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Amoako Boafo, Wien

In the Studio

»Ein Teil von mir starrt dich immer durch meine Bilder an.«

Amoako Boafos Welt wird von kraftvollen Charakteren bewohnt. Mit Hilfe seines Farbeinsatzes und seines lebendigen Pinselstrichs erweckt der in Wien lebende Ghanaische Maler mit jeder vollendeten Leinwand ein weiteres starkes Individuum zum Leben. Boafo studierte in der Klasse von Kirsi Mikkola an der Akademie der bildenden Künste. Wir haben den Strabag-Preisträger 2019 in seinem Atelier getroffen, um kopfüber in diese Welt einzutauchen.

Amoako, dein Werk ist voll von Farben, Mustern und lebendigen Kontrasten. Kannst du uns die Quelle nennen, aus der du all diese Inspiration beziehst?
Von der Universität. Meine Klasse hat eine sehr gute Energie. Dort bin ich umgeben von Farben, verschiedenen Techniken und vielen Malstilen. Von abstrakter über Porträt- bis hin zu figurativer Malerei passiert in dieser Klasse fast alles. Wenn man an unterschiedlichen Orten in der Klasse arbeitet, nimmt man immer etwas von der Person neben sich mit. Aber Farbe ist das einzige, was in allen Arbeiten zu finden ist, und so bin ich immer von ihr umgeben.

Die von dir porträtierten Menschen machen den Eindruck, sehr charakterstark zu sein, und es fühlt sich an, als ob du eine recht intime Verbindung mit ihnen aufbaust.
Eigentlich kenne ich die meisten Charaktere, die ich male. Ich bin mit ihren Ausdrucksformen und ihrer Energie vertraut. Wenn du das Porträt ansiehst, möchte ich, dass du weißt: Das ist ihre Energie. Indem ich sie male, kann ich die verwendeten Farben mit der Energie der porträtierten Menschen verbinden.

Es fällt auf, dass du in den Arbeiten, die gerade hier in deinem Atelier zu senden sind, ganz unterschiedliche Muster verwendest. Ist das etwas, wofür du dich in letzter Zeit besonders interessierst?
Ich interessiere mich für Muster, ja, aber es dauert lange, sie zu malen. Also tue ich es nicht. (lacht) Aber vor kurzem bin ich in die Transfertechnik eingestiegen, die mir hilft, jene Muster, die mir gefallen, auf das Bild zu bringen, ohne sie unbedingt malen zu müssen. Es ist ein langsamer Prozess, die Transferflüssigkeit aufzutragen, das Muster darauf zu legen und dann sanft zu reiben, damit es auf dem Bild bleibt. Es braucht immer noch viel Zeit, aber das Experimentieren mit dieser Übertragun

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Welche Rolle spielt „Schwarzsein“ oder „schwarzer Stolz“ in deinen Bildern?
Für mich ist Malen im Grunde genommen das Dokumentieren und Feiern von Schwarzsein. Die Hauptidee oder das Ziel meiner Arbeit ist es, Menschen zu malen, die ich mag, Menschen, die mich inspirieren, Menschen, die Freiräume und Möglichkeiten schaffen. Was ich tue, ist, die guten Menschen um mich herum zu dokumentieren.

Bedeutet dir der Begriff „schwarzer Künstler“ etwas? Und was denkst du über solche Labels?
Die Leute fragen mich oft: Warum malst du nur schwarze Menschen? Aber ich glaube nicht, dass jemand einen weißen Künstler, der weiße Menschen malt, danach fragen würde. In Ghana bin ich Teil der Mehrheit, und niemand hat je hinterfragt, warum ich Schwarze male. Diese Frage hier beantworten zu müssen, ist für mich also ein bisschen seltsam. Ich bin ein Künstler und das war's. Wenn man sich meine Bilder ansieht und entscheidet, dass das Malen schwarzer Menschen mich zu einem schwarzen Künstler macht, dann ist das in Ordnung. Was für mich zählt, ist zu wissen, dass ich ein Künstler bin und dass ich Charaktere male, die mir gefallen, Charaktere, mit denen ich mich identifiziere.

