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Daniel Oksenberg, Tel Aviv

In the Studio

»Auch wenn eine Begegnung mit etwas nur eine Minute dauert, hinterlässt es doch einen Eindruck.«

Diese Geschichte ist in Zusammenarbeit mit Art Source entstanden, einer einzigartigen Online-Plattform, die exklusiven Zugang zum Entdecken und Sammeln israelischer Kunst bietet. Tief in die lokale Kunstszene eingetaucht, schafft Art Source ein Online-Zuhause für jeden, der an der zeitgenössischen israelischen Kunstszene teilhaben möchte. Zu den Dienstleistungen von Art Source gehören auch Kunstberatung und maßgeschneiderte Kunstreisen durch die Kunst- und Designszene Tel Avivs.

Diese Geschichte ist in Zusammenarbeit mit Art Source entstanden, einer einzigartigen Online-Plattform, die exklusiven Zugang zum Entdecken und Sammeln israelischer Kunst bietet. Tief in die lokale Kunstszene eingetaucht, schafft Art Source ein Online-Zuhause für jeden, der an der zeitgenössischen israelischen Kunstszene teilhaben möchte. Zu den Dienstleistungen von Art Source gehören auch Kunstberatung und maßgeschneiderte Kunstreisen durch die Kunst- und Designszene Tel Avivs.

Die israelische Kunstszene ist dicht besiedelt mit etablierten Künstlern, deren Werke oft eine direkte Erwiderung auf die Realität um sie herum sind, die von Spannungen geprägt ist. Eine junge Generation von Künstlern hat sich zum Ziel gesetzt, die kreative Konversation in neue, bisher unerforschte Gebiete zu führen: Jene, die die Geschichten unserer Zeit erzählen und sich weigern, sich nur auf den Kontext des Konflikts zu beschränken. Eine dieser erfrischenden Stimmen in der zeitgenössischen Kunstszene ist die des 27-jährigen Malers Daniel Oksenberg, der in Tel Aviv arbeitet. In seinen farbenprächtigen, abstrakten Gemälden wirft er seinen Blick auf triviale Themen. Er nutzt die Leinwand als Ausgangspunkt für emotionale und anthropologische Recherchen und entlockt scheinbar alltäglichen Objekten ihre Geheimnisse. Ein Zaun, der einen öffentlichen Park umgibt, oder die Polsterung eines Bussitzes sind für Oksenberg ebenso faszinierende Themen wie Krieg und Liebeskummer. In seinem sonnendurchfluteten Atelier im Herzen von Kiryat Hamelacha – einem wachsenden Kunstzentrum im Süden der Metropole – erfahren wir, was ihn am Banalen reizt und wie es ihm gelingt, ihm seinen Zauber zu entlocken, und über die leise sprechenden Geschichten von Gegenständen.

Daniel, ich möchte dich zunächst bitten, mit mir zum Anfang zurückzugehen: Wie hast du angefangen, Kunst zu machen? Gab es einen bestimmten Moment in deinem Leben, an den du dich erinnerst, der den Wunsch nach Kunsthandwerk auslöste, oder eine Person, die dich in diese Richtung gelenkt hat?
Es ist etwas witzig, ich wusste immer, dass ich mich in der Kunstwelt wiederfinden würde. Ich bin in einem sehr kreativen Haushalt aufgewachsen; meine Mutter ist Grafikdesignerin und mein Vater ist Architekt, also gab es in meinem Haus immer eine Verbindung zur Kunst. Ich wusste, dass ich Kunst machen würde, ich kann dieses Gefühl nicht ganz erklären. Ich dachte, dass ich entweder als Künstler oder als verrückter Wissenschaftler enden würde (lacht).

Die beiden sind gar nicht so verschieden voneinander.
Genau! Schlussendlich habe ich mich entschieden, Kunst zu machen, weil Kunst mir ermöglicht, alles zu tun und zu sein, was ich will. Im Laufe der Jahre kam ich zu dem Verständnis, dass es viele Wege im Leben gibt, die es mir erlauben würden, zu sein, wer ich sein möchte, aber es gibt etwas in mir, das in der Lage ist, mich selbst besser zu verstehen, indem ich andere Personen beobachte, und das ist es, was ich in meiner Kunst mache.

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Gab es jemanden, der dir bei der Entscheidungsfindung geholfen hat?
Nein, ich war sehr unabhängig. Ich wusste, dass ich an der Bezalel Academy of the Arts in Jerusalem studieren würde. Meine Eltern sind Absolventen der Akademie.

