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Adam Pendleton, New York

In the Studio

»Meine Arbeit hat keine politische Agenda, schlägt keine politischen Lösungen vor, aber sie erkennt eine politische Realität an.«

Adam Pendleton nutzt verschiedene Medien für seine großteils schwarz-weißen Arbeiten; dazu zählen Malerei, Zeichnung, Installationen, Skulptur oder Video. Die Werke knüpfen an seine Praxis des „Black Dada“ an, ein visuelles Projekt, das er 2008 begann und in dem er die Zusammenhänge zwischen Blackness, Abstraktion und Avantgarde untersucht. Damit will Pendleton vorgefasste Erwartungen und Perspektiven umgehen; so verwendet er Dekonstruktion und Abstraktion, um zu einem neuen visuellen Ausdruck zu finden.

Adam, Wien bietet die Bühne für deine erste große Einzelausstellung in Europa. Wie fühlt es sich als Amerikaner an, deine Arbeit in einer europäischen Institution zu präsentieren?
Ich hatte bereits Einzelausstellungen in Europa, in Galerien und öffentlichen Institutionen, aber diese Ausstellung im mumok ist doch etwas Besonderes. Zum einen ist es die größte Präsentation neuer Arbeiten, die ich je hatte. Zum anderen existiert in Wien eine lange Tradition künstlerischer Erneuerung. Es ist spannend, über dieses Vermächtnis nachzudenken.

Ein wichtiger Teil deiner Arbeitspraxis sind deine „Black Dada“ Gemälde. „Black Dada“, wie du es definierst, erforscht die Beziehungen zwischen Blackness, Abstraktion und Avantgarde. Kannst du das näher erklären?
Der Satz stammt ursprünglich aus Amiri Barakas Gedicht Black Dada Nihilismus aus dem Jahr 1964. Mit seiner Poesie schuf er einen Raum für Kunst, der anders als nur im Wortsinn oder expressionistisch gemeint war, so wie es der europäische Dadaismus fünfzig Jahre zuvor getan hatte. „Black Dada“ ist ein visueller Raum zum Experimentieren, und um Dinge gleichzeitig aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen – einschließlich, aber nicht allein, der Schwarzen Perspektive.

01 Adam Pendleton c Katharina Poblotzki
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Bist du also ein Künstler, der aktuelle Themen diskutiert, indem er einen eher formalen oder abstrakten Standpunkt einnimmt?
Meine Bilder sind abstrakt, daher ist ihr Standpunkt ganz offensichtlich in erster Linie formal, auch wenn sie manchmal Worte beinhalten. Aber alle meine Gemälde, so würde ich sagen, stellen verschiedene Positionen dar, von denen einige jenseits meiner Absicht oder sogar meines Verständnisses als Künstler liegen. Meine Arbeit hat keine politische Agenda, schlägt keine politischen Lösungen vor, aber sie erkennt eine politische Realität an. Und diese Realität schließt die vielen Möglichkeiten, wie Sprache sowohl dienen als auch versagen kann, mit ein.

Sprache ist nun ein wichtiger Teil deiner Praxis, erkennbar in deinen Gemälden, die die Worte WE ARE NOT (WIR SIND NICHT) zeigen. Woher kommt diese Idee der Bejahung durch Verneinung?
Betrachten wir diese Frage aus verschiedenen Perspektiven. Erstens ist der rhetorische Raum dieser Gemälde kein entweder-oder. Es ist ein sowohl-als auch. Das WIR in den Gemälden ist inklusiv. Es umfasst den Betrachter, den Künstler, die Gemälde selbst und die Welt da draußen. Das heißt aber nicht, dass es ein gemütliches und harmonisches WIR ist. Und das führt uns zu dem Wort NICHT. Das NICHT ist natürlich eine Ablehnung, aber es ist auch eine Klarstellung. Wir sind nicht dies; wir sind nicht das. Wir sind etwas anderes, etwas sich Veränderndes, etwas, das sich von einem Moment auf den anderen anders darstellen kann. Es ist also sinnvoll, immer wieder zu fragen: „Okay, was sind wir? Wer sind wir?“

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Du bezeichnest dich selbst als abstrakten Künstler – ist Abstraktion für dich ein Werkzeug, um unsere komplizierte Welt zu zeigen?
An der Abstraktion reizt mich ihre Offenheit. Diese Eigenschaft macht sie so nützlich, um die Art und Weise zu erfassen, wie wir alle die heutige Welt erleben – wie ein psychisches Komprimieren von allem, das gleichzeitig geschieht. Daher: Ja, die visuelle Komplexität in den Gemälden ist in gewisser Weise auch gegenständlich.