Jemanden zu porträtieren, ist also ein Akt der Freundschaft, ein Akt des Respekts für dich?
Es muss etwas Organisches sein, das mich mit der Person, die ich male, verbindet. Wenn ich mich nicht verbunden fühle, kann ich nicht malen. Bei einigen meiner Bilder kenne ich die Menschen, die ich male, persönlich. In diesem Fall ist es ein sehr intimer Prozess, bei dem jede Bewegung, jede Farbauswahl und jeder Pinselstrich, den ich mache, auf dieser Beziehung basieren. Andere kenne ich aus der Ferne, und da arbeite ich mehr mit dem Ausdruck, der Bewegung und der Kleidung, die sie tragen.

Was ist deine Vorgangsweise, wenn du jemanden porträtierst – sagen wir, jemanden, den du persönlich kennst. Würdest du dich mit ihr oder ihm persönlich treffen und dich mit ihr oder ihm zusammensetzen? Oder arbeitest du nach Bildern? Ich treffe sie oder ihn und wir unterhalten uns. Und dann mache ich Fotos. Ich muss in der richtigen Phase sein, um so malen zu können, wie ich will. Mein Hauptinteresse ist, nicht nur die Ähnlichkeit herzustellen, sondern die Persönlichkeit einzufangen. Manchmal sehen sie sich ihr Bild an und sagen: „Das bin ich, obwohl es nicht wirklich wie ich aussieht!“

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Und wenn du Menschen malst, die du nicht persönlich kennst? Wonach suchst du in ihnen?
Wenn ich jemanden auswähle, den ich nicht kenne, geht es mir mehr darum, durch das Bild eine Verbindung zu dem herzustellen, was er tut. Das ist meine Art, Wertschätzung zu zeigen. So werde ich zum Beispiel Thelma Golden malen. Sie ist die Direktorin des Studio Museum Harlem. Ich habe sie ausgewählt, weil sie großartige Arbeit leistet, indem sie einen Ort für schwarze Künstler schafft. Ich kenne sie nicht persönlich, aber ich fühle mich mit der Energie dessen, was sie tut, verbunden.

Ich möchte über die Verbindung sprechen: Etwas, das mir an deinen Arbeiten auffällt, ist dieser wirklich direkte Blick deiner Modelle, der eine sehr intensive Verbindung herstellt.
Wenn man jemanden anschaut, bedeutet das immer, dass man ihn oder sie analysiert. Der direkte Blick in meinen Bildern lässt diese Person zu dir zurückschauen. Man starrt das Bild an, und jemand starrt zurück. Das ist dir vielleicht nicht sehr angenehm. Es ist nicht leicht, angestarrt zu werden, denn es bedeutet, dass, wenn du das Bild analysierst, das Bild gleichzeitig dich analysiert. Es ist ein Geben und Nehmen. Und dann gibt es ein bisschen von mir, das dich anstarrt. Ich wähle Charaktere aus, mit denen ich mich auch identifizieren möchte. Die Farben, die Energie, die Muster, die Ausdrücke - das sind sie, aber dann füge ich immer auch etwas von mir selbst dazu.

Vielleicht ist es der intensive Blick, den du beschreibst, der den Blick des Betrachters irgendwie auf die Gesichtszüge und den Ausdruck der Person lenkt.
Ich möchte einfach nicht, dass irgendetwas vom Gesicht der Person und dem Ausdruck, den ich vermitteln möchte, ablenkt. Um die Dinge, die ich sagen möchte, wirklich hervorzuheben, versuche ich, andere Elemente so weit wie möglich zu reduzieren. Natürlich wäre es interessant, Dinge in den Hintergrund zu stellen, und das habe ich auch schon vor einiger Zeit versucht. Aber selbst bei den Mustern, die ich jetzt verwende, habe ich Angst, dass die Leute die Muster einfach nur schön finden und das Gesicht übersehen könnten. Am Ende denke ich, dass sie sich als gutes Gegenstück erwiesen haben.

Ein großer Teil des Reizes der von dir gemalten Gesichter liegt in der Aufmerksamkeit, die du den extrem reichen und tiefen Hauttönen schenkst.
Einerseits möchte ich das Gesicht hervorheben, weil ich die Figur, die ich male, hervorheben möchte. Aber ich möchte auch einen Punkt hervorheben: Indem ich die schwarzen Gesichter, die ich male, so stark und lebendig mache, wie sie wirklich sind, möchte ich zeigen, dass Schwärze nicht gleichbedeutend mit Negativität ist.

