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Rosa Lleó und Gabriel Nogueira, Barcelona

Collector Stories

»Am meisten interessieren uns narrative Kunstwerke.«

Als Autorin und unabhängige Kuratorin spielt Rosa Lleó eine aktive Rolle in der spanischen und katalanischen Kunstszene. Rosa und ihr Ehemann Gabriel fanden sich in der Londoner Musikszene, entdeckten aber bald ihr gemeinsames Interesse für Kunst. Ihre Wohnung in Barcelona, unweit der Sagrada Família, beherbergt eine sorgfältig ausgesuchte Kunstsammlung, die hauptsächlich aus limitierten Editionen besteht. Dazu gesellen sich andere Gegenstände und Fundstücke von ihren Reisen gesellen, die entweder an eine bestimmte Geschichte erzählen, oder an ein wichtiges Ereignis im Leben der beiden erinnern. Wir sprachen mit Rosa und Gabriel über ihre außergewöhnliche Sammlung, ob man an Materiellem hängen sollte, und welche spanischen KünstlerInnen wir im Auge behalten sollten.

Rosa, du bist nicht nur Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften und arbeitest als unabhängige Kuratorin. Du bist auch Mitbegründerin des „Green Parrot“, einem Projektraum in Barcelona. Was war die Idee hinter diesem Projekt?
Der „Green Parrot“ ist eine gemeinnützige Organisation, die ich zusammen mit dem Lissabonner Kurator João Laia zur Förderung zeitgenössischer Kunst gegründet habe. Unsere Idee dabei war, in der informellen und intimen Atmosphäre eines Privathauses einen Ort für zeitgenössisches Kunstschaffen bereit zu stellen. 2014 veranstalteten wir unsere erste Ausstellung mit dem Titel The World of Interiors, in der wir mit diesem Konzept der Häuslichkeit spielten. Ursprünglich befand sich Kunst überwiegend in privaten Räumen bevor sie in Galerien, Salons und so weiter ausgestellt wurde. Und in vielen Fällen wird Kunst letztendlich in den Räumen eines Sammlers enden. Anfänglich fühlte es sich wie ein Experiment an, aber es passte und ich bin sehr froh, wie sich alles entwickelt hat. Man kann mit den Menschen, die vorbeikommen, ganz anders kommunizieren als wenn man sie in einer Galerie oder einem Museum träfe.

Woher stammt der Name “The Green Parrot”?
Von unserem Bürofenster aus konnten wir die Schreie der Quaker-Papageien hören. Es ist eine Papageienart aus Argentinien, die sich dem mediterranen Klima Spaniens gut angepasst hat und seit mehr als zehn Jahren mit den einheimischen Vögeln friedlich zusammenlebt. Die grünen Vögel halten sich zumeist in Palmen auf, denen Barcelona teilweise sein pseudo-tropisches Flair verdankt. Sie sind ein Farbelement, das mit der heimischen Fauna von Tauben und Spatzen kontrastiert. Wie die argentinischen Papageien, müssen auch wir uns anpassen an ökonomische Prekarität und alternative Wege, Dinge anzugehen, die mit Großzügigkeit, einer engen Beziehung zu den Künstlerinnen und Künstlern, dem Publikum und dem kritischen Diskurs zusammenhängen.

Wessen Arbeiten zeigt ihr zur Zeit?
Unsere derzeitige Ausstellung ist Daniel Steegmann Mangrané gewidmet, einem Künstler aus Barcelona, der in den letzten zehn Jahren in Rio de Janeiro gelebt und gearbeitet hat. Daniel interessiert sich für alternatives Wissen und das Verhältnis zur Natur und anderen Lebewesen. Er hat viel Zeit damit verbracht herauszufinden, wie die eingeborenen Stämme in Südamerika unsere Art mit der Natur umzugehen empfinden. Diese Kollage hier ist eine Arbeit, die Daniel als Teil einer Arbeitsserie mit dem Titel Kiti Ka'aeté gemacht hat. Ka'aeté bedeutet „Dschungel“ und Kiti kann als „mit der Hand eines Mannes mit einem scharfen Instrument schneiden“ oder „sich durch den Dschungel schneiden“ übersetzt werden. So nennen es die Menschen am Amazonas, wenn Außenstehende in ihren Raum eindringen und Daniel hat diesen Akt des „sich durch den Raum Schneidens“ auf seine Weise dargestellt. Obwohl er aus Barcelona stammt, liegt seine letzte Ausstellung in dieser Stadt viele Jahre zurück. Wir fanden, wir mussten ihm eine Ausstellung geben und darüber hat er sich sehr gefreut. Wenn das MACBA ihm keine Ausstellung geben will, dann tun wir es eben! (lacht)

