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Dr. Fahamu Pecou, Atlanta, GA

In the Studio

»Du musst dazu bereit sein, Dinge zu tun, die sonst keiner macht.«

Dr. Fahamu Pecou ist ein amerikanischer Künstler und Wissenschaftler, der seine Beobachtungen und Kenntnis der hip-hop- und Populärkultur sowie der bildenden Künste in Malerei und Performance übersetzt. Seine künstlerisches und akademisches Werk beschäftigt sich mit der zeitgenössischen Darstellung von Schwarzer Männlichkeit. Es geht darum, wie die klischeehaften Bilder, die rund um Schwarze Männer kursieren, unser Verständnis derselben formen und beeinflussen. Pecou ist der Gründungsdirektor des African Diaspora Art Museum of Atlanta (ADAMA) und wurde mit dem Titel eines französischen Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres geehrt.

Fahamu, warum wolltest du Künstler werden?
Seit ich vier oder fünf Jahre alt war, hielt ich einfach immer einen Stift in der Hand. Anstatt in der Schule mitzuschreiben, zeichnete ich Cartoons. Ich biss sogar meine Sandwiches zu Tierformen (lacht)! Ich sang im Chor und in Rap Gruppen mit, ich tanzte, ich spielte in der Schulband Trompete – ich liebte einfach kreativen Ausdruck in jeder Form. Aber ich habe keine Ahnung, wo das herkommt. Wo ich aufgewachsen bin, da gab es kein Museum und keine Galerie, ich erlebte „Kunst“ erst, als ich aufs College kam.

Hat dich daher Animation zuerst interessiert?
Ich wollte der Schwarze Walt Disney werden! Von meinem neunten Lebensjahr an erzählte ich allen, dass ich Künstler werden wollte, aber jeder sagte mir, dass ich da bloß verhungern würde… Dann fand ich heraus, dass man als Cartoonist sehr wohl Geld verdienen konnte. So bereitete ich mich von meinem neunten Lebensjahr an bis zu meinem Studium auf diesen Beruf vor. Ich zeichnete meine eigenen Cartoons, fotokopierte sie in der Schulbibliothek und verkaufte sie für 50 Cents.

Und doch hast du dich anders entschieden, als du auf das Atlanta College of Art kamst?
Ich wollte Animation als Hauptfach studieren, aber dann traf ich ein Mädchen, das mich in Museen und Galerien führte, mir unterschiedliche Malstile zeigte, Kunstrichtungen, Materiale. Ich entwickelte eine Leidenschaft für das Malen. Anstatt also Cartoons zu zeichnen und zu kolorieren, malte ich diese Charaktere einfach, und wechselte zur Malerei als Hauptfach.

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Wie hat du deine Karriere als Maler gestartet?
Wenn du das Studium der Malerei abgeschlossen hast, kannst du dich nur schwer für einen Job bewerben! Daher log ich einfach auf meinen Bewerbungsschreiben und behauptete, ich sei Grafikdesigner; immerhin wusste ich, wie man die Software benutzt (lacht). Ich bekam einen Job in einer kleinen Marketingagentur und arbeitete dort mit hip-hop Künstlern zusammen: an Albumcovern, Flyern usw. So bekam ich die einmalige Gelegenheit, diese Rapper zu treffen. Ich war total erstaunt: Denn sie glichen überhaupt nicht der Person, die sie im Fernsehen spielten! Das Ganze war bloß Marketing. Und so überlegte ich, was wohl passieren würde, wenn ich einen bildenden Künstler – also mich selbst – wie einen Rap Künstler vermarkten würde.

Weil die Rapper im Gegensatz zu den Schwarzen bildenden Künstlern sichtbar waren?
Ja, mich nervte es, dass eine Schwarze Person als Entertainer so populär sein konnte, aber als Maler nicht. Ich überlegte mir, wie ich diesen Erfolg und diese Sichtbarkeit für meine Art an Arbeit erreichen könnte. Und so kam ich auf dieses Projekt: #FahamuPecouisTheShit. Am Anfang war es ein Scherz: Es waren Poster, die ich in ganz Atlanta aufklebte. Darauf war ein Bild von mir, nackter Oberkörper, so richtig grimmig wie ein Rapper dreinschauend, und unten stand nur der Satz: “Paid for by The Committee to make Fahamu Pecou Officially The Shit”. Das Poster sagte nicht einmal, was ich überhaupt machte! Ich war einfach neugierig, was passieren würde. Und es war ein sofortiger Erfolg, denn die Leute fragten sich: „Wer ist dieser Typ?“. Auch wenn es keinen Zusammenhang zwischen meiner Kunst und der Kampagne gab.

