Tina Lechner I Andreas Werner
26 Januar – 4 März, 2023
Collectors Agenda setzt im Zuge einer Duo-Ausstellung Tina Lechner (*1981, St. Pölten) und Andreas Werner (*1984, Merseburg an der Saale) erstmals miteinander in Dialog.
Der weibliche Körper gilt als Nukleus in Tina Lechners, analogen, bislang überwiegend Schwarz-Weiß-Fotografien. Dieser fungiert dabei als Leinwand und wird mit selbstgeschneiderten, futuristisch anmutenden Kostümen, erweitert und verzerrt. Die Modelle, die sich zwischen Mensch und Maschine bewegen, geben nicht eindeutig Aufschluss über ihre Natürlichkeit oder Fiktion; vielmehr wird die menschliche Form mit abstrakten, rätselhaften Formen und Silhouetten verborgen. So äußern sich Tina Lechners Werke in anachronistisch-visueller Sprache als fotografische Skulpturen, die einen Gegenpol zu unserer gegenwärtigen digitalen Bilderflut bilden und zur intensiveren Betrachtung und Auseinandersetzung einladen. Inzwischen hat Tina Lechner ihr Werk um farbige Aufnahmen ergänzt.
Andreas Werner arbeitet primär im Medium Zeichnung und versteht es, die Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten, die dieses bietet, einzusetzen und in neue Realitäten einzubetten. Seine Darstellungen reichen von romantischen Landschaften und naturalistischen Abbildungen, Gesteinsformationen und naturwissenschaftlichen Gestaltungen über abstrakte Strukturen und architektonische Utopien hin zu postmedialen Ästhetiken und digitalen Störfaktoren. Bei näherer Betrachtung eröffnen sich viele Fragen rund um Werners Arbeiten. Was sehen wir hier? Sind es Gebäude, Tempel, Raketen oder Roboter? Das tatsächliche Sein der Objekte bleibt jedoch unbeantwortet.
In der aktuellen Ausstellung bei Collectors Agenda werden die beiden künstlerischen Positionen gegenübergestellt und miteinander verwoben. Ins Auge sticht der monumentale Charakter der in der Ausstellung gezeigten Werke, die auch zwei eigens hierfür erstellte Editionen, beziehungsweise Werkserien, beeinhaltet — ein Dialog, der weder im Jetzt noch in der Zukunft stattfindet, und sich in utopischer Ästhetik äußert.
Inspiriert von Oskar Schlemmer, setzt Tina Lechner mit Gina in ihrer Edition auf die Tiefe und Haptik analoger Schwarz-Weiß-Fotografie und spielt mit der Balance zwischen Abstraktion und Figuration, aber auch zwischen Subjekt und Objekt. Sich zwischen Kunstgeschichte und posthumaner Vision bewegend, beschäftigt sich die Arbeit mit Identität und dem Bewusstsein dafür. Zudem finden sich in der Ausstellung neue Werke der Künstlerin, in welchen die Modelle zunehmend verschwinden, und ein Eigenleben entwickeln. Im Prozess der fotografischen Inszenierung entfremden sich so die abgelichteten Objekte immer mehr der menschlichen Form und werden teilweise zu geometrischen Stillleben.
Für Collectors Agenda gestaltet Andreas Werner fünf Photogravüren in unterschiedlichen Farben, wodurch jede Arbeit für sich als Unikat gilt. The mad abstract dark, ground it – eine hybride Konstruktion aus Ufo, Alien und zugleich Tempel, sowie architektonischer Landschaft – gestaltet sich als mysteriöse Konfiguration. Werner spielt mit der Wahrnehmung von Wirklichkeit und stellt mit seinem Werk die Frage nach der Lesbarkeit von Symbolen.
Eine fünfeckige Vitrine aus Metall und Glas im Zentrum des Ausstellungsraums, erweitert die zeichnerischen Möglichkeiten von Andreas Werner. Von allen Seiten begehbar, erscheint die Vitrine wie etwas Kristallines, Mineralisches. In beinahe pseudowissenschaftlicher Manier kombiniert er unterschiedliche Zeichnungen und reliktartig anmutende Objekte und schafft so neue Zusammenhänge und Erzählweisen.
Die technoid wirkenden Monumente von Andreas Werner, in dezenter Farbigkeit erweitert, bilden demnach eine interessante Verbindung zu den fotografischen konstruktivistischen Skulpturen und Stillleben von Tina Lechner. Denn auch diese verschieben sich von Humanoiden zu Cyborg Figuren und lassen so eine gewisse Anonymität und Rätselhaftigkeit erahnen. Werners tempelartige, architektonische Ornamente bedienen sich einer undurchsichtigen Körperlichkeit, die in Lechners Fotografien nach und nach verschwinden und verfremden. Retro-futuristische Skulpturen, oszillierend zwischen Menschlichem und Unbelebtem, bestimmen den Ausstellungsraum und eröffnen so neue Räume für mögliche Zukunftsfantasien – ein Diskurs zwischen archaischer Vergangenheit und posthumaner Vision.
Text: Livia Klein