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Austin Eddy, Brooklyn, New York

In the Studio

»Ich suche nach einem Spalt in der Kunstgeschichte.«

Die Gemälde des in Brooklyn lebenden Künstlers Austin Eddy ermuntern die Betrachter, mittels seiner Bilder ihre persönliche Geschichte zu schaffen. Eddy mag autobiografische Ereignisse verwenden und sie zu Vögeln abstrahieren, aber er zwingt seine eigene Interpretation nicht auf. Seine Vögel sind mehr Form als Tier: Sie stehen für das menschliche Verlangen nach persönlicher Freiheit, das jedoch von einem starken Wunsch nach Stabilität und Struktur geleitet wird. Eddys Werk bewegt sich auf dem Grat zwischen figurativ und abstrakt und erinnert an die kubistischen Formen des 20. Jahrhunderts, ist aber gleichzeitig fest in der Gegenwart verankert.

Austin, wie bist du zur Malerei gekommen?
Als Kind liebte ich es zu zeichnen, Cartoons und Comics später auch Graffitis. Dies führte schließlich zu einem ernsthaften Interesse an traditionellerer Kunst und entschied ich mich, eine Kunstschule zu besuchen. An der School of the Art Institute of Chicago konzentrierte ich mich dann hauptsächlich auf bildende Kunst.

Wie sah deine Arbeit anfangs aus?
Zuerst legte ich meinen Fokus auf Schwarz-Weiß-Figurenmalerei, aber das wurde mir bald zu eintönig. Denn da steht immer die Erzählung im Vordergrund, das fand ich nicht besonders lohnend. Sieht man zum Beispiel ein Bild von einer Person in einer Bar, ist klar, was das bedeutet. Aber wenn man die Person in einen Vogel und die Bar in einen Baum verwandelt, abstrahiert das das Potenzial der Erzählung. Mir war es wichtig, eine Geschichte zu erzählen, ihr aber Raum zur Entfaltung zu geben: die Charaktere zu öffnen, Möglichkeiten von Deutungen zu schaffen.

Wann hast du aufgehört, figurativ zu arbeiten?
Ab dem Jahr 2015 erkundete ich die Abstraktion und überlegte, Formen zu schichten und die Figur zu entfernen. Aus diesem für mich neuen Lexikon von Ikonen entstanden die Figuren, mit denen ich meine Geschichten erzählte. Dieser Übergang endete damit, dass ich mich in Richtung der Vogelformen bewegte. 2018 begann ich, die Vogelform klarer zu malen.

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Ist der Vogel eine Metapher für Freiheit?
Nun ja, manchmal. Aber es ist auch ein Symbol für etwas, das gefangen oder eingesperrt ist. Damit denke ich über die Dualität des Daseins nach: die Sehnsucht nach Freiheit, gepaart mit dem Bedürfnis nach Struktur; sei es nun Familie, Job, selbst auferlegte Regeln oder anderes. Dieselbe Dualität findet sich auch bei den Bäumen, auf denen die Vögel sitzen: Sie sind einerseits ein fester sicherer Raum, der aber gleichzeitig auch verletzlich ist. Ein Baum ist zwar verwurzelt, kann sich aber bei einem Sturm mit dem Wind bewegen … wie wir uns selbst durch Schwierigkeiten und Konflikte.

Sind die Vögel wirklich Vögel oder etwas ganz anderes?
Die Vögel sind eher Stellvertreter für Charaktere, für Teile unseres emotionalen Wesens. Es ist die Interpretation des Zuschauers, die zählt. Im Grunde sind die Formen der Vögel die Grundlage des Ganzen. So wie die Formen interagieren, bilden sie eigene Spannungen und Erzählungen. Darüber hinaus erzeugt die Art und Weise, wie die Farben im Gemälde aufeinandertreffen, eine eigene Beklemmung oder Harmonie.

Ich frage mich, ob du jemals Vögel beobachten kannst – es scheint fast unmöglich, da du in New York City lebst … Gibt es dort überhaupt Vögel?
Sehr viele! Zum Beispiel haben wir Kardinäle und Blauhäher in unserem Garten, es gibt Morgentauben, Krähen, sogar einen Falken im Park in unserer Nähe, und letztes Jahr lebte eine Eule in einem Baum. New York ist ein Korridor für die Migration.