Aus heutiger Sicht könnte man sagen, dass das eine Performance war, die einiges über die Kunstwelt aussagt!
Mich beschäftigte einfach, dass du dich als Schwarzer bildender Künstler in einem merkwürdigen Raum bewegtest. Die Kunstwelt nahm uns nicht wahr. In den späten 1990-er, frühen 2000-er Jahren war sie ein seltsamer Ort für einen Schwarzen Künstler. Und so überlegte ich, wie ich das überwinden könnte.

Hast du also diese Performance benutzt, um ein „echter“ Maler zu werden?
Nun ja, das kam wiederum von meiner Leidenschaft für Magazine. Nachdem ich zwei Jahre lang die Fahamu Pecou is The Shit Sache gemacht hatte, stand ich eines Tages in einem großen Buchgeschäft mit einem Magazin in der Hand. Daraus fiel eine Abonnementkarte, mit der Vorschau auf die nächste Ausgabe. Und auf deren Cover war eine Person, die ich nicht kannte. Aber diese Person musste doch wichtig sein, wenn sie da drauf war, oder? Das brachte mich zum Nachdenken und zu dem Schluss: „Hm, ich sollte auf dem Cover von einem Magazin sein.“

Und so hast du dich auf einem präsentiert?
Ich hatte dieses Foto, das ein Freund von mir geschossen hatte, und designte darum herum das Cover für ein erfundenes Magazin, das ich Contemporaneo nannte. Das ließ ich auf Abonnementkarten drucken, auf denen stand, dass, wer auch immer sie zurückschickte, die erste Ausgabe von Contemporaneo gratis erhalten würde. Diese Karten steckte ich dann in alle Magazine in allen Läden in der ganzen Stadt. Und Hunderte dieser Karten kamen zurück: Das hat mich wirklich umgehaut (lacht)! Und dann dachte ich: „Hm, dieses Cover sollte ich malen“.

Und das war der Start deiner Karriere als Maler?
Ja. Ich malte dieses erfundene Magazincover, und plötzlich hörte ich die Engel singen, die Wolken teilten sich. Das war mein Weg. All diese vorgefassten Meinungen über Schwarze Männer steckte ich in die Figur, die ich performte. Und ich drehte diese Klischees um, indem ich diese Figur auf eine ernste künstlerische Plattform stellte, das heißt sie auf den Covers von Magazinen wie Art in America oder Artforum darstellte. Ich glaube, das machte das Werk stark, weil es die Leute dazu brachte, ihre vorgefassten Meinungen zu hinterfragen.

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Warum ist dir das Thema der Schwarzen Männlichkeit so wichtig?
Es geht um das Konstrukt, ein Schwarzer Mann zu sein. Ich beobachtete damals die Besessenheit der Gesellschaft mit Schwarzen männlichen Rap-Stars; ihr Blickwinkel war in vielem klischeehaft. Schon früh hatte ich ja erlebt, wie die Leute mich sahen und behandelten, nur stand das meistens in überhaupt keinem Zusammenhang mit der Vorstellung, die ich von mir selbst hatte. Die Menschen sahen nicht Fahamu, sondern einen Schwarzen Mann. Ihr Blick war durch Medien und Klischees geformt worden, und die Leute behandelten mich so, wie man es ihnen beigebracht hatte; das hatte mit mir selbst überhaupt nichts zu tun.

Ist es schwer, diesen Blick der Menschen zu verändern?
Sehr schwer. Deshalb glaube ich auch, dass viele Schwarze Männer sich einfach in diese Klischees fallen lassen, anstatt sich dagegen zu wehren. Es fühlt sich sicher und bequem an.

Daher brauchen Schwarze Männer, und Schwarze Künstler im Besonderen, Vorbilder. Fühlst du sich als solches?
Wow, darauf bin ich sehr stolz. Als ich jung war, gab es keine Schwarzen Vorbilder. Nur in dieser Fernsehshow, Good Times (über eine afro-amerikanische Familie in einem Wohnprojekt in Chicago), gab es die Figur des J.J... Er war Maler. Es war das erste Mal, dass ich einen Schwarzen männlichen Künstler sah; der erste, von dem ich je etwas gehört hatte, bis ich ans College ging. Das zu sehen veränderte mein Leben, gab mir einen Fokus. Ich kann nur hoffen, eine ähnliche Wirkung zu erzielen.

