein erstes Kunstwerk gekauft hast?
Meine beiden Leidenschaften waren immer schon Kunst und Innenarchitektur. Schon mein „Student Dorm“ war ziemlich durchgestylt. Mir hat es immer Spaß gemacht, Dinge in Szene zu setzen, sei es ein orientalischer Teppich oder ein cooler alter Stuhl vom Flohmarkt. Es kam für mich aber nie infrage, Poster oder Kunstdrucke aufzuhängen. Ich wollte immer Originalkunst an der Wand haben. Durch Zufall habe ich einen Künstler gefunden, der wirklich coole Bilder machte. Er hat mir eins für 100 Euro verkauft. So hat alles angefangen.

Von welchem Künstler war dein erstes Kunstwerk?
Boicut. Ich hatte seine Schwester kennengelernt, die mir erzählte, dass ihr Bruder Künstler sei. Das hat mich natürlich interessiert. Mir gefielen zwei Motive sehr gut, die eigentlich Flyer-Motive für eine Eventreihe eines Clubs waren. Die Originalmotive konnte man am Ende des Jahres kaufen. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Ich war eine halbe Stunde, bevor der Club öffnete, schon da, weil ich unbedingt Boicuts Bild haben wollte. Zum Glück war ich der Einzige dort und habe es bekommen. Der Künstler hat sich so sehr gefreut. Ich natürlich auch.

Welche Art von Kunst sammelst du?
Ich mag Street-Art sehr gerne, bin ein großer Fan des belgischen Künstlers ROA. Ich habe ihn vor langer Zeit auf einer Ausstellung für mich entdeckt. Leider konnte ich mir die Arbeit, die mir damals ins Auge stach, nicht leisten und habe mir deshalb eine andere, kleinere Arbeit von ihm gekauft. Nachdem ich ROA dann selbst kennengelernt hatte, verstand ich seine Arbeiten immer besser. Ich habe ihm dann geholfen, ein paar freie Wände hier in Wien zu finden, auf denen er sprühen konnte, und habe ein paar Sammler auf ihn aufmerksam gemacht. Nach ein paar Gegengeschäften konnte ich mir dann irgendwann einen „großen“ ROA leisten.

Wenn man sich einen typischen Kunstsammler vorstellt, und da greifen wir jetzt mal tief in die Schublade, denkt man an einen etwas älteren Herren im Anzug. Du bist eigentlich genau das Gegenteil. Warum beschäftigst du dich überhaupt mit Kunst?
Ich bin tagtäglich mit sehr vielen Menschen zusammen – sei es beruflich oder privat. Ich mag das sehr gerne und es ist mir auch sehr wichtig. Als Gegenpol dazu dienten mir immer Musik und Kunst. Ohne Kunst könnte ich nicht leben. Ich brauche sie einerseits zur Inspiration, aber auch wenn ich mal alleine sein will. Schon als ich noch jünger war, bin ich alleine ins Museum gegangen. Das mache ich auch heute noch. Auch auf die viennacontemporary, die ja eben war, bin ich alleine gegangen. Da brauche ich niemanden, der mich stresst.

Du willst gar nicht, dass irgend jemand mitgeht?
Wenn überhaupt, dann nehme ich meine Freundin Audrey mit, denn wenn ich mir Kunst kaufe, möchte ich doch, dass sie ihr auch gefällt. Wir leben ja zusammen. Im Museum bin ich aber lieber alleine. Auch wenn noch jemand dabei ist, gehe ich alleine, habe dabei mein eigenes Tempo, bleibe bei manchen Bildern länger stehen oder lasse auch ganze Räume aus, wenn sie mich nicht interessieren.

In den letzten Wochen waren ja einige Kunstmessen: die abc Berlin, die viennacontemporary, nun die Frieze in London. Gehst du regelmäßig auf Kunstmessen?
Leider bin ich zurzeit sehr mit Arbeit eingedeckt. Letztes Jahr hatte ich eine große Messetour und habe mir auf der Art Basel und der Fiac in Paris viel Kunst angeschaut. Dieses Jahr nimmt mich die Arbeit zu sehr in Anspruch, dass ich nur die viennacontemporary hier in Wien geschafft habe. Auch die abc Berlin und die Frieze muss ich dieses Jahr auslassen. Früher bin ich öfter auf Messen gegangen und auch auf möglichst viele Vernissagen, weil ich meine Sammlung aufbauen wollte, denn Kunst kaufen ist eine Sucht. Man kauft ein Bild, man hängt es auf, es schaut super aus, und es gehört dir! Man entdeckt neue Künstler, sieht, wie sie sich weiterentwickeln, auch finanziell, und man merkt, dass es nicht nur ein guter Kauf mit ästhetischem Wert war, sondern auch eine Investition.