Beabsichtigt der „Green Parrot“ spanischen Künstlerinnen und Künstlern, die im Ausland leben und arbeiten, eine Bühne zu geben?
Das spanische Kunstpublikum hat die Tendenz, sich überwiegend auf Kunst zu konzentrieren, die in Barcelona oder Madrid entstanden ist. „The Green Parrot“ versucht, einen externen Stimulus in die lokale Kunstszene zu bringen, aber nicht nur durch im Ausland lebende und arbeitende spanische Künstlerinnen und Künstler, sondern auch durch Künstlerinnen und Künstler aus anderen Ländern. So organisierten wir im Sommer 2015 eine fantastische Ausstellung mit dem ägyptischen Künstler Basim Magdy.

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Wie haltet ihr den „Green Parrot“ als gemeinnütziges Unternehmen am Laufen?
Hauptsächlich durch den Verkauf limitierter Editionen von Künstlerinnen und Künstlern mit denen wir zusammenarbeiten und außerdem erhielten wir vor kurzem ein Stipendium von der katalonischen Regierung. Diese Arbeit an der Wand ist eine Edition, die Basim Magdy für uns produzierte. Sie zeigt einen präparierten Cassowary, einen nicht fliegenden Vogel aus den tropischen Wäldern Neuguineas und Nordwest-Australiens, der für sehr aggressiv und gefährlich gehalten wird. Er hat einen fast prähistorischen Aspekt. Als Teil seiner Arbeit untersucht Magdy Erinnerungsprozesse.

Gibt es zu diesem Regal mit den Postkarten eine Geschichte?
Das Regal stammt von einem gemeinsamen Projekt mit dem katalanischen Künstler Oriol Vilanova. Es diente ursprünglich dazu, Publikationen zu unseren Ausstellungen oder Künstlerbücher zu präsentieren. Oriol hat eine unglaubliche Sammlung von Zeitschriften und besonders Postkarten. Wir entschieden uns, eine Auswahl seiner Postkarten zu zeigen und das Regal zu einem Teil der Ausstellung zu machen. Oriol entwickelte das Konzept, die Motive der Postkarten nicht horizontal präsentieren, sondern die insgesamt 80.000 Karten vertikal zu stapeln. Die Installation wurde ziemlich skulptural, weshalb wir uns entschieden, sie als permanente Arbeit im „Green Parrot“ zu behalten.

Du hast schon erwähnt, dass die spanische Kunstszene ziemlich isoliert ist und wenig Kontakt zur internationalen Kunstszene hat.
Ja, die spanische Kunstszene ist wirklich ziemlich insular. In den 1960er Jahren hatte Spanien zwar viel in die Bildung neuer Institutionen und Kunstpreise investiert und der künstlerischen Entwicklung in Spanien auch einen großen Impuls gegeben, aber es hatte auch dazu beigetragen, die spanische Kunstszene etwas zu isolieren und den spanischen Künstlerinnen und Künstlern wenig Anreiz zu geben, sich aus dieser Blase herauszuwagen. Im Gefolge der Finanzkrise von 2008 wurden viele kleine Kunstzentren geschlossen, so dass die Künstlerinnen und Künstler plötzlich gezwungen waren, außerhalb von Spanien an ihren Karrieren zu arbeiten oder sogar zu studieren. Diese neue Generation von Hochschulabsolventen hat verstanden, dass sie sich um eine internationale Karriere bemühen muss.

Es ist interessant, dass du das sagst, weil man als Nicht-Spanier manchmal den Eindruck gewinnt, dass es nur wenige international bekannte spanische Künstlerinnen und Künstler gibt.
Das ist leider war. Selbst wir haben manchmal den Eindruck, dass wir keine im Ausland lebende und arbeitende spanischen Künstlerinnen und Künstler haben. Aber das ist ein falscher Eindruck. Amsterdam, Brüssel, London, Berlin und Paris sind kulturelle Zentren, in denen spanische Künstlerinnen und Künstler wie Alicia Framis, Regina de Miguel, Oriol Vilanova, Andrian Melis – die Liste ist sehr lang! – eine wichtige Rolle spielen. In dieser neuen Generation gibt es sehr viele Talente und ich bin überzeugt, sie sich in der nahen Zukunft mehr Zugang zur internationalen Kunstszene erarbeiten und international mehr beachtet werden.