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Du bist ein Maler in einem fast altmodischen Sinn des Wortes. Was ist es, das dich zu Farbe und Leinwand hinzieht?
Es ist das einzige Medium, in dem mein Geist frei ist. Wenn ich male, denke ich an nichts anderes. Ich zeichne auch gerne und habe gelernt, wie man bildhauerisch arbeitet. Aber irgendwann muss man ehrlich zu sich selbst sein: Welche Arbeitsweise macht dich frei, welche erlaubt dir, dich am meisten auszudrücken? Und das ist für mich die Malerei.

Du bist nicht nur ein Maler, sondern auch ein ausgesprochen figurativer Maler. Kannst du beschreiben, was dich so daran fasziniert, andere Menschen so präzise zu porträtieren?
Ich habe mich schon immer für Gesichtsausdrücke interessiert. Es gibt so viel, was man allein durch das Zeigen eines menschlichen Gesichts erkennen kann. Allein durch den Blick auf das Gesicht eines Menschen kann man sagen, ob er glücklich oder traurig ist. Das ist ein Grund, warum ich Porträts so gerne mag. Und dann gibt es eine gewisse Lücke: Wenn man in ein Museum oder eine große Galerie geht, sieht man nur weiße Figuren. Man sieht dort nicht die Art von Gesichtern, die ich male. Diese Lücke möchte ich selbst ein wenig schließen. Also, ja, das ist mein Hauptziel: eine andere Art von Porträt zu malen.

Gibt es in der Kunstgeschichte für deine Arbeit besonders relevante Einflüsse?
Es gibt einige Leute, die meine Bilder zum Beispiel mit Egon Schiele in Verbindung bringen. Schiele ist ein erstaunlicher Künstler, das ist also sehr schmeichelhaft. Bevor ich nach Wien gezogen bin, habe ich nicht so gemalt, wie ich es jetzt tue. Ich habe nach einer Möglichkeit gesucht, figurative Porträts in einer lockeren und freien Art und Weise zu malen. Also ging ich in Museen oder sah mir Bücher an und dachte darüber nach, wie Leute wie Schiele dorthin gekommen sind. Auf diese Weise hatte die Kunstgeschichte einen großen Einfluss darauf, wie ich male.

Du bist in Ghana geboren und aufgewachsen. Wie bist du überhaupt in Wien gelandet?
Das ist eine sehr lange Geschichte, aber es läuft darauf hinaus, dass ich in Ghana eine Österreicherin getroffen habe. Wir haben einige Projekte zusammen gemacht und schließlich geheiratet. Ich kam 2012 zum ersten Mal nach Österreich, um eine Ausstellung zu machen. Nach ein paar Ausstellungen in Ghana kehrte ich zurück und ging direkt an die Akademie für Bildende Künste.

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Aber du hast mit dem Kunststudium bereits in Ghana begonnen, oder? Wie hat die neue Umgebung deine Arbeit beeinflusst?
Ich habe mein Diplom 2007 in Ghana gemacht, also habe ich schon eine ganze Weile gemalt, bevor ich nach Wien gezogen bin. In meiner Heimat war Schwärze nie ein Thema. Sobald ich hergezogen bin, wurde es zu einer großen Frage: Warum male ich schwarze Menschen? Die Situation änderte sich, und so musste ich mit diesen neuen Erfahrungen arbeiten. Kunst ist für mich eine Möglichkeit, mit Problemen positiv umzugehen. Wenn ich zum Beispiel beleidigt werden würde, könnte ich, anstatt mich zu beschweren, ins Atelier kommen und jemanden mit einem starken Charakter malen. Wenn ich mich dazu entschließe, jemanden zu malen, der etwas unternimmt, um jemand anderen zu stärken, kann ich positiv bleiben. Und auch mein Malstil hat sich geändert, denn an der Akademie konnte ich experimentieren und das, was ich bereits wusste, verbessern. Ich wollte weg von der akademischen Art zu malen, die ich in Ghana gelernt hatte. Die Akademie in Wien half mir dabei.

