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Esther Stocker, Jacob Dahlgren »Rules of Abstraction«

Ausstellungen

»Rules of Abstraction«

Die Ausstellung Rules of Abstraction zeigt mit der Gegenüberstellung der Werke von Esther Stocker und Jacob Dahlgren zwei internationale zeitgenössische Positionen, die sich mit geometrischen Formen und Farbsystemen auseinandersetzen.

Während Esther Stockers Knitterskulpturen und Wandarbeiten mit schwarz-weißen Ordnungssystemen spielen, die typischerweise von visuellen Störungen und Brüchen gekenn-zeichnet sind, führen die mehrfarbigen Werke des Biennale-Künstlers Jacob Dahlgren mittels dem Alltag entlehnter wieder-kehrender Formen die Tradition des geometrischen Konstruktivis-mus sowie der Op-Art Bewegung der 60er Jahre fort. Ihr performativ-medialer Charakter überführt sie in den Kontext unserer Gegenwart.

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Ein Beispiel dafür ist Jacob Dahlgrens 14-teilige Serie No Stars, But Stripes (2018), in der er alternative formale Darstellungen der amerika-nischen Flagge zur Disposition stellt. Diesen hier zu sehenden Werken ging eine digitale Performance auf Dahlgrens Instagram-Feed voraus: Auf den geposteten Bildern trug der Künstler jeden Tag ein anderes T-Shirt. Sowohl seine Shirts als auch der Künstler selbst wurden in der Performance zu Kunstwerken im öffentli-chen Raum. Das Tragen von gestreiften T-Shirts, in allen denkbaren Situationen des Lebens, selbst auf Hochzeiten oder Beerdigungen,
ist eines von Dahlgrens Markenzeichen und stellt seit 20 Jahren häufig den Ausgangspunkt für neue Kunstprojekte dar.

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Ganz anders geht Esther Stocker in ihren Arbeiten mit der Überführung von Abstraktion in den skulpturalen Körper und Raumerlebnisse um. Ihr Interesse gilt komplexen visuellen Systemen, die sich an Rastern orientieren. Die Reduktion auf schwarz-weiße Rasterungen ist charakteristisch und findet sich sowohl in ihren malerischen, als auch in ihren installativen Werken und Rauminterventionen wieder, die die Künstlerin als „partizipative Wahrnehmungs-welten“ versteht. Hinter ihren vermeintlich zufällig zerknüllten Werken steht eine gewisse Ordnung, die das Chaos absichtsvoll durchbricht und so spannende Irritationen erzeugt.

Stockers Werke, die sich frei im Raum bewegen und auch schon mal wie Spinnen in einer Ecke sitzen, verfolgen die Idee, unseren Blick auf die Welt zu verändern. Durch das Aufbrechen der Geometrie modernistischer Formen stellt die Künstlerin die Starrheit vor-handener Ordnungssysteme in Frage. Zugleich fordert sie die Wahrnehmung der Betrachter heraus.

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Wie Jacob Dahlgren gehört Esther Stocker zu einer Generation zeitgenössischer Positionen, die die konstruktiv-geometrische Tradition einen logischen Schritt weitergeführt hat und auf diese Weise zu völlig neuen Ansätzen gelangt ist. Während aber bei Stocker die künstlerisch-en Formen der Abstraktion auf bereits abstrak-tem Hintergrundwissen wie mathematischen Formeln basieren, entwickelt Dahlgren seine Arbeiten aus der Beobachtung des Alltäglichen heraus. Bei ihm werden mit fast schon obsessiver Sorgfalt geordnete Arzneimittel-verpackung-en genauso zu Bildern wie geometrisch gefaltete Zollstöcke. Dabei spielt die Wiederholung des Motivs eine entscheidende Rolle – ähnlich wiederum wie bei Esther Stocker.

In Gegenüberstellung dieser beiden spannen-den künstlerischen Positionen entwickelt sich ein einzigartiger Dialog über die zeitgenössisch-en „Regeln“ der Abstraktion, insofern es diese überhaupt gibt.

