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Anne Duk Hee Jordan, Berlin

In the Studio

»Ich mache das Nicht-Sichtbare durch Transformation sichtbar.«

Im Universum von Anne Duk Hee Jordan wird es nicht langweilig. Steine fliegen in einer Art Minikarussell klackernd durch die Luft, Wasser tropft und blubbert unter rosafarbenem Licht, es gibt jede Menge Skizzen, Ausdrucke und Modelle, an der Wand lehnt ein rotes Fahrrad, das als „Erdbeerkanone“ fungiert. Der Forscherdrang und die Neugierde der Künstlerin führen sie von einer Arbeit zur nächsten und verführen die Betrachter mit sinnlicher Raffinesse oder Humor, um sie dann mit Themen zu konfrontieren, die auf den zweiten Blick gar nicht immer so lustig sind.

Duk Hee, du bist in Südkorea geboren, aber in Deutschland aufgewachsen, wie wirkt sich dieser Culture Clash auf dich und deine Arbeiten aus?
Ich habe relativ wenig Bezug zu meinem Geburtsort, weil ich im Alter von drei, vier Jahren adoptiert wurde. Ich bin dann in der Pfalz, einer Weingegend, groß geworden und ich spreche auch diesen komischen Dialekt. Wenn ich damit ordentlich losgelegt habe, dann war es eher umgekehrt, dann hatten die Pfälzer den Culture Clash, nicht ich. (lacht) Wenn man dann heranwächst, auf dem Dorf, wird es natürlich ein bisschen schwieriger, und man befasst sich auch stärker mit der eigenen Identität … Die Kartoffel hat zum Beispiel später eine große Rolle in meiner Kunst gespielt, weil ich mit den Kartoffelfeldern und Kartoffeln groß geworden bin – und weil die Kartoffel eine Frucht ist, die ursprünglich aus Südamerika nach Europa gebracht wurde.

Spielst du auf die Fotoarbeit an, in der eine Kartoffel scheinbar aus einem Po herauswächst?
Zum Beispiel, aber ich habe auch eine ganze Installation gemacht, die sich Compassion nannte. In dieser Arbeit habe ich jungen Kartoffelsetzlingen mein Blut injiziert und dadurch nahmen die auch meine Gene auf. Ich habe quasi eine neue Kartoffel kreiert. Das waren dann richtige Pflanzen, und es gab eine Installation mit Eisengestellen, an denen Infusionen befestigt waren. Eine Bekannte, die Krankenschwester ist, hat mir jeden Tag Blut abgenommen. Die Kartoffeln sind dann gewachsen, und ich habe eine Bewässerungsmaschine für sie gebaut. Der Strom dafür wurde von den Kartoffeln selbst erzeugt. Aus diesem System sind neue Kartoffeln gewachsen, die ich weiterverarbeitet habe. Später ist die Kartoffel auch zu einem Objekt geworden für Fotoarbeiten und gab ebenso den Anstoß für die Videoarbeit Lost Princess of Mongolia, wo es wieder um Identitätsbeschreibung ging.

Wie hast du eigentlich dazu gefunden, Kunst zu schaffen?
Der Weg dorthin hat ziemlich lange gedauert, weil ich so umtriebig war. Ich konnte mich nicht entscheiden. Ich wollte Elektro-Engineering lernen, habe dann aber angefangen, mehrsprachige Kommunikation zu studieren. Bereits mit 12 Jahren habe ich eine Ausbildung zum Rettungstaucher, Freitaucher und Tiefseetaucher begonnen und auch abgeschlossen. Außerdem bin ich ausgebildete Therapeutin, unter anderem in Psychomotorik. Eine Zeit lang bin ich in der ganzen Welt herumgereist, und so habe ich tatsächlich erst mit 27 angefangen, in Berlin-Weißensee Bildhauerei zu studieren. Ich fand es toll, mich dort mit verschiedenen Materialitäten zu beschäftigen. Aber nachdem einige Professoren gewechselt hatten, konnte ich dort nicht mehr wirklich weiterkommen. Aus dem Grund habe ich mich am Institut für Raumexperimente bei Olafur Eliasson beworben, wo ich auch angenommen wurde und 2012 meinen Meisterschüler gemacht habe.