Das ist selten, nicht jeder Künstler weiß das schon in so einem frühen Alter. Wenn ich dich bitten würde, deine Kunst dieser Tage in ein paar Sätzen zu beschreiben, wie würdest du sie in Worte fassen?
Ich untersuche Stillleben, die sehr lebendig werden - sowohl in dem Sinne, dass Objekte symbolisch werden, als auch in dem Sinne, dass ich verstehe, dass diese Objekte eine Geschichte haben, sie erzählen eine Geschichte. All der kleine Schnickschnack, den wir im Leben sammeln und der uns an Erfahrungen und Erinnerungen denken lassen, hat einen sentimentalen Wert. Ich beschäftige mich auch mit den Orten, an denen die Malerei mit dem Leben selbst in Berührung kommt; wenn das Gemälde eine Umgebung schafft, wie eine Theaterkulisse. Ich mag es, Raum für Geschichten zu schaffen, sodass sie sich selbst erzählen. Wenn ich also noch präziser sein müsste, würde ich sagen, dass es eine Verbindung gibt zwischen der Art und Weise, wie ich das Potenzial von Objekten betrachte, eine Geschichte zu erzählen, und der Art und Weise, wie die Malerei diese Geschichte zum Ausdruck bringt.

Für dich ist es also ein Treffpunkt zwischen diesen beiden Orten?
Ja, der Treffpunkt zwischen der Geschichte und der Nachbildung der Realität. Interessant, ich habe es mir selbst nie so beschrieben.

Dann ist es toll, dass wir jetzt darüber reden! Sag mal, gibt es Künstler oder bestimmte Kunstwerke, die für dich eine Inspirationsquelle darstellen, ein Vorbild oder etwas, mit dem deine eigene Arbeit korreliert?
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mit anderen Künstlern in meiner eigenen Arbeit interagiere, aber sie sind immer irgendwo in meinem Kopf. Cy Twombly ist ein Künstler, den ich wirklich liebe, ich sehe mir seine Werke oft an. Als ich seine Retrospektive im Centre Pompidou in Paris besuchte, verstand ich zum ersten Mal, was es bedeutet, von einem Gemälde zu Tränen gerührt zu sein. Das war eine sehr intensive Erfahrung. Ich stehe auch sehr auf minimalistische Bildhauerei, ich liebe die Skulpturen von Robert Morris. Ein lokaler Künstler, der mich sehr inspiriert, ist Guy Yanai.

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Ich teile deine Liebe zu Twombly durchaus. Apropos Korrelation (oder auch nicht), hast du das Gefühl, dass deine Kunstwerke mit dem Ort korrelieren, an dem du lebst? Tel Aviv oder Israel im Allgemeinen? Als Künstler, der in diesem Land arbeitet, bist du von einer komplizierten geopolitischen Realität umgeben.
Ich nehme immer Bilder und Geschichten aus meinem eigenen Leben mit in meine Kunst, und ich lebe hier, also gibt es eine Verbindung zur Realität und zum Leben in Israel. Einige der Bilder, die ich male, haben einen hohen Wiedererkennungswert durch ihre sogenannte "Israeliness": Ob es nun eine elektrische Antenne oder ein Bus ist. Politisch beschäftige ich mich mit Inhalten, die weniger damit zu tun haben, wer unsere nächste Regierung leiten wird, sondern eher mit konkreten, alltäglichen Dingen: Liebe, Tod, Enttäuschung.

Die leichten Angelegenheiten des Lebens (lacht). Gibt es ein bestimmtes Thema, von dem du denkst, dass es dein Handwerk mehr als andere definiert?
Wahrscheinlich Erinnerungen. Die Spannung zwischen Zuhause und der Außenwelt. Liebe. Das sind sehr große Worte, ich bin mir nicht sicher, ob sie meinen Gefühlen gerecht werden. Es ist vor allem ein Versuch, eine Verbindung zu einem Gefühl oder einer poetischen Bedeutung hinter den Dingen herzustellen und durch die Malerei etwas über unsere Realität zu enthüllen, das wir vielleicht wissen, dem wir aber keine Beachtung schenken.

