Das zentrale Motiv der Serie If Colors Could Speak stellt ein architektonisches Versatzstück der utopischen Planstadt Chandigarh in Indien dar, die in den 1950er Jahren von Le Corbusier entworfen wurde. Ein aus Beton gegossenes Rednerpult im brutalistischen Stil schwebt als futuristisches Relikt einer gescheiterten Utopie in schwarzer Leere, gleich eines Museumsstücks, das auf einem Samtkissen hinter Glas präsentiert wird. Wer soll von dieser Tribüne zu sprechen? Und wer hört eigentlich zu?
Kay Walkowiak hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Le Corbusiers Planstadt auseinander gesetzt, unter anderem in seiner szenografischen Videoarbeit The City Lost, die eine Endzeitstimmung heraufbeschwört und 2017 im Wiener Leopold-Museum im Zuge der Gruppenausstellung Spuren der Zeit gezeigt wurde.
The City Lost zeigt eine Abfolge von schwarz-weißen, menschenleeren Aufnahmen, die sich zu einem visuellen Archiv von architektonischen Formen und formalen Kompositionen von Chandigarh zusammenfügen. Anders als die Videoarbeiten der Chandigarh-Trilogie sind die Raumbilder trotz ihres dokumentarischen Charakters explizit auf die Ebene des historischen Vorstellungsbildes gehoben. Walkowiak erreicht dies, indem er das abgebildete Bildarchiv mit einer Tonspur überlagert, die Anleihen bei berühmten Science-Fiction-Filmen wie Blade Runner und 2001: Odyssee im Weltraum macht. Über die Klangebene wird die Stadt so mit kulturell generierten Formen von Zukunftsvisionen kontrastiert, die aus dem Genre des Science-Fiction-Films bekannt sind. Walkowiak evoziert damit die Erinnerung an eine Idee von Zukunft, die sich zwar in die Formensprache von Chandigarh eingeschrieben hat, nun aber Geschichte geworden ist. Wie schon in den Videoarbeiten der Trilogie erforscht der Künstler utopische Bestrebungen, die historisch mit Chandigarh verbunden sind, doch in The City Lost gibt er ihr gleichzeitig den Charakter einer Dystopie.
Anhand eines Fragments aus den Ruinen des heutigen Chandigarh richtet Kay Walkowiak also noch einmal die Frage nach dessen ursprünglichen euphorischen, jedoch gescheiterten Idee geplanten Zusammenlebens. Jedes Werkstück der Serie verwendet jeweils vier Farben, die alle jener Farbpalette Le Corbusiersentstammen, die in der ansonsten konformistisch geprägten Gesellschaftsvision des Architekten ein Mindestmaß an Diversität und individueller Ausdrucksweise zugestehen sollte. Was wäre, wenn Farben sprechen könnten?
Er studierte Skulptur und Multimedia an der Universität für angewandte Kunst Wien, Fotografie und Videokunst an der Akademie der bildenden Künste Wien, und „Expanded Expression“ an der Zokei University in Tokio.
Seit 2004 wird Kay Walkowiak in zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen gezeigt, wie etwa in der Kunsthalle Tübingen in 2018. Einzelausstellungen fanden unter anderem im MAK – Museum der Angewandten Künste in Wien, dem Soulangh Art Space in Tainan, dem Austrian Cultural Forum in New Delhi und in der Node Gallery in Tokio statt. Kay Walkwiak wird von Zeller van Almsick in Wien vertreten.
Kay Walkowiak (*1980 in Salzburg) lebt und arbeitet in Wien. Seine Arbeit umfasst eine komplexe Mixtur aus Installation, Skulptur, Videokunst und Fotografie und vereint konzeptionelle und post-minimalistische Ansätze in sich. In vielen seiner Arbeiten untersucht der Künstler den historisch und soziokulturell bedingten Umgang mit Form, wobei er der Frage nach ihrer funktionalen Eignung als Projektionsfläche für zeitlose Utopien nachgeht.
Text: Florian Langhammer
Fotos: Florian Langhammer
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