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Künstler ist für viele ja immer noch kein ernst zu nehmender Beruf. Wie hat dein Umfeld darauf reagiert, dass du eine künstlerische Laufbahn einschlagen wolltest? 
„Mensch, Kind, mach doch mal was Richtiges!“ So. „Willst du nicht erst einmal einen richtigen Beruf erlernen …?“ 

Wobei, den hattest du ja quasi schon … 
Genau … Also meine Eltern, die haben mich sowieso machen lassen, was ich wollte, die konnten da auch nicht eingreifen. Ich hab einfach gemacht, was ich wollte. 

Und für dich selbst, ist Künstler-Sein ein Beruf oder eine Berufung? 
Beides. Also man kann ja sechs oder acht Stunden im Büro sitzen und was machen und dann war’s das. Ich weiß nicht, wie es bei anderen Künstlern ist, aber bei mir ist es ein Teil von mir, ich kann das nicht abstellen. Wenn ich nach Hause gehe, bin ich in meinen Gedanken immer noch am Rotieren.

Was soll oder kann Kunst deiner Meinung nach leisten? Hat man als Künstler auch eine gewisse Verantwortung? 
Ich denke schon. Als Künstler hat man vielleicht sogar einen größeren Einfluss, als wenn man bei irgendwelchen Vorträgen über politische Reformen redet. Man kann Dinge ganz anders kommunizieren. Es muss eben nicht unbedingt auf eine stringente, rigide Weise sein, sondern man kann ein Anliegen auch auf eine nonverbale Art vermitteln. Deswegen ist Kunst für mich eines der wichtigsten Medien, um Umstände sozialer oder politischer Form ändern zu können. Das finde ich ganz wichtig. Und ich finde es auch wichtig, dass man dabei offen bleibt und vermittelt. Wenn man es nicht im Großen kann, dann sollte man es im kleinen Kreis tun, mit den Leuten, mit denen man unmittelbar zu tun hat. Ich denke, nur so können sich Dinge verändern. 

Gibt es andere Künstler oder Künstlerinnen, die dich nachhaltig beeindruckt haben oder denen du dich geistig verbunden fühlst? 
Jean Tinguely, der diese kinetischen Arbeiten gemacht hat. Ich glaube, er hat mich am meisten beeinflusst. Es war diese ganze Mechanik in seinen Installationen – alles, was sich bewegt –, was mich so fasziniert hat.

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Kannst du in wenigen Worten das zentrale Interesse oder Thema deiner Arbeit beschreiben?
Ich verwandele organische und auch tote Materie in humorvolle und romantische Maschinen und Roboter, die aber immer einen Bezug zur Ökologie besitzen. Und ich mache das Nicht-Sichtbare durch diese Transformationen sichtbar. Dadurch stelle ich auch biologische und chemische Prozesse dar.

Du arbeitest ja nicht nur mit Installationen, dein Œuvre umfasst ein breites Medienspektrum, unter anderem auch Videos. Und du bist auch „Food Artist“. In deiner Performance „Into the Wild“ hast du ein mit allen Sinnen erfahrbares Menü inszeniert …
Die Food-Performance Into the Wild habe ich erst vor Kurzem ganz konkret konzipiert. Das so zu gestalten, war mir aber nur möglich, weil ich viele Jahre schon andere Food-Geschichten gemacht und aus diesen Erfahrungen gelernt habe. Das Konzept – einen komplett essbaren Tisch, der sich durch die Jahreszeit, die spezifische Vegetation, was gerade da ist, immer ganz anders gestaltet – kann man für 10 Leute oder für 200 Leute adaptieren. Ich entwickele und koche dafür ein Menü, das immer auch einen ökologischen Kontext hat. Ich denke, dass man als Mensch begreifen muss, in welcher luxuriösen Situation wir uns eigentlich befinden: Hunger, Essen und Nahrung spielen eben eine ganz große Rolle in unserer Ökonomie. Das ist das erste Glied in der Kette. Hunger verursacht Krieg. Und die Agrarwirtschaft ist auch mit dafür verantwortlich, wie sich unser Klima verändert: Alles, was in den Boden geht, landet ja über die Kläranlagen auch in den Flüssen und Meeren. Durch den Transport von Lebensmitteln werden zum Beispiel Plastiknanopartikel über den Abrieb der Reifen ins Meer befördert. Es ist eine ganze Kette von Umständen, und genau das interessiert mich, darum mache ich diese Food-Performances. 

Bei den Performances gibt es kein Besteck, man isst mit den Händen …
Genau, man kann sich förmlich durch den Tisch wühlen. Ich staune immer wieder selbst, wie fasziniert die Menschen sind und was das für eine sinnliche Wahrnehmung auf allen Ebenen verursacht. Wenn man das Gefühl hat, wie eine Ziege diesen Tisch aufzuessen, kann man vielleicht auch eher diese Perspektive einnehmen: Man kommt vom Luxus zum Essenziellen. 