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Austin Eddy, A Home Of One's Own., 2023, Öl und Flashe auf Leinwand, 45,5 x 40,5 cm / 18 x 16 in, EDDY59391, Courtesy der Künstler und Galerie Eva Presenhuber, Zürich / Wien, © der Künstler, Foto: Stan Narten, JSP ART PHOTOGRAPHY

Vögel, Bäume und Blumen tauchen nicht nur in deinen Arbeiten auf, sondern stehen auch im Mittelpunkt einer Kunstform, die dir am Herzen zu liegen scheint: Volkskunst. Ist sie ein Einfluss?
Es ist eine der einflussreichsten Kunstformen, die ich kenne. Sie steht für Ehrlichkeit und Verletzlichkeit, für Direktheit … Das ist etwas, das ich für sehr wichtig halte. Es gibt einige historische europäische Folk-Künstler, die ich mir aus der Art Brut-Bewegung ansehe; Künstler wie Carlo Zinelli, Adolf Wölfli oder Alessandra Michelangelo. Ich interessiere mich auch sehr für zeitgenössische Folk-Künstler in Amerika wie Eddie Arning, Mose Tolliver oder Sylvia Fragoso.

Gibt es eine Kluft zwischen Hoch- und Volkskultur? Hast du das Gefühl, dass die Leute Volkskunst als nicht „ernsthafte“ Kunst abtun könnten?
Ich denke, Leute, die sich dafür nicht interessieren, werden sich für nichts interessieren. Es ist, als würde man ein Gemälde von Jackson Pollock betrachten und sagen: „Mein Kind könnte das auch“. Es ist kein Unterschied, das Gleiche über Volkskunst zu sagen.

Für dich existiert diese Kluft also nicht?
Nein, es steckt so viel Einfallsreichtum und Ausdruck in diesen Werken …

Nun, man könnte sagen, dass es genau das ist, was die Leute auch an deinen Bildern anzieht!
Ich versuche einfach, sie so wenig einschüchternd wie möglich zu gestalten.

Das bedeutet, dass der Betrachter nicht unbedingt einen kunsthistorischen Hintergrund haben muss, um sich mit deiner Arbeit wohl zu fühlen …
Genau! Denn das ist meine größte Sorge: Sechs Pressemitteilungen lesen zu müssen, um ein Bild zu verstehen! Ich möchte einfach, dass meine Bilder für alle da sind.

Siehst du dir neben der Volkskunst noch andere Kunsttraditionen an?
Natürlich, sei es Design, Textilien, touristischer Schmuck oder historische und zeitgenössische Arbeiten. Der Blick auf andere Künstler in der Geschichte ist allerdings eher informativ als inspirierend, denke ich. Zu wissen, wo wir einmal waren, hilft zu wissen, wohin wir gehen könnten. Die Geschichte der Malerei ist ein guter Ausgangspunkt. Dabei frage ich mich: „Wo kann ich da einen Spalt finden, um voranzukommen?“

Ist es eine Anstrengung, diesen Spalt zu finden und sich in der Kunstgeschichte zu behaupten?
Es ist eine interessante Herausforderung. Es treibt mich an, weiterzumachen; wenn es einfach wäre, würde es keinen Spaß machen. Ich denke, meine Bilder sind in der Kunstgeschichte verwurzelt, aber es wohnt ihnen das Potenzial inne, sie zu erweitern.

Was steht am Anfang einer Arbeit? Welche Art von Referenzen oder Inspirationen verwendest du?
Es gibt viele Ansatzpunkte für meine Arbeit, die in gewisser Weise austauschbar sind. Zum Beispiel kann eine Zeichnung ein Gemälde inspirieren, oder ein Gemälde eine Skulptur und eine Skulptur einen Druck. Meine Praxis soll sich selbst neu zu beleben, um nachhaltig zu bleiben. Was die äußeren Inspirationsquellen betrifft, so kann es fast alles sein. In den Werken der Ausstellung bei Eva Presenhuber gab es unterschiedliche Ausgangspunkte: meine Hochzeit, ein Huhn in einem Baum in Key West, Kunsthistorisches wie Klimts Kuss … Es geht um meine persönliche Geschichte, die von den Betrachtern abstrahiert werden kann.

Arbeitest du mit Vorzeichnungen?
Ich beginne oft mit Zeichnungen, meist mit kleineren, monochromen Arbeiten. Es sind keine Vorarbeiten, da ich sie am Ende als fertige Objekte sehe. Diese Zeichnungen führe ich oft mit Buntstift oder Tusche aus, um die formalen Anordnungen zu verstehen, es ist wie ein Tanz. Wie die Formen in den Zeichnungen aufeinandertreffen, bestimmt auch darüber, wie die Farben in dem Gemälde harmonieren. Nicht alles ist unbedingt vorherbestimmt, außer der Art und Weise, wie der Raum eingenommen wird. Wenig strukturelle Entscheidungen ermöglichen in gewisser Weise mehr poetische Entscheidungen.

