Mit ihrer Arbeit I Can Be Her setzt sich Stefanie Moshammer (*1988 in Wien) mit einer Liebeserklärung eines Fremden, die sie während ihres Las Vegas-Aufenthalts erhielt, auseinander. Der Brief, an das „Austrian Girl“ gerichtet, veranlasste Moshammer im Gegenzug dazu, die Welt um diesen Mann herum mit Bildern zu erbauen. Als erste österreichische Künstlerin widmete ihr das Magazin der deutschen Wochenzeitung Die Zeit mit der Ausgabe Nr. 40 vom 22. September 2016 eine Gesamtausgabe über diese Arbeit.
Die gleichnamige Ausstellung, die nun von Collectors Agenda im Rahmen der FOTO WIEN stattfindet, ist ein kleiner Auszug aus dieser Werkgruppe. 2018 wurde sie als Einzel-Ausstellung unter dem Titel Not just your face honey bei C/O Berlin gezeigt. Gleichzeitig entstand auch das Buch dazu.
2411 Mason Avenue, Las Vegas, Nevada. Eine palmengesäumte, sonnige Vorstadtstraße. Ein Auto fährt zu einer Bungalow-Einfahrt. Ein Mann steigt aus, geht ein paar Schritte und drückt einen Knopf. Die Türklingel klingelt. Schritte. Eine junge Frau öffnet die Tür. Sie nehmen Augenkontakt auf und tauschen eine Handvoll Sätze aus.
Er sucht nach seiner Ex-Freundin, die dort gewohnt hat. Sie schüttelt den Kopf. Das Auto fährt ab, nur um einige Minuten später zurückzukehren. Er stellt eine weitere Frage, sie sagt wieder nein. Ein paar Tage später kommt ein maschinengeschriebener Liebesbrief. So beginnt die Geschichte.
Der Autor bietet der Frau, die als "Austrian Girl" eine exotische Anziehungskraft auf ihn ausübt, in dem Brief seine zutiefst klischeehafte und materialistische Version des amerikanischen Traums. Sein Schreibstil, seine Argumentation und seine artikulierten Werte-systeme sind ungeschminkt. Neben einem konsum-orientierten Lebensstil, der sich auf Wachstum und Exzess konzentriert, drückt der Brief ein konservatives Frauenbild aus. Die Frau, der unterschiedliche Eigen-schaften zugeschrieben werden, wird als besonderes Exemplar betrachtet, das nach der Logik der Akku-mulation erobert und in seine Sammlung von Objekten aufgenommen werden soll.
Anstatt sich der Rolle eines passiven Objekts zu beugen, begann Stefanie Moshammer, sich aktiv mit der ungewöhnlichen Situation auseinanderzusetzen, indem sie durch die Linse der Kamera auf ihn zurückblickte, und zwar in einer Umkehrung der Beziehung zwischen Subjekt und Objekt. In einem Akt der visuellen Selbstdefinition konterkariert sie Troys Fantasien mit einer Bildkomposition, die mehrere Perspektiven in einem von ihr kontrollierten Erzählraum vereint. Die Serie bezieht ihre Spannung aus der Dreieckskonstellation des Fotografen, ihres Antagonisten Troy, und den Betrachter*innen, die den Rollenspielen und Versteckspielen der beiden folgen, und zwischen Fakt und Fiktion oszillieren.
Stefanie Moshammer zählt zweifellos zu den meist beachteten jungen Positionen in der Fotografie. Ihre Bilder bewegen sich zwischen dem Genre der Dokumentation und der Fiktion, zwischen Spontaneität und Inszenierung.
Ihre Arbeit entspringt ihrer unmittelbaren Wahrnehmung der Welt und untersucht das Verhältnis von einfacher Beobachtung und der Poesie persönlicher Eindrücke. Die Verwendung lebendiger Farben, starker Kontraste, unerwartet ausgeschnittener Szenen und ihre Fähigkeit zur subtilen Beobachtung machen ihre Fotos so unverwechselbar.
Nach ihrem Abschluss an der Modeschule Wien erwarb Stefanie Moshammer einen Bachelor of Arts in Grafikdesign & Fotografie an der Kunstuniversität Linz, und absolvierte den BA in Advanced Visual Storytelling an der Danish School of Media and Journalism.
Ihr fotografisches Werk wurde von renommierten Fach- und Publikumsmedien wie i-D, dem ZEIT Magazin und dem SZ Magazin ausführlich vorgestellt und inter-national in Galerien, sowie auf Festivals und Messen wie FoamAmsterdam, C/O Berlin, Photo London, WestLicht Museum und Lentos Art Museum gezeigt.
Text: Florian Langhammer
Fotos: Florian Langhammer
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