Du gehst das mit deinen politisch oder sozial motivierten Denkanstößen sehr subtil an. Wie stehst du zu politischer Kunst, die eher aktionistisch ist? 
Ich finde auch Aktionismus, wenn er gut gemacht ist, wichtig. Manchmal braucht es eben einen Rumms, einen Paukenschlag. Was ich nicht gut finde, ist, wenn der Aktionismus in einen radikalen Populismus übergeht, der dann wiederum die Leute auffordert oder zwingt, radikal oder aggressiv zu handeln. Das ist nicht meine Herangehensweise. 

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Wie kann man sich deinen Arbeitsprozess vorstellen? Arbeitest du auch mit Assistenten oder ist Kunstmachen eher ein intimer Akt für dich? 
Ich liebe es ehrlich gesagt, Assistenten zu haben! Das ist toll. Man kann sich auf andere Sachen konzentrieren. Es gibt bei mir einen ganz großen Rechercheanteil; unter anderem baue ich Modelle und reise dann an die Orte, um Themen weiter zu recherchieren. Das findet auf vielen Ebenen statt. Das Projekt I Traveled 1.8 Million Years to Be With You für die Beaufort Triennale hatte am Anfang zum Beispiel auch eine komplett andere Form. Ich habe wahnsinnig viele Modelle und Zeichnungen gemacht. Am Ende hat sich die Arbeit ganz anders gestaltet, aber nur durch die intensive vorherige Auseinandersetzung war ich in der Lage, sie so konkret zu realisieren. Das war letztendlich in fünf Minuten entschieden. Aber die ganze Vorarbeit mit der Recherche hat ein Dreivierteljahr gedauert. 

Mitunter beziehst du auch andere Personen in den Entstehungsprozess deiner Kunst ein. So hast du unter anderem schon mit Wissenschaftlern oder auch mit einem Förster gearbeitet. Wie reagieren die Leute, wenn sie mit den Ideen einer Künstlerin konfrontiert werden? 
Viele denken erst, man ist ein bisschen verrückt. Als ich zum Beispiel den Film Ziggy and the Starfish gemacht habe, einen Film über die sich verändernde Sexualität in der Unterwasserwelt, habe ich mich mit Wissenschaftlern über diese Veränderungen unterhalten. Die waren hinterher aber total begeistert, weil ich natürlich einen anderen Zugang habe, aber genau die gleiche Aussage. Als Künstler muss man kein Ergebnis mit Zahlen hinlegen. Das finde ich schon auch sehr wichtig, dass man zwar mit Fakten arbeitet, sie aber adaptiert und somit auf eine freiere Art vermitteln kann. Ich lade die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, dann meistens zu den Ausstellungen ein und die Verbindungen bleiben bestehen. Für mich ist das nicht abgeschlossen, die Arbeiten entwickeln sich ja auch immer weiter … 

Du schaffst mit deinen oft partizipativen Installationen ja auch einen spielerischen Zugang für Leute, die sonst vielleicht nicht unbedingt stehen bleiben oder ein Video gucken würden. 
Ja, das stimmt. Für die Biennale in Riga hab ich für Ziggy and the Starfish ein riesiges Wasserbett gebaut, mit Meeresgetier-Kissen. Man konnte sich dort reinlegen und das Video schauen, das mit der Musik aus den Siebzigern schon auch ein sehr sinnlicher und ästhetischer Film ist – wie so ein Softporno, sehr verführerisch. Wenn man dann in diesem gigantischen Wasserbett liegt, wird man ein Teil dieser im Film beschriebenen Unterwasserwelt. Das war auch die Idee: dass sich der Körper neu orientiert, während man sich diesen Film ansieht, beobachtet, wie sich die Unterwasserwelt verändert und wie und warum die Organismen dort in der Lage sind, sich so schnell zu adaptieren. Wir Menschen können das eben nicht. 

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Wir haben zwar schon ein bisschen darüber geredet, aber was sollen die Betrachter aus deiner Arbeit mitnehmen? 
Meine Arbeiten sind oft erst einmal ganz witzig oder sinnlich, aber auf den zweiten Blick merkt man, dass es nicht mehr so witzig ist, und fängt hoffentlich an, sich Gedanken zu machen. Mir ist es schon wichtig, dass viele der Arbeiten auf mehreren Ebenen erfahrbar sind, weil man über die eigene Wahrnehmung mit verschiedenen Sinnen vieles besser versteht, als wenn man es nur anguckt oder der Kontext sehr akademisch ist. 