Was plant der „Green Parrot“ als nächstes?
Leider müssen wir unser Gebäude in ein paar Monaten verlassen, denn es wurde an einen Developer für Touristenwohnungen verkauft. Nun planen wir eine Zusammenarbeit an einem Residenz-Projekt mit der Antoni Tàpies Stiftung. Von jetzt ab werden unsere Projekte flexibler und nomadischer werden, d.h. wir werden nicht nur Ausstellungen, sondern auch Events, Parties und Veröffentlichungen an verschiedenen Orten der Welt organisieren. Zum Beispiel planen wir im nächsten Juli eine Serie von Events mit dem brasilianischen Kollektiv Opavivará an einem öffentlichen Strand.

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Inzwischen haben wir uns in Barcelona an einen anderen Ort begeben. Wir sind in Gabriels und deiner Wohnung, ein echtes Schmuckstück, das wirklich zu einer Entdeckungsreise einlädt. Ihr beide scheint leidenschaftlich alle möglichen Dinge und nicht nur von Kunst zu sammeln. Wo findet ihr sie?
G: Wir konzentrieren uns gern auf Dinge, die einen Bezug zu unserer Kindheit haben, Dinge mit einer Geschichte, aber auch Dinge, die wir auf unseren Reisen finden.

R: Und wir lieben Flohmärkte, wir finden sie auf all unseren Reisen und nehmen uns viel Zeit, Dinge zu finden. So gesehen haben wir keine spezifische Sammlung. Wir nehmen was wir finden. (lacht)

G: Ja, wir haben alles von einer brasilianischen Voudou-Statue bis zu einem deutschen Propagandabuch mit Illustrationen von deutschen Gemeinden in Brasilien. Wir haben sogar Großmutters Pass aufgehoben zur Erinnerung daran, dass Spanien für kurze Zeit eine Republik war. Wir lieben die 1960er Jahre, sammeln alte Sachen aus dieser Zeit: Schallplatten, Möbel, alte Instrumente, Motorroller, Autos, Motorräder...

Ihr scheint auch eine Schwäche für Katzen zu haben. Sie tauchen überall in der ganzen Wohnung auf.
G: Das stimmt. (lacht) Im Portugiesischen sagen wir „Katze “, das ist eine liebevolle Art, seine Liebste zu rufen. So nannte ich Rosa als wir uns begegneten. Und jedes Mal, wenn ich auf Reisen bin, bringe ich ihr ein paar Katzen mit.

Ihr seid zwei Menschen, die sehr viel Zeit und Hingabe ins Sammeln investieren. Wie steht ihr zu materiellen Werten?
R: In diesem Punkt sind wir sehr verschieden.

G: Ich kaufe Sachen und verkaufe sie wieder, ich kann mich sehr leicht von Dingen trennen. Sie nur etwas Materielles, was irgendwann vergehen wird.

R: Gabriel hat eine große Distanz zu materiellen Dingen, ich habe sie nicht.

G: Ja, ich mache mir nichts draus. (lacht) Es gibt ein paar Dinge, von denen ich mich schwer trennen würde – vielleicht von meinem Bass. Ich habe ihn seit meinem vierzehnten Lebensjahr und spiele ihn noch immer in Konzerten mit meiner Band, kenne ihn und bin mit ihm vertraut. Aber ich könnte einen anderen finden, wenn ich müsste. In Brasilien, wo ich herkomme, haben wir 60% Einfuhrsteuer, d.h. alles, was ins Land kommt, ist sehr teuer. Theoretisch haben wir das teuerste iPhone der Welt! Und trotzdem werden die Leute verrückt für Sachen wie Autos... Alles nur mental! Also berühre nie das Auto eines Brasilianers, sonst schneidet er dir die Kehle durch! Diese Art von Materialismus habe ich immer abgelehnt.

R: Ich bin ganz anders, für mich sind Dinge kostbarer.

G: Gleich nachdem wir geheiratet hatten, ging beim Schwimmen der Stein von Rosas Ehering verloren. Da kann man nichts machen. Also kauften wir einen neuen Stein. Aber es gibt natürlich eine Geschichte hinter dem Verlust dieses Steines. Es war schließlich unser Ehering. Der Stein war ein besonders geliebter Besitz, aber ja... Er war weg. Man muss ihn loslassen.