Wie wichtig sind für dich die Räume, in denen deine Arbeiten gezeigt werden? Berücksichtigst du sie bei der Vorbereitung einer Ausstellung?
Für jede Ausstellung nutze ich das, was mir zur Verfügung steht. Also nicht nur im Hinblick darauf, was bei mir im Atelier passiert, sondern auch in Bezug auf den Kontext, in dem die Arbeit erlebt wird. Einige Künstler, insbesondere Maler, beschäftigen sich nicht wirklich mit dem Raum, in dem ihre Werke gezeigt werden, abgesehen von grundlegenden Überlegungen wie etwa der Beleuchtung. Aber die Architektur in meiner Arbeit prägt immer die Struktur meiner Ausstellungen. Zum Beispiel ist der zweite Stock des mumok, mit der Ansammlung meiner Werke und den gezackten Sichtlinien, eine Übersetzung des Raumes meiner Bilder. Die Betrachterinnen, die diese Kompositionen ansehen, bewegen sich auch durch sie hindurch. Und, um auf die kompositorische Logik des WIRzurückzukommen: Die Besucher*innen werden auf diese Weise in die Werke miteinbezogen, sind physisch mit ihnen verbunden. Und diese Erfahrung macht etwas mit den Personen, sie gibt ihnen die entscheidenden Instrumente, die sie brauchen, um sich der Arbeit unter ihren eigenen Bedingungen zu nähern.

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Adam Pendleton, Still aus Toy Soldier (Notes on Robert E. Lee, Richmond, Virginia/Strobe), 2021-2022 Video (schwarz-weiß, Ton), 6 Minuten 55 Sekunden © Adam Pendleton, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Galerie Eva Presenhuber

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Adam Pendleton, So We Moved: A Portrait of Jack Halberstam, 2021, Video (Schwarz-weiss, Ton), 30 Min, 59 Sek © Adam Pendleton, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Ein Ausstellungstitel wie Blackness, White and Light kann auf unterschiedliche Weise gelesen werden: Auf einer wörtlichen Ebene beschreibt er natürlich die Grundelemente deiner Arbeit. Aber drückt der Titel auch andere Ideen aus?
Die Ausstellung spricht für sich, also anstatt zu überlegen, was der Titel bedeutet, sprechen wir lieber darüber, was er tut. Was haben diese drei Elemente Blackness, White und Light miteinander zu tun? Wie ist die Beziehung zwischen A und B oder B und C oder A und C? Was ist, wenn wir A und C gegen B, oder B und C gegen A einander gegenüberstellen? Diese Unterschiede sind bedeutend, schon rein sprachlich. Der unabhängige Sinn jedes Elements ergibt sich aus diesen Unterschieden. Die Frage ist also: Sind die Elemente vielleicht doch nicht so unabhängig voneinander?

Installationsansicht, Adam Pendleton. Blackness, White, and Light (31. März 2023 bis 7. Jänner 2024), Foto: Klaus Pichler, © mumok

Adam Pendleton, Ohne Titel (Anthologie), 2017-23, Siebdruckfarbe auf Mylar, 48 Teile, je 96,5 x 73,7 cm, © Adam Pendleton, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Adam Pendleton, Black Dada (A/D), 2022-23, Siebdrucktinte auf Leinwand, zwei verbundene Tafeln, 243,8 x 193 cm, © Adam Pendleton, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Installationsansicht, Adam Pendleton. Blackness, White, and Light (31. März 2023 bis 7. Jänner 2024), Foto: Klaus Pichler, © mumok

Interview: Alexandra Markl
Fotos: Katharina Poblotzki

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