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Barbara Kapusta, Wien

In the Studio

»Schreiben hält jedes Tun zusammen.«

Barbara Kapusta arbeitet multimedial mit Fotografie, Video, Installation, Sound und Skulpturen; Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist jedoch immer die Sprache und ihre Auseinandersetzung damit. Die Künstlerin beschäftigt sich mit Themen unserer Zeit wie Nutzung der Ressourcen, toxische Landschaften, Energie und Technologie.

Was hat dich zur Kunst gebracht?
Ich wollte eigentlich immer schreiben. An der Akademie der bildenden Künste in Wien war Schreiben dann auch als künstlerische Arbeit gleichzeitig mit dem filmischen bei Constanze Ruhm möglich. In Mexico City bei Sofia Taboas kam dann die Skulptur dazu.

Ist Sprache für dich der Kitt in der Kunst?
In meiner Praxis wahrscheinlich: Weil für mich das Schreiben im Machen alles zusammenhält.

Wenn du ein neues Projekt startest, beginnst du da folgerichtig mit dem Schreiben?
Schreiben und Material finden - das geht oft zusammen. Es gibt Überlegungen zu Formen, losem Text, dann werden Modelle gebaut und dann findet alles zusammen.

Hat Sprache also für dich Materialität?
Ja. Im Schreiben stelle ich mir immer auch die Frage nach der Form - was wird das? Wird es Sound? Oder wird es Skulptur?

Der Kern des Kreativen in deiner Praxis ist also, wie du Sprache in Form übersetzt?
Ja, das kann man so sagen.

Konsequenterweise hast du sogar ein eigenes - ästhetisch extrem ansprechendes - Alphabet entworfen, du nennst es Flammen-Alphabet. Wie kam es dazu?
Aus der Überlegung: Wie kommt Sprache aufs Papier, wie manifestiert sich Sprache? Und was darf Text sein. Diese Schrift kann man nicht lesen, wenn man das Alphabet nicht kennt.

Wo ist die Schrift derzeit in Verwendung? 
Eine Arbeit im öffentlichen Raum ist damit verbunden, die im Frühjahr 2025 eröffnet wird. Auf einem Haus in der Nähe des Mahnmals Aspangbahnhof steht in meiner Flammenschrift „This is the space we inhabit as neighbours“. Es war ein Wettbewerb von KÖR, den ich gewonnen habe. Im mumok wird am 22. Mai die Ausstellung Die Welt von morgen wird eine weitere Gegenwart gewesen sein eröffnet, in der es auch eine Wandarbeit von mir geben wird.

Dass dir Worte wichtig sind, fällt auch sonst an deiner Arbeit auf. Manchmal stehen sie sogar für sich selbst – im wahrsten Sinne des Wortes auf deinen aufgestellten Sprechblasen!
Es gibt viele Textarbeiten von mir, die alleine stehen; die, die du ansprichst, sehen aus wie speech bubbles, Sprechblasen. Es gibt auch Skulpturen, die ohne Text funktionieren, aber dahinter steht immer eine Recherche, die zu Sprache wird. Diese kann sich dann in einer Soundarbeit, einer Skulptur oder in einem Buch materialisieren.

003 CA Barbara Kapusta Maximilian Pramatarov

Wie kommt es eigentlich, dass du englisch schreibst?
Heute schreibe ich nur auf Englisch, das ist auch dem internationalen Publikum geschuldet. Ich habe das Gefühl, dass Deutsch zu begrenzt für meine Kunst ist; mein Umfeld ist ein internationales.

Bist du eine große Leserin?
Ja schon. Wenn ich Arbeiten schaffe, gibt es auch oft eine Art Reading List zu meinen Arbeiten: Bücher, die für die Entstehung der Arbeit wichtig waren. Zum Beispiel Literatur zu queer-feministischer Theorie, Poesie… Für meine Arbeit The Leaking Bodies waren etwa Octavia Butler, Etel Adnan oder Ursula K. LeGuins Science-Fiction von Bedeutung: Schreiben, das zwischen Literatur und Kunst schwebt.

Apropos Schreiben: Wie kommst du auf die Texte in den speech bubbles?
Sie stammen aus einem von mir verfassten Text zu dem Projekt TheGiant. Da geht es um einen riesigen Körper, der sich transformiert. Kleine Passagen aus dem Text habe ich auf diese Sprechblasen montiert, sie funktionieren wie Slogans. Ich kombiniere sie auch gern: Zu der Installation Giant gab es speech bubbles in verschiedenen Größen im Raum und an der Wand, dazu kombinierte ich Körperteile aus Keramik wie Hände oder Augäpfel.

Deine Arbeit besteht also aus unterschiedlichsten Elementen. Empfindest du die Welt als so komplex, dass du sie nur in verschiedenen Medien ausdrücken kannst?
Gute Frage… Ja. Die Welt ist komplex, und außerdem schätze ich alle Medien und will keinem den Vorrang geben. Alle Einzelteile ergeben zusammen etwas Größeres. Ersteht jemand einen kleinen Teil einer Installation, ist in diesem auch der größere Teil der Arbeit - meines Universums - mitenthalten. Egal ob Soundarbeit, Video oder Skulptur: Ich liebe es, wenn die Teile gemeinsam gezeigt werden. Aber Leute lesen oft andere Dinge in den einzelnen Arbeiten, und auch das ist völlig in Ordnung.