Du hast eine Serie von Porträts mit dem Titel „Schwarze Diaspora“. Ist diese Werkgruppe dein Weg als Maler, um Solidarität mit einer Gruppe zu zeigen, der du angehörst?
Ja, das ist sie. Jetzt, wo ich hier bin, muss ich meine Umgebung genießen. Wenn ich ausgehe, muss ich mich mit jeder Negativität, die mir begegnet, auseinandersetzen. Du kannst es nicht vermeiden. Es gibt keine Möglichkeit, sie zu umgehen. Es ist, was es ist. Manchmal bin ich vielleicht eine Woche lang da draußen, ohne eine andere Person zu sehen, die mir ähnlichsieht. Aber hier im Studio bin ich umgeben von, ich weiß nicht, wie vielen schwarzen Gesichtern! Für mich ist Malen wie die Erschaffung meiner eigenen Gemeinschaft.

Um die Perspektive zu wechseln: Wie ist es, in Ghana Kunst zu studieren und Künstler zu sein?
In Ghana würdest du nicht Künstler sein wollen. Und niemand will, dass seine Kinder Künstler werden, weil es sich nicht lohnt. Als ich mit der Kunst anfing, wusste ich, dass ich damit nie Geld verdienen würde. Es geschah aus Leidenschaft. Ich wusste, dass ich nach meinem Diplom eine Arbeit finden musste, um meine Rechnungen zu bezahlen. Dennoch habe ich nicht aufgegeben, und ich hatte das Glück, hierher zu kommen, denn trotz aller Hindernisse gibt es hier viel mehr Unterstützung für Künstler. Ich fahre aber immer noch sehr viel nach Ghana. Im letzten Jahr war ich vier Mal dort.

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Wenn du also nach Hause reist, dann, um deine Familie zu besuchen oder um zu arbeiten und Eindrücke zu sammeln?
Natürlich komme ich nach Ghana, weil ich dort Freunde und Familie habe, aber ich fahre auch dorthin, weil ich dort einen Atelierraum für Künstler aufbauen und ein Residency Programm einrichten möchte. Ich habe das Gefühl, wenn es mehr Möglichkeiten für Künstler gäbe, würden die Leute nicht automatisch denken, sie können es nur schaffen, wenn sie nach Europa gehen. Ich zum Beispiel wäre, würde es in Ghana mehr Kunsträume gegeben, nicht auf die Idee gekommen, nach Europa zu kommen.

Hast du bestimmte Vorbilder, die dich inspiriert haben, Helden, zu denen du immer wieder aufschaust?
Kerry-James Marshall! Er ist ein alter Favorit von mir. Ich liebe ihn und ich liebe seine Arbeit. Ich wünschte, ich könnte so sprechen, wie er spricht, aber ich glaube nicht, dass das meine Aufgabe ist. Dann mag ich Lynette Yiadom-Boakye. Sie ist auch eine ghanaische Künstlerin und lebt in London. Und dann gibt es noch Toyin Ojih Odutola, Henry Taylor und natürlich Kehinde Wiley. Ich werde immer noch jedes Mal inspiriert, wenn ich mir ihre Werke ansehe. Es ist toll zu sehen, wo sie angefangen haben und wo sie jetzt sind. Aber mein größter Favorit bleibt Kerry-James Marshall.

Wie sieht es mit anderen Anregungen aus? Gibt es etwas außerhalb der Kunst, das deine Malerei beeinflusst?
Ich höre sehr viel Musik. Sie gibt die Stimmung vor, und sie hilft auch bei der Umsetzung der Malerei. Manchmal habe ich Lust, Afrobeat zu hören, dann Afropop oder Jazz. Manchmal höre ich einfach nur „Juicy“ von B.I.G. Wenn ich „Juicy“ höre, ist es nur „Juicy“ und ich spiele es den ganzen Tag. Besonders als ich in Los Angeles war – habe ich diesen einen Titel den ganzen Aufenthalt über gespielt. Wenn er gut ist, muss man ihn in der Wiederholung hören, oder?

Wie wirst du deine Arbeit in Zukunft weiterentwickeln? Was sind die nächsten Schritte für dich?
Ich schaue immer wieder auf meine Umgebung und lasse mich inspirieren. Ich weiß, welche Figuren ich malen möchte. Aber ich bin gespannt, welche Farben und welche Muster ich verwenden werde. Ansonsten ist das Hauptziel, meine Arbeiten in gute Sammlungen und Museen zu bringen und neue Arbeiten für Ausstellungen und Messen zu produzieren.

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Interview: Gabriel Roland
Fotos: Maximilian Pramatarov

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