Siehst du während des Malens auf deine Referenzen, zum Beispiel auf Fotos?
Nein, in meinem Atelier gibt es sehr wenig davon. Ich versuche, es als leeren Raum zu erhalten, nur Farbe, Tische und Stühle. Ich habe auch keines meiner fertigen Werke da, kein Quellenmaterial – ich verlasse mich auf Erinnerungen und Gedanken, um die Bilder zu bauen. Aber auf der anderen Seite der Studiowand stehen es einige Skulpturen, und in meinem Lager sind Postkarten, Poster und Bücher.

Du brauchst also keine Inspirationsquellen in nächster Nähe?
Das stimmt. Ich habe das Gefühl, dass es eine Verzerrung gibt, wenn man sich an etwas erinnert. Meine Erinnerung an Klimts Kuss ist etwa eine ganz andere, als wenn ich das Foto dazu betrachte. Es ist merkwürdig, wie Dinge neu interpretiert werden. Zum Beispiel könnte ich ein Muster vor sechs Jahren auf einem Quilt gesehen haben und dann plötzlich wieder anfangen, darüber nachzudenken; die verstrichene Zeit erlaubt mir, Teile des Quilts wegzulassen, die mir nicht wichtig waren. Aber würde ich mir Fotos von diesem Quilt anschauen, wären diese Teile wieder wichtig. Ich will nicht alles, sondern möchte, dass die Erinnerung an diese für mich bedeutsameren Teile real wird.

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Deine Ausstellung Songs For The Sun wird derzeit in der Galerie Eva Presenhuber in Wien präsentiert. Da ist diese bunte Leinwand, die sofort die Aufmerksamkeit auf sich zieht …
Das ist The Wedding – und wie ich bereits erwähnt habe, wurde es von meiner eigenen Hochzeit inspiriert! Das Werk selbst bezieht sich auf die geometrische Abstraktion der 1960er Jahre, fängt aber auch den Geist und die Aufregung einer Hochzeit ein. Ich versuche wirklich, die Angst und Energie eines solchen Abends darzustellen. Die Vögel hier sehen aus, als wären sie auf der Tanzfläche – oder auf einer Picknickdecke im Park. Dinge können vieles gleichzeitig bedeuten, denke ich.

Deine Arbeit kommt bei mir allerdings nicht als angstvoll an …
Das ist genau das, was ich zu erreichen versuche! Der wichtigste Inhalt eines Bildes kann sein, dass meine Erzählung verloren geht und es am Betrachter liegt, dessen Bedeutung zu erschließen.

Man soll also keine bestimmte Geschichte in deine Bilder hineinlesen?
Nein, das hoffe ich nicht. Mein Ziel ist es, einen Raum für dich zu schaffen. Meine Bilder sind nicht unbedingt Fenster in meine Wirklichkeit, sondern eher ein Spiegel in die deine. Ich möchte, dass sie ein Ort der Reflexion sind, an dem deine Gedanken Gestalt annehmen können.

In einigen deiner Gemälde kombinierst du verschiedene Perspektiven – eine flache oder eine Vogelperspektive … Warum ist das so?
Das Gemälde wird zu einem Raum, der sich in sich selbst faltet, ein bisschen wie im Film Inception. Diese Faltung des Raumes verkompliziert die Umgebung. Man kann nicht wirklich alle Perspektiven malen! Ich meine, Künstler haben das mit dem Kubismus zwar versucht … Aber bei meinen Bildern wird man in diesen flachen Raum gebeten und er faltet sich um, während du das Bild betrachtest und den Perspektivenwechsel siehst.

Die Galerie Eva Presenhuber zeigt auch einige deiner kleineren, monochromen Gemälde, wie A Home Of One’s Own. Wie wählst du deine Leinwandgrößen aus?
Die Größe ist nicht wirklich relevant; das Gemälde braucht, was es braucht. Ein kleines Gemälde kann genauso gut funktionieren wie ein großes, wenn es mit den richtigen Absichten gemalt wird. Manchmal gefallen mir die kleinen Bilder sogar besser als die größeren.