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Eine Installation mit vielen Komponenten war zum Beispiel auch Futures in der Kunsthalle Bratislava 2022…
Genau. Draußen am Gebäude stand meine Flammenschrift, drinnen waren eine Soundinstallation und drei riesige Aluminiumfiguren zu sehen. Dazu schuf ich ein 4-Kanal-Video, in dem sich diese Figuren bewegen. Sie marschieren durch ein zerfallenes Einfamilienhaus, kommunizieren miteinander, und generieren selbst Energie. Die ganze Arbeit ist ein Nachdenken über Energie: Darüber, wie wir über Überfluss, über Ressourcen, über das Vorhandensein von Energie denken. 

Weil du sehr verfolgst, was in der Umwelt passiert?
Ja, das sind Themen, die mich beschäftigen. Die Kunst ist meine Möglichkeit, um über einen zeitgenössischen Zustand, über Politik und Ökonomie zu reden.

Denkst du, dass Kunst die Zukunft beeinflussen kann?
So utopisch bin ich leider nicht (lacht). Aber Kunst hat Potenzial. Ich bin ja keine Aktivistin, aber natürlich kann Kunst das. Das sehe ich bei Künstler*innen mit einer aktivistischen Praxis, in der es um ökologische und politische Themen geht, die recherchebasiert sind. Das ist nicht mein Weg, aber es beschäftigt mich.

Ein anderes Thema, dessen du dich angenommen hast, war die wachsende Toxizität von Landschaften…
Ich schreibe immer über etwas, das mich bewegt, bei meinem Projekt The Leaking Bodies habe ich meine Gedanken zu Durchlässigkeit aufgezeichnet. Unsere Körper sind durchlässige Körper, sonst ist kein Leben möglich. Aber leakiness einer Pipeline etwa bedeutet Desaster, Kontamination. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Durchlässigkeit von Grenzen - das waren alles Fragen, über die ich schreiben wollte.

Über diese Fragen stolperst du im Alltag?
Ja, sie sind um uns herum.

Und dann baust du dir den Ausdruck deines Denkens?
Ja. Man trifft auch immer wieder auf Orte, wo sich einmal angedachte Themen nochmal behandeln lassen. Das war im Kunstverein Braunschweig der Fall, in dem Ausstellungsprojekt Words Don’t Go There. In der dort präsentierten Arbeit ging es unter anderem um Big Data Collections, die auf rassistischen Motiven beruhen. Dazu verfasste ich einen Text, der das frühe 20. Jahrhundert mit dem frühen 21. Jahrhundert vergleicht. Es ging damals um das Aufkommen von Eugenik, um rassistische Theorie… Es ist natürlich nicht dasselbe, aber auch heute sehen wir ein Erstarken der Rechten, einen Faschismus, der bedrohlich ist.

Warum kam das gerade in Braunschweig hoch?
Dort gab es das Deutsche Spracharchiv, das zeigt, wie sich auch Wissenschaften für eine Ideologie - damals jene des Nationalsozialismus - benützen lassen. Von der Sprachwissenschaft hieß es ja immer, sie sei eine unpolitische Wissenschaft. Aber ich habe mich in das Archiv eingelesen, und da ging es dann plötzlich ganz klar um Vererbungslehre. Überall, wo man hingeht, öffnen sich Geschichten, die wichtig zu erzählen sind.

Dazu hattest du auch eine Soundinstallation kreiert?
Ja, der Sound kreiste um die Besucher*innen herum, sie hörten einen 14-minütigen Text, den ich spreche. Die Skulptur hatte etwas von einem Kraken, der aus dem Boden ragt. Der 4-Kanal Sound ist dröhnend, mal düster, mal verheißungsvoll. Es geht um Dinge, die mich beschäftigen, und von denen ich gerne hätte, dass sie auch andere beschäftigen!

In einem deiner Texte, in Futures, hieß es etwa: In this place fascism spreads from fascism”… 
Das ist meine Art, die Leute zum Mitdenken zu bringen! Ich arbeite viel mit Sound Artists zusammen. Ich erkläre, wie etwas klingen soll, dann sitzen wir im Studio und hören und schneiden, ich spreche ich es ein, und dann finden wir den richtigen Rhythmus. Ich schreibe nicht nur gern, ich lese es auch gerne vor.

Es ging in der in Braunschweig ausgestellten Arbeit also wieder um Sprache?
Die Ausstellung hieß eben Words Don’t Go There, auch um die Grenzen von Sprache aufzuzeigen. Was Sprache nicht können muss, wie verrätselt etwas sein darf, wieviel man nicht erklären muss, wieviel Fehlerkultur man zulassen darf. Das fand ich auch immer im Unterricht wichtig - ich habe ja lange an der Akademie das Fach bildende Literatur und Sprachkunst unterrichtet. Fehler haben auch ein Potential; darum ging es in der Ausstellung.