Du musst ziemlich selbstbewusst gewesen sein, um dein Fahamu Pecou is the shit Ding durchzuziehen. Muss ein Künstler mutig sein und bereit, sich selbst in den Vordergrund zu stellen?
Das glaube ich schon. Die eine ewige Wahrheit über das Künstlerdasein ist, dass deine Marke, deine Arbeit, deine Ästhetik so einzigartig und originell sein müssen wie du selbst. Du musst dazu bereit sein, Dinge zu tun, die sonst keiner macht. So oft sehen wir doch jemanden, der erfolgreich ist und würden ihn gerne nachahmen, weil wir ja sehen, dass sein Ding funktioniert. Aber wenn man von ausgetretenen Pfaden spricht - die sind eben nicht ohne Grund ausgetreten! Jeder war schon mal dort. Um etwas Neues zu entdecken, musst du von dem Pfad runter. Das kann beängstigend sein, tückisch, du könntest Fehler machen, aber letztendlich wirst du an einen unerforschten Ort kommen und dich vom Rest der Masse abheben.

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In deiner Arbeit verwendest du gerne Gegensätze: Traditionelles afrikanisches Dekor und Air Jordans tauchen zum Beispiel im selben Bild auf. Warum?
Mich interessiert es, das Bild des Schwarzen Menschen zu hinterfragen. Wir haben fixe Vorstellungen über Menschen, ihrer Identität, ihres Körpers, ihrer Hautfarbe wegen. Dabei sind sie viel mehr als nur das. Ich versuche, dieses visuelle Narrativ in Frage zu stellen und die Wahrnehmung der Menschen zu erweitern. Das gilt nicht nur für die Leute, die von außen hineinsehen, sondern auch für die, die in diesen Körpern leben.

Spricht deine Kunst eigentlich auch Menschen an, die nicht Schwarz sind?
Sicher! Als ich 2011 meine erste Schau in Paris hatte, war ich besorgt, ob ein europäisches Publikum meine Kunst verstehen würde. Aber die Reaktionen waren überwältigend. Die Menschen waren in der Lage, die kleinen Insider-Witze, die ich in meine Bilder einbaue, zu identifizieren, zuzuordnen und zu benennen. Zum Beispiel erklärte mir ein Franzose, der kaum englisch sprach, dass er eine Zeile aus einem De La Soul Album erkannt hatte - ich war hin und weg (lacht).

Eine deiner Arbeiten wird bald in Wien gezeigt, als Teil der Schau Avant Garde and Liberation im MUMOK. Es geht um das Gemälde A.W.N. (Artist with Negritude). Worum geht es da?
A.W.N. ist die Umkehrung von N.W.A. (alias Niggaz With Attitude). N.W.A. ist berüchtigt dafür, die Ära des so genannten Gangsta-Rap eingeleitet zu haben. Trotz der ursprünglichen gesellschaftspolitischen Absichten der Gruppe wurde ihre Marke vereinnahmt und dazu benutzt, gewalttätige und entmenschlichende Klischees über Schwarze Männer aufrechtzuerhalten. A.W.N. (Artist with Negritude) durchdringt die negativen Vorstellungen, die mit Schwarzen Männern verbunden werden, und versucht, unsere Ideen und unsere Präsenz zu stärken. Die Negritude, die nach wie vor eine kritische intellektuelle und künstlerische Bewegung für Schwarze Subjektivität ist, wird zu einer Möglichkeit, verletzende Bilder anzuprangern und neue zu schaffen.

Schränkt dein Fokus auf Schwarze Männlichkeit eigentlich nicht die Rezeption deines Werkes ein?
Wenn du die eine Sache verfolgst, die dich ausmacht und dich von anderen unterscheidet, schaffst du auch einen Raum für andere Menschen, um ihren eigenen Wert und ihre Einzigartigkeit erkennen zu können. Das ist ein echtes Juwel. Klar, anfangs war ich besorgt, ob mich mein starker Fokus auf Schwarze Männlichkeit einschränken würde. Aber letztendlich ging es um eine Fragestellung, die uns doch alle beschäftigt: Wer bin ich? Was bringe ich der Welt? Unabhängig von der rassischen, sexuellen, nationalen, spirituellen oder kulturellen Identität kämpfen wir doch alle mit der gleichen Frage. So wird das Persönliche universell.

Kunst als Brückenbauer also?
Ja, gerade Kunst bringt uns zu einem Gespräch zusammen. Deshalb glaube ich auch, dass Kunst so wichtig ist. Sie ist im Prinzip eine Sprache, die unsere gesprochene Sprache übertrifft und ersetzt. Es gibt diesen Spruch: „In der Zukunft werden uns die Historiker erklären, was passierte, aber die Künstler werden uns sagen, wie es sich anfühlte.“

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Wenn du schon “Kunst als Sprache“ erwähnst, möchte ich dich auf deine akademische Karriere ansprechen. Du hast ein PhD, hältst viele Vorlesungen… War es dir nicht genug, „nur“ Maler zu sein?
(lacht) Es war einfach eine natürliche, organische Weiterentwicklung meiner Praxis. Als ich die Bilder mit den Magazin Covern malte, sagten mir die Leute: „Dein Werk steht in Zusammenhang mit bell hooks (amerikanische Autorin und Theoretikerin) oder Henry Louis Gates (amerikanischer Professor und Historiker).“ Und so las ich die entsprechenden Bücher, und über die Jahre wurde meine Praxis ziemlich forschungsbasiert.