Glaubst du, dass die Leute das in deiner Kunst sehen, oder dass sie diese subtilere Ebene übersehen, wenn sie nicht genau hinsehen? Ich frage das, weil deine Bilder vor allem sehr bunt und ästhetisch sind.
Vielleicht, aber ich glaube, auch wenn eine Begegnung mit etwas nur eine Minute dauert, hinterlässt es doch einen Eindruck. Viele meiner Arbeiten sind grenzwertig abstrakt, so dass Leute nicht immer verstehen, was sie sich ansehen. Es kann also sein, dass jemand mein Bild ansieht und es nicht versteht, und wenn ich dann darauf hinweise, was das Objekt ist, sagt die Person plötzlich: 'Oh, warte, wow. Jetzt sehe ich es!' Oder sie entdecken es von selbst, und dann ist es schön zu sehen, wie sich das vertraute Objekt in den Augen des Betrachters in etwas Fremdes verwandelt.

Es ist, als würde man vertrautes Terrain betreten und plötzlich den Boden nicht mehr erkennen, auf dem man geht.
Ja, und es nicht wiederzuerkennen, erlaubt einem, es aus einer anderen Perspektive zu sehen. Man kann plötzlich Dinge verarbeiten, das Material sehen. Wenn ich mit undurchsichtigen Materialien male, ist das nicht dasselbe wie das Malen mit transparenten Materialien. Oder manchmal kratze ich an der Oberfläche der Leinwand, und das ist an sich schon eine gewalttätige Handlung. Mit der neuen Perspektive versuche ich also, Arbeiten auf mehreren Ebenen zu schaffen.

Glaubst du, das macht die Interaktion mit deinen Kunstwerken komplizierter?
Ich habe an einem Punkt angefangen, an dem alles sehr unvermittelt war, ich habe einfach geschaffen. Langsam, mit der Zeit, verlange ich mehr von meinen Betrachtern.

Ich denke, das liegt daran, dass man beginnt, eine komplexere visuelle Sprache zu entwickeln. Es ist interessant, diesen Prozess bei einem Künstler zu verfolgen, von seinem Anfang bis zur Mitte seiner Karriere.
Das hoffe ich.

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Was verlangst du heute von deinen Betrachtern? Woran arbeitest du gerade?
Ich arbeite an einer Blumen-Reihe, sowohl als Malerei als auch als Druck. Das passt ein bisschen zu meinem Interesse an Stillleben; es gab eine Zeit, in der ich viel Obst gemalt habe, und jetzt male ich Blumen. Was ich an ihnen liebe, ist, dass sie ein bisschen wie Gesichter aussehen, oder wie Lippenstiftabdrücke, die nach einem Kuss zurückbleiben. Das ist ein romantisches Bild, aber ich sehe sie ein bisschen als Monster.

Wie entstand deine Begeisterung für Blumen?
Mein Großvater hatte im Garten seines Hauses in Südafrika immer Blumen angepflanzt. Er hatte einen Rosengarten, wofür Leute eigens in seine Straße fuhren, nur um diesen zu sehen. So blieb das Bild bei mir hängen, und Blumen begleiteten mich seit meiner Kindheit. Ich male sie mit industrieller Farbe, die einen wegen ihrer Textur irgendwie aus dem Rahmen wirft, aber es gibt etwas an den Blumen selbst, das einen wirklich in den Bann zieht.

Sie sehen ein bisschen aus wie Rorschach-Tintenkleckse.
Ich bin froh, dass du das siehst. In diesen Bildern, an denen ich seit etwa einem Jahr arbeite, geht es um die Orte, an denen man sich selbst oder andere Gesichter wiederfindet. Blumen sind eine komplizierte Sache, sie sind eng in sich selbst verwoben. Vielleicht ist es ein bisschen wie ein psychologisches Wirrwarr, das ich versuche zu entwirren.

Ich frage mich, wo sie dich als nächstes hinführen werden. Es scheint, als ob du sehr produktiv bist und Anerkennung von der lokalen Kunstszene bekommst; du hast deine Werke in Einzel- und Gruppenausstellungen in Galerien überall ausgestellt. Empfindest du den Druck, dich beweisen zu müssen? Beeinflusst das deine Arbeit?
Es gibt Herausforderungen. Als ich die Schule abgeschlossen hatte, fing ich sofort an zu arbeiten. Ich war froh, meinen Abschluss zu machen und hatte keine Angst. Ich war sehr motiviert, Kunst zu schaffen und zu sehen. Ich habe sofort ein Atelier gefunden und mich an die Arbeit gemacht. Ich bin ein Künstler und es ist mein Job, ein Künstler zu sein. Das ist entscheidend für mich. Wenn ich nicht male oder an die Malerei denke, werde ich depressiv. Es beansprucht jeden Moment meines Lebens, und alles, was ich sehe, löst das in mir aus.