Geht es in deiner Arbeit um Fehler, die Menschen machen?
Es heißt doch immer, man soll keine Fehler machen. Ich denke etwa an die Diskussion darüber, was „richtiges“ Deutsch sei. Davon ausgehend komme ich zur Frage: Welcher Körper ist „richtig“, welcher Körper darf wo sein? Fehlerkultur bedeutet für mich also einfach, sich nicht an von einer Institution, Gesellschaft oder Maschine gemachten Regeln zu halten. Und genau da liegt die Faszination für Fehler für mich!

Du magst also Fehler in der Sprache?
Sprache ist nichts Fixes. Und doch gibt es immer die Angst vor der Veränderung der Sprache, vor Verwirrung, man will die Sprache „rein“ halten. Es gilt etwa als aktives Fehlermachen, wenn man einfach gendert, weil es nicht im deutschen Sprachkanon vorkommt. Seit 2023 darf in Niederösterreich, wo ich herkomme, in amtlichen Schriftstücken nicht mehr gegendert werden. Sprache sei keine „ideologische Spielwiese“ sagt der FPÖ-Politiker Udo Landbauerseit 2023 Stellvertreter der Landesregierungschefin in Niederösterreich… Sprache ist aber immer eine Spielwiese.

Also hat Sprache Potential für Veränderung und Provokation? 
Sprache verändert sich immer, aber eben auch durch Sprachgebrauch, der dann zu Regeln wird. Auch Migration verändert Sprache. Und das ist die Angst: Es gibt Menschen, die glauben, man muss bloß Sprachregeln einführen und kann dadurch alles aufhalten, wie zum Beispiel Queerness. Absurd ist das.

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Kann Sprache oder Technologie also eine Rolle spielen, um zu einer inklusiveren Gesellschaft zu kommen?
Ja, wenn sie dafür verwendet wird! Jetzt wird Technologie zu oft für sinnlose Dinge verwendet und frisst viel Wasser. Es geht in meiner Arbeit viel um Ressourcen, und wer sich derer bedient. Es ist wichtig, sich das anzusehen: LA brennt, es fehlt an Wasser, weil es nicht mehr regnet, und die KI muss gekühlt werden. Ich komme immer wieder auf das Thema Umgang mit der Umwelt, mit Communities, mit Körpern. Es geht um eine Form von Verantwortung, auch unseren Kindern gegenüber.

Wie ressourcenschonend arbeitest du selbst?
Gute Frage – hallo, Aluminiumguss (lacht)! Bei Aluminium gibt es Primär- und Sekundärlegierungen. Es braucht immer viel Energie in der Herstellung und auch Verarbeitung. Viele Verarbeitungsschritte beinhalten Material, das toxisch ist… Ich bemühe mich jedenfalls, die toxischen Materialien so gering wie möglich zu halten.

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Was möchtest du mit deiner Arbeit ausdrücken?
Ich mag es, wenn das Publikum fasziniert ist, oder auch Spaß daran hat. Es geht immer um bestimmte Geschichten, bestimmte Formen. Oft sieht man auch die Recherche dahinter, aber ich finde es gut, wenn man sich den Arbeiten einfach so nähern kann, als Formen, als Figuren. Ich mag es, vor einer Arbeit zu stehen und sich ein Universum öffnen zu sehen.

Du findest also nicht, dass es unbedingt eine Erklärung braucht, um deine Werke zu verstehen?
Nein, ich merke immer wieder an den Reaktionen der Leute, dass sie auch so anschließen können, wenn sie etwa im öffentlichen Raum mit Wandarbeiten oder Skulpturen interagieren. Auch bei Videos stelle ich fest, dass Menschen leicht ihren eigenen Zugang finden.

Was sind deine neuen Projekte?
Die Ausstellung im mumok ab Mai 2025, wo auch meine Flammenschrift zu sehen sein wird. Meine Arbeiten werden mit solchen aus der mumok-Sammlung kombiniert, etwa von Fritz Wotruba, Alicia Penalba oder George Grosz. Dann beschäftige ich mich mit meinen Texten der letzten sechs Jahre, in denen es um die Frage der Körper geht, um deren Verletzungen, Versehrtheit, und schreibe an einem neuen längeren Text. Dazu kann ich mir eine Soundarbeit oder ein Buch vorstellen. Hier im Studio arbeite ich gerade an neuen Skulpturen, die ein bisschen wie Wirbelsäulen aussehen und zum Teil wieder mal aus Keramik sein werden. 

Wie ist das Arbeiten in Wien?
Für mich total gut: Ich habe einen tollen Raum, auch die Unterstützung ist da. Ich weiß aber auch, dass es schwieriger geworden ist. Mit einer schwarz-blauen Regierung werden es kleine Medien im Hinblick auf Förderungen schwer haben. Kleine Magazine, Räume, die kritisch arbeiten, um die mache ich mir Sorgen.

Interview: Alexandra Markl
Fotos: Maximilian Pramatarov

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