Deine Arbeiten sind oft zeitbasiert, vergänglich oder sperrig – und damit nicht unbedingt Galeriematerial. Man sieht deine Arbeiten auch eher bei Biennalen und im institutionellen Kontext: Wie stehst du zum Kunstmarkt, beziehungsweise wie positionierst du dich in diesem Feld? 
Ich finde, dass man als Künstler bezahlt werden sollte. Das ist ganz wichtig. Der Kunstmarkt ist ein Business. Und der Künstler ist selbst auch, wenn er das in einem großen Kontext macht, eine Firma. Ich mag Messen nicht unbedingt. Natürlich finde ich es toll, wenn sich die Gelegenheit bietet, bei einer Messe etwas zu verkaufen – man muss schließlich auch von etwas leben –, aber ich sehe mich und meine Arbeit da eigentlich nicht. 

Ist es aus deiner Sicht notwendig, einen bestimmten Stil zu kultivieren? Und wie kommt man bei der großen Konkurrenz am Kunstmarkt zu Aufmerksamkeit und Anerkennung? 
Ich denke, das geschieht, wenn die Arbeit eine Substanz, eine Qualität hat. Und wenn die Arbeit etwas mit den Menschen macht. Natürlich auch, wenn man mit den richtigen Leuten in Verbindung gebracht wird, es die richtigen Leute sehen und die richtigen Leute darüber schreiben. Das macht einen kleinen Bruchteil aus, und zu einem ganz großen Prozentsatz hat es auch einfach mit Glück zu tun. Ich glaube, bei mir passiert das mit dem „Stil“ auch aus dem heraus, wie ich die Sachen sehe. Wenn ich alle Installationen, Videos und Skulpturen zusammenbringen würde, könnte man wohl erkennen, dass es meins ist, meine Handschrift. Aber es ist nicht so, dass ich jetzt denke, ich muss das jetzt so und so machen. Das sind alles Prozesse, und jede Arbeit steht bei mir tatsächlich in Relation zu den anderen. Das ist wie ein kleines Universum und alles ist miteinander verbunden. 

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Sind bei dir die Titel eigentlich Teil des Kunstwerkes? 
Ja, meistens schon. Das hier heißt beispielsweise einfach Singing Stones. Es sind eigentlich Fossilien, die da aufeinander klappern. Die hab ich in Zumaia, in Nordspanien, gesammelt, wo die ganzen Felsen wirklich vertikal stehen. Man kann ganz genau sehen, wie alt die sind, so zwischen 65 und 130 Millionen Jahre. Ich habe die Fossilien zwar jetzt gesammelt, aber sie produzieren quasi den Sound der Vergangenheit ins Jetzt hinein, das war die Idee dahinter. 

Was steht für dich aktuell an? 
Im September eröffnet meine Einzelausstellung in der Galerie Wedding mit dem Titel Ziggy und das Land der betrunkenen Bäume, dem Nachfolger von Ziggy and the Starfish, meiner Videoarbeit auf der Riga Biennale, von der ich vorhin erzählt habe. Für den neuen Ziggy-Film bewege ich mich vom Meer weiter landeinwärts. Ich hab dafür eine imaginäre Recherche-Reise in die Tundra unternommen, wo es um die Methanlöcher geht und die „betrunkenen“ Bäume. Die fallen dort alle durch den Permafrost zusammen und hängen so da. Im Oktober bin ich mit der Performance Into the Wild vom Auswärtigen Amt Berlin nach Buenos Aires eingeladen, wo ich versuche, die Anden und den Amazonas auf den Tisch zu bringen – mit einem sehr bekannten Spitzenkoch. Er wird kochen, aber ich konzipiere das Menü und den Tisch, zusammen mit Leuten, die sich mit den Wildpflanzen in den Anden und am Amazonas auskennen.

Was wünschst du dir für die Zukunft? 
Für meine Kunst wünsche ich mir, dass sie weiter expandiert, dass sie noch größer wird und ich viele Menschen damit erreichen kann. Für mich selbst hätte ich gerne eine große Fabrik oder eine Produktionsstätte, mit viel Licht und einem Raum, wo nur meine Modelle stehen und ich Recherchen betreiben und Prototypen und Roboter entwickeln kann. Ein Labor. Ein richtiger Forschungsraum! Das war schon immer ein Kindheitstraum von mir.

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