Aber glaubst du nicht, dass ein größeres Gemälde für Betrachter leichter zu verstehen ist?
Das mag sein, aber die kleinen Gemälde sind oft viel direkter, es gibt weniger Platz, um sich darin zu verstecken. Der Arbeitsprozess ist sehr gut sichtbar. Es ist wie bei einer Zeichnung … Eigentlich denke ich, dass Zeichnungen der ehrlichste Teil im Werk von Künstlern und Künstlerinnen sind. Es gibt kein Verstecken, während ein Gemälde in Farben oder Arbeitsprozessen verborgen werden kann.

Installationsansicht, Austin Eddy, Songs For The Sun, Galerie Eva Presenhuber, Wien, 2024, © Jean-Marie Appriou, Andrew Lord, Courtesy the artist und Galerie Eva Presenhuber, Zürich / Wien, Foto: Jorit Aust

Austin Eddy, The Wedding, 2023, Öl und Flashe auf Leinwand, 203 x 142 cm / 80 x 56 in, EDDY59386, Courtesy der Künstler und Galerie Eva Presenhuber, Zürich / Wien, © der Künstler, Foto: Stan Narten, JSP ART PHOTOGRAPHY

Installationsansicht, Austin Eddy, Songs For The Sun, Galerie Eva Presenhuber, Wien, 2024, © Jean-Marie Appriou, Andrew Lord, Courtesy the artist und Galerie Eva Presenhuber, Zürich / Wien, Foto: Jorit Aust

Installationsansicht, Austin Eddy, Songs For The Sun, Galerie Eva Presenhuber, Wien, 2024, © Jean-Marie Appriou, Andrew Lord, Courtesy the artist und Galerie Eva Presenhuber, Zürich / Wien, Foto: Jorit Aust

Würdest du sagen, dass du in deinen kleineren Bildern wahrhaftiger bist?
Vielleicht … aber ich bemühe mich, diese Ehrlichkeit auch in den größeren Werken beizubehalten. Ich ordne nicht viel um und schichte die Farben so aufeinander, dass man die verschiedenen Ebenen sehen kann. So versuche ich, die Geschichte der Entstehung meiner Gemälde zeigen.

Was hat es mit den Farbschichten auf sich?
In den pastoseren Teilen kann man manchmal alle Farben finden, die ich für das Gemälde gemischt habe. Es ist wie ein Erinnerungsdepot. Wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass ein Vogel einmal grün war, dann braun, dann orange wurde und jetzt ein blasses Rosa ist … Irgendwo gibt es graue Farbe, die unter einem gelblicheren Farbton durchscheint, wodurch sich das Gelb anders anfühlt. Beim Malen denke ich auch an die Farbtheorie und versuche, mein Interesse an der Poetik der Farben zu befriedigen.

Wann weißt du, dass ein Gemälde fertig ist?
Das Gemälde kann es dir sagen. Aber manchmal muss ich vorzeitig aufhören, weil die Gefahr besteht, dass ich zu viel hinzufüge. Man könnte ein Gemälde zwar bis ins Letzte fertigstellen, aber dann wäre keine Schwachstelle mehr darin … Und ich denke, die Verletzlichkeit in der Malerei ist deren interessantester Aspekt. Deshalb versuche ich, meine Arbeit so verletzlich und offen wie möglich zu halten. Ich will denken, dass die Arbeit abgeschlossen ist, aber immer noch geändert werden könnte. Denn: Wenn jedes Bild perfekt wäre, wozu sollte man dann überhaupt ein neues anfangen?

Wenn du also jemals ein perfektes Gemälde schafftest, wäre das das Ende deiner Karriere?
Ich frage mich immer, was der nächste Schritt sein könnte. Eine Formel zu verwenden, finde ich uninteressant. Es ist aufregend, etwas Neues herauszufinden und daran zu wachsen! Entscheidend sind die Betrachter, die das letzte Wort haben.

Folglich ist deine Arbeit frei von Ego?
Ich bemühe mich darum. Wenn es in meiner Kunst nur um mich ginge, wäre ich wohl eher Schauspieler geworden! Maler zu sein bedeutet, dass ich nicht im Werk sein muss; ich bin zwar präsent, aber es geht nicht um mich. Sondern darum, dass ich mich mit einer Geschichte öffne, auf die jemand anderer seine Geschichte aufbaut. Es geht darum, nach der Wahrheit zu suchen und Freundschaften zu schließen; Verletzlichkeit schafft starke Beziehungen.

Deine Arbeit ist also nicht autobiografisch? Auch wenn du dich zum Beispiel auf deine Hochzeit beziehst?
Es geht um die Abkoppelung, denn wie du sagst, sind die Arbeiten in gewisser Weise autobiografisch. Dieser Aspekt ist jedoch nur der Ausgangspunkt und nicht das Endziel. Meine Erzählung wird zu unserer gemeinsamen Erzählung. Dort, wo ich aufhöre zu sein, beginnt mein Gemälde.