Es gibt Sammler, denen es neben einem finanziellen Investment vor allem um das Besitzen von Kunst geht. Ist das bei dir auch so?
Ich muss nicht jedes Bild besitzen. Selbst wenn mir ein Kunstwerk sehr gefällt, wenn es mich wirklich hin- und hergerissen hat, würde ich es nicht sofort kaufen, sondern mir mehr Zeit nehmen, um zu entscheiden. Ich habe mittlerweile sehr viel Kunst gekauft und leider nicht unendlich viel Platz (lacht). Ich bin nicht der Sammler, der seine Kunst weggibt. Ich möchte mit ihr leben.

Dir geht es also schon darum, dich mit der Kunst, die du sammelst, zu umgeben?
Ja, ich möchte sie jeden Tag sehen. Jedes Bild ist für mich eine Erinnerung, egal ob es mich an einen Augenblick oder an eine bestimmte Phase in meinem Leben erinnert. Meine Wohnung ist ein Raum voller Erinnerungen an Meilensteine in meinem Leben.

Würdest du überhaupt ein Bild aus deiner Sammlung verkaufen?
Neben der Kunst mag ich Armbanduhren gerne. Ich trage sehr gerne Vintage-Uhren. Mich fasziniert der Gedanke, dass die Uhr schon jemand anderem gehört hat, dass sie ihre eigene Geschichte hat. Ähnlich, finde ich, soll es auch mit Kunst sein. Wenn es zum Beispiel einen anderen großen ROA-Fan gibt oder einen Liebhaber von anderen Künstlern, die ich in meiner Sammlung habe, würde es mich freuen, wenn diese Arbeiten bei jemand anderem ein zweites Leben haben könnten. Ich glaube, Kunst muss immer wieder ihren Besitzer wechseln, immer wieder in neuen Wohnungen hängen und anderen Menschen Freude bereiten. Wenn ich mir durch den Verkauf einiger meiner Werke in der Sammlung den Kauf eines größeren Bildes finanzieren könnte, das ich unbedingt haben möchte, würde ich das schon auch machen.

Gibt es eine Arbeit, von der du dich nie trennen würdest?
Wie gesagt, mit vielen der Bilder in meiner Sammlung habe ich eine enge emotionale Verbindung. Dabei geht es nicht um den materiellen Wert. Die ersten Bilder habe ich für 100 Euro gekauft. Die sind emotional so wichtig für mich, dass ich sie niemals weggeben könnte.

Würdest du dich eher als „jungen, schnellen Sammler“ bezeichnen, der Kunst auf dem iPhone entdeckt, oder eher als jemand, der sich ganz konventionell in einer Galerie beraten lässt?
Wir haben tatsächlich schon Kunst über Instagram gekauft. Dort folgen wir einer  Künstlerin, die sehr ausgefallene Tierkombinationen zeichnet. Amy Dover ist Illustratorin in Großbritannien und als solche dort auch schon erfolgreich. Wir haben sie angeschrieben und gefragt, ob sie für uns ein bestimmtes Bild anfertigen könnte. Audrey und ich nennen uns mit Spitznamen „Wolf“ und „Hawk“. Wir haben Amy gebeten, ob sie ein Bild mit einem Wolf, einem Falken und einer Biene zeichnen könnte. Daraufhin hat sie uns eine Skizze angefertigt, wir haben ihr das Geld überwiesen, ohne zu wissen, ob das Bild je ankommen wird, und sind jetzt ganz happy! Ohne Instagram wären wir niemals auf Amy gestoßen.