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Jacob Dahlgren (*1970, Stockholm) lebt und arbeitet in Stockholm. Er studierte von 1994 bis 1999 an der Königlichen Kunsthochschule Stockholm, erhielt 1999 seinen Master of Fine Arts, und vertrat Schweden im Nordischen Pavillon auf der 52. Biennale di Venezia.

Jacob Dahlgrens Werk erörtert den Dialog zwischen der bestimmenden Eindeutigkeit der reinen abstrakten Form und ihrer Rolle im Kontext einer wandlungsfähigen, komplexen Gesellschaftskultur. Dahlgrens repetitive Anordnungen von allgegenwärtigen alltäglichen Gegenständen, die er oft aus dem Hausgebrauch oder aus industriellen Fertigungsprozessen bezieht, beziehen sich auf modernistische abstrakte Malprozesse und andere ideologisch besetzte Themenfelder des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Objekte selbst sind dabei Ausdruck des kollektiven und menschlichen Natur einer Gesellschaft, wobei jedes einzelne eine individuelle Entscheidung des Einzelnen bedeutet, dieses auf eine bestimmte Weise zu verwenden. Arrangiert werden die Gegenstände zum Ausdruck des Willens einer Gruppe oder Gemeinschaft.

Ausgewählte Ausstellungen: Museum Ritter, Sammlung Marli Hoppe-Ritter, Waldenbuch (2017) MAGASIN – Centre National d’Art Contemporain, Grenoble (2016) KIASMA, Museum of Contemporary Art in Helsinki (2013, 2011, 2010), Henry Art Gallery, Seattle (2010, 2013), Collective Gallery Edinburgh (2013), Galleri Andrehn-Schiptjenko Stockholm (2013, 2009), Galerie Anhava, Helsinki (2015, 2013, 2009, 2002), Gallery 400 at University of Illinois at Chicago (2012), Workplace Gallery Gateshead UK (2012, 2011), Fundació Joan Miró, Barcelona (2010), Schirn,Kunsthalle, Frankfurt (2011), Daimler Art Collection, Berlin (2010) Forum d’Art Contemporain Luxemburg (2010) Bielefelder Kunstverein (2009), Momentum, Galleri F 15 Moss (2009) Turner Contemporary Margate UK (2009) 52nd Venice Biennale di Venezia (2007), P.S.1 Contemporary Art Center/MoMA, New York (2006) Kunsthalle Budapest (2006), October salon, Belgrade (2006) Moderna Museet, Stockholm (2006), Malmö Konsthall (2005), Tramway, Glasgow (2002)

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Die Werke von Esther Stocker (*1974 Schlanders, Südtirol) sind reine Abstraktionen, gewonnen aus minimalistischen Mitteln sowie der Horizontale, Vertikale, und Diagonale des Raumes. Ihr Interesse gilt komplexen visuellen Systemen, die sich an Rastern orientieren, wobei Störungen und optische Brüche innerhalb solch geometrischer Ordnungssysteme ein wichtiges Element in Esther Stockers Werk bilden. Die Reduktion auf schwarz-weiße Rasterungen ist charakteristisch und findet sich sowohl in ihren malerischen als auch ihren installativen Werken und Rauminterventionen, die die Künstlerin als „partizipative Wahrnehmungswelten“ versteht, wieder.

Stocker studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, der Accademia di Belle Arti di Brera in Mailand und am Art Center College of Design in Passadena, Kalifornien. Seit Ende der 1990er Jahre wurden ihre Arbeiten vielfach in Einzel- und Gruppenausstellungen in Österreich und international ausgestellt. Immer wieder schafft die Künstlerin auch aufwändige Installationen und beeindruckende künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum. Esther Stocker lebt und arbeitet in Wien, wo sie zu den profiliertesten Künstlerinnen ihrer Generation zählt.

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Kuratiert von Florian Langhammer
Text: Dr. Sylvia Metz
Fotos: Florian Langhammer

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