Aufgrund der Farben und Formen, die du verwendest, wirken deine Bilder auf den ersten Blick fröhlich. Du schmuggelst aber auch ein bisschen Schwere mit hinein?
Das ist der Ansatz: die Akzeptanz, dass Freude und Trauer nebeneinander existieren. Nur weil du in einem bestimmten Moment glücklich bist, heißt das nicht, dass dieses Glück nicht von Traurigkeit geprägt ist. Und umgekehrt kann sich auch etwas Düsteres später freudig anfühlen; es ist alles eine Frage der Perspektive. Du könntest dir zum Beispiel den Zeh stoßen, aber du wirst dich später nicht mehr daran erinnern. Bei den Bildern versuche ich, so offen zu sein. Ich mag mit einem düsteren Gemälde beginnen, aber im Laufe des Prozesses kann es sich in ein freudiges verwandeln. In gewisser Weise schließt sich der Kreis.

Und deshalb sind deine Werke offen für jede Stimmung, in der sich die Betrachter befinden?
Stimmt. Jemand kann in zwei Jahren wiederkommen, sich die gleiche Arbeit ansehen und etwas ganz anderes fühlen. Es ist wie ein abstraktes Gemälde – da es keine zentrale Erzählung oder ein zentrales Thema gibt, ist es offen für Interpretationen. Ähnlich wie ein Gedicht!

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Apropos Gedichte – schreibst du selbst?
Nicht wirklich, nicht für die Außenwelt. Aber ich lese viele Gedichte, und einige meiner Titel sind Verweise auf diese Texte. Zum Beispiel habe ich für diese Ausstellung ein Zitat von Cyrano de Bergerac verwendet, das Paul Verlaine zu Beginn eines seiner Gedichte zitiert hat. Es geht um eine Nachtigall in einem Baum, die fürchtet zu ertrinken, während sie auf einem Ast sitzt.

Bist du also ein begeisterter Leser?
Ich bemühe mich! Natürlich nicht nur der Literatur des 17. Jahrhunderts, ich möchte alles unterbringen. Es ist wie eine Kunstgalerie zu besuchen oder Kunstgeschichte zu lernen: Ich lese historische und zeitgenössische Literatur, und alles dazwischen. Der größte Teil des Lebens besteht darin, zu lernen und zu versuchen, so viel wie möglich zu erleben.

Hast du das Gefühl, dass du dich neben der Kunstgeschichte also auch in Literatur oder Musik auskennen solltest?
Ich denke schon. „Nur“ Kunst kann dich überwältigen, dann brauchst du einen Ausgleich, wie ihn Musikhören oder Bücherlesen bietet. So kann man die Dinge anders erleben. Ein Lied kann die Art und Weise verändern, wie man ein Gemälde betrachtest! Ich interessiere mich sehr für Stimmungen und Zeit und wie diese Dinge nebeneinander existieren.

Du bist nicht nur Maler und Zeichner, sondern auch Bildhauer. In deiner Bronze City Bird (2023) zum Beispiel steht ein Vogel auf einem Haus; das Haus hat mich an Louise Bourgois, den Vogel von Max Ernst erinnert … Stört es dich, dass Leute solche Verbindungen herstellen?
Es ist weniger ärgerlich als menschlich. Ich glaube, wir brauchen oft eine Krücke, um etwas zu verstehen. Heute kann alles Neue immer mit etwas Vergangenem verglichen werden.

Apropos neu – was sind deine zukünftigen Projekte?
Ich beschäftigte mich zuletzt mit einer Reihe Arbeiten für eine bevorstehende Ausstellung im Februar 2024, für die ich einen neuen Prozess verwende. Die Werkstatt von Pace Prints lud mich ein, an einer Gruppe von hybriden „Monotypie“-/Papierzellstoffzeichnungen zu arbeiten, einige von ihnen sind auch Collagen und traditionellere handverzierte Zeichnungen. Weiters experimentierte ich auch mit Keramik und werde diese Werke bald ausstellen. Ein großes Projekt ist die Ausstellung im Kunstverein Heilbronn im Herbst 2024. Hier wird es nicht nur eine Verschiebung des Maßstabs auf größere Gemälde, sondern auch eine in der Thematik geben. Neue Dinge erscheinen am Horizont, die gleichermaßen beängstigend und aufregend sind.

Interview: Alexandra Markl
Fotos: Katharina Poblotzki

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