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Wie sieht denn deine Routine im Atelier aus? Es scheint, als würdest du nonstop Bilder produzieren.
Mein Arbeitsprozess ändert sich von Zeit zu Zeit. Es gibt Phasen, in denen ich viel male, und es gibt Phasen, in denen ich nachdenke, verarbeite, erlebe, was ich zum Malen brauche. Ich liebe es, im Atelier zu sein, auch wenn ich den Pinsel nicht in der Hand halte, lese ich, schaue aus dem Fenster, starre ins Leere. Das ist alles Teil des Schaffens.

Eine deiner Hauptmethoden ist es, hinaus in die Straßen zu gehen, herumzulaufen und mit deinem Smartphone Bilder von Dingen zu machen, die deine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Diese Bilder verwendest du dann als Referenzpunkt. Ich nehme also an, dass deine geografische Lage einen Einfluss auf deinen kreativen Prozess hat.
Der physische Raum, in dem ich mich befinde, beeinflusst mich. Manchmal bestimmt er, wie groß ein Gemälde sein wird, manchmal beeinflusst er, wie ich Dinge im Raum präsentiere. Als ich zum Beispiel meine Arbeiten in einem Ausstellungsraum in Tel Aviv namens Third Floor on the Left ausstellte, der sich buchstäblich in der Wohnung des Kurators befand, konnte ich keine Bilder an die Wände hängen, also schuf ich diese Installationen, die Teil des Raumes wurden und ihn veränderten. Es ist interessant zu sehen, wie ein Gemälde in diesem Sinne dreidimensional wird. Früher habe ich Fotos gemacht und dann ihre Elemente aufgebrochen, indem ich sie gemalt habe. Heute lerne ich immer noch von der Fotografie, aber der Inhalt und das Gefühl haben Vorrang vor der Genauigkeit. So fungiert die Fotografie jetzt als eine Art Gedächtnisstütze in dem gesamten Prozess.

Was inspiriert dich neben der Fotografie noch?
Meine eigene persönliche Geschichte und Erinnerungen sind Quellen der Inspiration. Ich liebe Literatur, Poesie und Theater. Aber ich kann in allem Inspiration finden. Meistens kommt sie aus meiner Innenwelt.

Weißt du, wenn ich mir deine Bilder ansehe, denke ich oft an die Verbindung, die man zu seinem Zuhause hat, die Auseinandersetzung des Einzelnen mit den eigenen Wurzeln und dem Ort, von dem man kommt. Du verwendest sehr warme Farben, die aber eine eher traurige Stimmung hervorrufen. Ist das etwas, das dir bewusst ist? Möchtest du das in deiner Arbeit vermitteln?
Das Schöne an der Kunst ist, dass sie die Grenze zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten erweitert. Ich bin mir sehr bewusst, dass mich das Konzept von Zuhause und dem Verlust dieses Zuhauses beschäftigt, aber ich bin auch immer wieder überrascht, wie sehr meine Arbeit das zum Ausdruck bringt. Im Laufe meines Lebens bin ich viel umgezogen, und der Begriff des Zuhauses oder des Mangels daran steht immer im Mittelpunkt. Vor kurzem haben meine Eltern das Haus meiner Kindheit verkauft, und das kam für mich sehr unerwartet. In meinem Handwerk suche ich oft nach einem Zuhause, einem Ort, der mich beherbergt. Früchte und Blumen, die ich viel zeichne, sind Dinge, die man normalerweise in einer Schale zu Hause findet. Meine Motive gehören zu diesem privaten Raum.

Sun Scorched Pavement, eine bedruckte Steppdecke, Industriefarbe und Emaillefarbe auf Sperrholz, 190x280x260 cm, 2019, Barbur Gallery Jerusalem, Israel, Foto: Daniel Hanoch

Crumpled Traffic Sign, Industriefarbe und Bleistift auf Sperrholz, 30x100x90 cm, 2019, Barbur Gallery Jerusalem, Israel, Foto: Daniel Hanoch

Reebok, Ölfarbe auf Sperrholz, 250x280 cm, 2018, Third Floor on the Left, Gallery Tel Aviv, Israel, Foto: Flora Deborah

He Who Fell but Couldn't Tell If He Even Tried to Resist, Ausstellungsansicht, 2019, Barbur Gallery Jerusalem, Israel, Foto: Daniel Hanoch

Interview: Joy Bernard
Fotos: Flora Deborah

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