Ist sie in keiner Galerie vertreten?
Nein, sie ist noch zu unbekannt, um in einer Galerie vertreten zu sein. Das war wirklich ein super Zufall, dass wir sie entdeckt haben, denn sie hat auch nicht so viele Follower auf Instagram. Für viele jüngere Künstler ist es schwierig, eine Galerie zu finden, die sie vertritt, die ihnen eine Stimme gibt. Das ist ja auch ein Grund, warum wir NENI ART Collective machen.

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In Wien kennt man NENI ART Collective natürlich. Aber erzähl doch bitte für Leute außerhalb Wiens kurz, worum es da geht.
Die Idee ist, guten Künstlern eine Stimme zu geben, ihnen ein Netzwerk zu bieten. Die Künstler, die wir ausstellen, werden mir empfohlen, oder ich finde sie auf Instagram oder im Internet. Dabei ist es nicht zwingend Kunst, die mir selbst auch gefällt.

Ihr seid also eine offene Plattform, keine klassische Galerie?
Genau, wir sind keine Galerie – auch wenn die Arbeiten gekauft werden können. Mir ist aber wichtiger, dass wir den Künstlern diese Plattform bieten. Der Erlös geht dann voll an den Künstler. Am Schluss bekomme ich manchmal zum Dank ein Bild von den Künstlern geschenkt. Wir machen das aus Liebe zur Kunst. Es ist ziemlich unkompliziert: Einmal im Monat präsentieren wir Kunst als After-Work-Clubbing-Event mit bekannten DJs in wechselnden Locations. Wir wollen jungen Leuten Kunst zeigen, die sie sich auch leisten können.

Noch gibt es NENI ART Collective nur in Wien.
Wer weiß, vielleicht machen wir es auch mal in den anderen Städten, in denen es NENI gibt. Im Jänner eröffnen wir ein Restaurant in der Hamburger HafenCity, im neuen 25hrs Hotel, in der Nähe der Speicherstadt. Im Sommer 2016 wird ein neues 25hrs in München eröffnet, in einem alten Postamt. Das wird super! Wer weiß, vielleicht gibt’s dort auch mal NENI ART Collective.

Du bist viel unterwegs, reist viel und siehst daher auch viel. In welcher Stadt passiert deiner Meinung nach gerade viel in Sachen Kunst?
Vor allem für junge Menschen ist die mittlerweile schon etwas dominante Welle von Street-Art ein echtes Thema. Es ist einerseits Kunst, die man tagtäglich auf der Straße sieht, andererseits eine ernst zu nehmende Kunstrichtung. Auch zum Sammeln. Ich glaube, dass es da noch großes Potenzial gibt. Das klassische Beispiel ist Banksy. Hätte man vor zehn Jahren einen Banksy gekauft, der wäre heute enorm viel wert. Es gibt aber viele Künstler, die es da noch zu entdecken gibt. Hier ist und bleibt London einfach Vorreiter.

Hast du ein paar Tipps wo man in London Street-Art kaufen kann?
In Shoreditch, Brick Lane oder Soho gibt es sehr viele kleine Galerien, die coole Street-Art verkaufen, die noch nicht so teuer ist. Man muss auch keine Angst haben, in die Galerien zu gehen. Es ist wahnsinnig spannend, was einem der Galerist noch über den Künstler zu erzählen hat. Einfach reingehen, wenn einen was interessiert, und den Galeristen fragen. Wenn das Bild, das man entdeckt hat, zu teuer sein sollte, fragt man einfach nach anderen Bildern des Künstlers.

Gibt es einen Künstler, den du gerne in deiner Sammlung hättest?
Damien Hirst fasziniert mich schon seit Langem. Ich finde es sehr beeindruckend, wie er selbst zu einer Marke wurde. Leider passt er nicht ganz in mein Budget. Bei Banksy ist es ähnlich. Als Student hätte ich mal die Möglichkeit gehabt, einen Banksy für wenige hundert Pfund zu kaufen. Im Vergleich zu heute wäre es günstig gewesen. Damals war es allerdings sehr viel Geld, zu viel für mich.

Zur Leidenschaft des Sammelns gehört also auch ein bisschen Leiden.
Ja, sicher. Ich bin schon oft in Galerien gewesen, die dann die Arbeiten, die ich haben wollte, nicht mehr hatten. Gone is gone! Das gehört dazu.

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Interview: Michael Wuerges
Fotos: Maximilian Pramatarov

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