Ist es richtig, dass ihr weniger „Dinge“ als vielmehr „Geschichten“ sammelt?
R: Außer Kuratorin zu sein, schreibe ich ja auch Rezensionen und Essays. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich auch Fiktion bzw. Halb-Fiktion geschrieben, was vielleicht der Grund dafür ist, dass ich mich mehr für narrative Kunstwerke interessiere. Ja, hinter jedem Objekt in unserer Wohnung gibt es eine Geschichte. Und wenn keine Geschichte, dann stammen sie von Freunden oder Künstlern, zu denen wir eine Beziehung haben.

G: Sie sind entweder von Freunden oder wichtigen Personen oder haben eine besondere Beziehung zu unserem Leben und unseren Reisen: ein Originalposter eines Rock-Konzerts von Bo Diddley in San Francisco, eine seltene Schallplatte von Salvador Dalí, Veröffentlichungen und Schallplatten, die nur antiquarisch zu erhalten sind.

R: Diese Fotografie habe ich in einer afrikanischen Galerie auf der Art Dubai gekauft. Sie wurde von dem malinesischen Fotografen Adama Kouyaté aufgenommen, der einen sehr großen Einfluss auf den viel berühmteren Malick Sibidé hatte. Sie erzählt von den 1970er Jahren, als die Leute sich noch mit ihren wertvollsten Besitztümern von einem Fotografen fotografieren ließen. Dieses Paar hat sich mit seinem Motorroller porträtieren lassen. Es ist interessant, dass sie mehr in Kontrolle zu sein scheint als er. Und ist es nicht geradezu merkwürdig, dass wir heute mit unserer sehr bescheidenen Sammlung von Kunstwerken wie diesem in dieser Wohnung leben?

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Stichwort „bescheiden Sammeln“. Was würdet ihr einem angehenden Sammler mit einem kleinen Budget raten?
R: Ich empfehle limitierte Editionen. Sie sind eine großartige Gelegenheit, sich mit Kunst und den Künstlerinnen und Künstlern hinter diesen Werken vertraut zu machen. Die meisten unserer Kunstwerke sind Editionen von Künstlerinnen und Künstlern mit denen wir gearbeitet haben oder von Künstlern, die wir bewundern wie Hans Peter Feldmann, David Ferrando Giraut, Oriol Vilanova, Antoni Hervàs und Domènec. Und natürlich behalten wir je ein Exemplar jeder limitierten Edition, die wir mit dem „Green Parrot“ von Basim Magdy, June Crespo, André Romao, Daniel Steegmann Mangrané, Eva Fàbregas und Lúa Coderch produziert haben.

Was hat euch eigentlich dazu bewogen, Kunst zu sammeln?
R: Es ist mein Beruf. Ich habe mich, zumindest theoretisch, immer für Geschichte interessiert und attraktive Objekte haben mich schon immer visuell angezogen. Ich liebe Geschichten und Bilder. Und die Kunst führt all dies zusammen.

G: Ich studierte Linguistik in London, wo wir uns begegnet sind. Rosa studierte damals bei Goldsmith. Aber eigentlich haben wir uns über die Musik kennengelernt. Wir verkehrten beide in der gleichen Musikszene – Rock’n’Roll and psychedelische Musik der 1960er Jahre. London hatte diesbezüglich eine großartige Musikszene.

R: Ja, wir teilten die Leidenschaft für Musik. Und sehr bald entdeckte ich, dass Gabriel sich auch für Kunst interessierte.

G: Ich interessierte mich anfänglich hauptsächlich für Pop und Psychedelia aus den 1960er Jahren, wegen der offensichtlichen Beziehung zur Musik und dem Lebensgefühl dieser Zeit. Aber nachdem ich Rosa getroffen hatte, entwickelte ich wirklich ein tieferes Interesse für die Kunst.

R: Du spielst es herunter. Er war bei so vielen Kunstmessen und Biennalen. Ich glaube, er weiß mehr über zeitgenössische Kunst als viele andere Menschen, die ich in der Kunstszene kenne. (lacht)

Auf welche Art von Künstlern konzentriert ihr euch in eurer Sammlung?
G: Wir bevorzugen Künstlerinnen und Künstler, die wir gut kennen und von denen wir wissen, dass sie ihre Kunst ernst nehmen.

R: Ja, das ist sehr wichtig.

G: Das ist das eindeutige Merkmal der Künstlerinnen und Künstler mit denen wir im „Green Parrot“ zusammenarbeiten oder deren Arbeiten wir sammeln. Wir suchen Menschen, die hart und professionell arbeiten – die wissen, dass sie Künstler werden wollen und dass sie nichts anderes im Leben tun können. Ich übertreibe natürlich, aber dieses Konzept der absoluten Überzeugung ist uns sehr wichtig.

R: Einige Künstlerinnen und Künstler sind noch jung, aber man kann ihren kompromisslosen Willen, sich ganz der Kunst zu widmen, schon erkennen. Dabei richten sie sich weder nach Trends noch nach Mode. Oriol Vilanova zum Beispiel befasst sich mit dem Konzept von Erfolg und Wert – der Erwartung, dass Wert sich in etwas anderes verwandeln wird. In seinen Arbeiten betrachtet er dieses Thema aus vielen Perspektiven und arbeitet mit so unterschiedlichen Medien wie Video, Skulptur, Druck. Man kann ihm kein Label aufdrücken und das ist auch nicht wichtig. Er verfolgt mit großer Konzentration, was er tun muss.

Gibt es andere spanische Künstler, deren Karriere ihr verfolgt?
Lúa Coderch, die ihr ebenfalls interviewt habt, ist sicher eine von ihnen. Sie hat an unserer ersten Ausstellung The World of Interiors teilgenommen. Ich habe auch schon früher mit ihr zusammen gearbeitet. Lúa untersucht die Oberfläche von Dingen und die Materialität persönlicher und historischer Erzählungen sowie Konzepte wie Aufrichtigkeit, Enthusiasmus, Werte und Täuschung. Teresa Solar Abboud, Irene de Andrés, Belén Zahera, und Eva Fàbregas sind ebenfalls große junge Künstlerinnen, die man im Auge behalten sollte und denen ich eine internationale Karriere voraussage.

Vergangene Woche habt ihr die ARCO besucht. Besucht ihr die Messestände von Galeristen, um neue Arbeiten für eure Sammlung zu finden?
R: Natürlich! Aber ich sehe mir die Ausstellungsstände auch aus dem Blickwinkel der Rezensionsschreiberin an, wenn ich von einer Zeitschrift dazu beauftragt wurde. Einmal habe ich für eine mexikanische Kunstzeitschrift geschrieben und suchte nach einem gemeinsamen Nenner unter den Ausstellungsständen, nach einer Geschichte. Als ich mir einige der lateinamerikanischen Künstler näher ansah, entdeckte ich neue Künstler für Ausstellungen, die ich kuratieren möchte. Oft fand ich eine Arbeit, von der ich mir vorstellen konnte, sie an einer Wand in unserem Haus hängen zu haben.

G: Und inzwischen haben wir ein kleines logistisches Problem. Unsere Wohnung ist einfach zu klein. (lacht)

R: Wir werden ganz sicher keine Sammlung aufbauen, von der die Hälfte in einem Depot oder Lagerhaus aufbewahrt wird.

Gibt es ein Kunstwerk, das ihr gern in eurer Sammlung haben würdet?
R: Ich würde sehr gerne eine Arbeit von Hans-Peter Feldmann besitzen. Wir besitzen Editionen von ihm, aber es wäre wunderbar, eines dieser verfremdeten alten Meisterportraits in unserer Sammlung zu haben. Vor kurzem habe ich eine Biographie von Agnes Martin gelesen und es wäre die Erfüllung eines großen Traums, eine ihrer frühen Zeichnungen zu besitzen.

Die Preise für Künstler wie Hans-Peter Feldmann sind in die Höhe geschossen und für den Durchschnittssammler inzwischen unbezahlbar geworden. Interessiert euch Kunst als Investition?
G: Kunst als Investitionsobjekt halte ich für eine verrückte Idee. Wir besitzen gern Dinge, zu denen wir uns hingezogen fühlen, zu denen wir eine Beziehung entwickelt haben. Ihre Wertsteigerung interessiert uns nicht sonderlich.

R: Ich habe eine erstaunliche Rede von Mark Spiegler, dem Direktor der Art Basel, gehört in der er darauf hinwies, dass Sammler verstehen sollten, das nur etwa 20% der Kunstwerke, die auf Kunstmessen gezeigt werden, irgendwann einmal im Wert steigen werden. Und dass Sammler, die im Grunde nur daran interessiert sind, eine Rendite auf ihre Investition zu erwirtschaften, auf Kunstauktionen gehen sollten. Wir sehen Kunst nicht in dieser Weise. Es muss eine Verbindung zwischen einem selbst und der Kunst bestehen. Wenn man wie wir jüngere Künstler unterstützen will, dann sollte man keinen Gedanken daran verschwenden, welche Wertschöpfung ihre Werke in zwanzig Jahren haben werden. Man weiß es nie!

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Interview: Michael Wuerges
Fotos: Florian Langhammer

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