Bedeutet das, dass du jedes Gemälde mit einem Konzept beginnst?
Ja, und wenn ich das Konzept habe, dann versuche ich, soviel Information wie möglich rund um das Thema zu finden, so viele Perspektiven wie möglich auszuloten. Damit ich das, was ich in dem Werk sagen will, verstärke.

Wie hat sich deine akademische Karriere auf deine Praxis ausgewirkt?
Die Praxis des akademischen Schreibens war eine unerwartete Gabe. Meine frühen Werke sind dicht an Text und Information. Das PhD Programm an der Emory University half mir, meine Ideen zu destillieren, mich durch all das zu arbeiten, was ich sagen wollte und so das Visuelle auf das Essenzielle zu kondensieren. Es ging darum, einen Raum für mein Publikum zu schaffen, anstatt es mit Information zu bombardieren.

Ist deine künstlerische Arbeit ein Statement, vergleichbar mit deinem akademischen Schreiben?
Ich nähere mich meiner Arbeit mit einer Reihe an Fragen. Es geht nie um ein Statement oder eine Erklärung. Ich stelle mir Fragen, das Werk stellt Fragen, und ich will, dass auch die Betrachtenden sich Fragen stellen.

Sollte Schwarze Kunst Propaganda sein?
Sie ist es einfach, denke ich. Es ist eine inhärente Propaganda. In gewisser Hinsicht ist unsere Kunst ein Plädoyer für unsere Menschlichkeit.

Ist das nicht jede Kunst?
Natürlich. Aber ich denke doch, wenn wir uns die Kunstgeschichte der letzten 400 Jahre ansehen, dass Schwarze Menschen, vor allem in Amerika, nicht das Privileg hatten, Kunst über ihre Erfahrungen zu schaffen. Während unsere weißen Kollegen Kunst über alles Mögliche machen konnten - nicht zwingend über Humanität, sondern etwa über Farbexperimente - hatten wir nicht denselben Vorteil. Ich denke, dass es in einem großen Teil der Kunst, die Schwarze Menschen schaffen (vor allem jetzt, wo mehr Schwarze Künstler gesehen werden) darum geht, Erwartungen und Sichtweisen zu verändern, die andere Menschen auf Schwarze Identität haben.

Denkst du nicht, dass diese Aufgabe Schwarze Künstler einschränkt?
Ich kann nicht für jeden Schwarzen Künstler sprechen, aber ich fühle mich nicht eingeschränkt. Ich erlebe es als ein Privileg und eine Pflicht, all meine Talente, meine Gaben und meine Ideen einzusetzen. Meine Stellung als Bildmacher zu nutzen, um sicherzustellen, dass alles, was ich in meinem Werk sage, die Humanität jener Menschen unterstreicht, die so aussehen wie ich.

Hattest du als Heranwachsender das Gefühl, dass deine Möglichkeiten eingeschränkt waren?
Definitiv. Meine ganze Kindheit hindurch erklärten mir Lehrer, Medien, einfach jeder, dass ich als Schwarzer Mann eher tot als am College enden würde, weniger Chancen als gleichaltrige Weiße hätte, älter als 25 zu werden, aber dafür mehr, im Gefängnis zu landen… Die Macht dieser Bilder und Ideen beeinflusst so stark, wer wir glauben zu sein.

Bestand für dich je die Gefahr, diesen Klischees zu entsprechen?
Ich bin in Armut in einem Ghetto in South Carolina aufgewachsen. Die Zukunftsmöglichkeiten dort waren extrem limitiert. Entweder man arbeitete in einer Fabrik, verkaufte Drogen, war tot oder saß im Gefängnis. Und dann kam ich und wollte Künstler werden… Ich war wie ein Einhorn. Nichts in meiner Umgebung ließ darauf schließen, dass das je eine Möglichkeit sein könnte. Aber ich wusste: Sobald ich es konnte, würde ich gehen - und es würde keinen Weg zurück geben.

Du musst unheimlich fokussiert gewesen sein – wie ging es deinen Freunden?
Manche schafften es rauszukommen, aber nicht viele. Worüber in unserer Kultur viel zu wenig gesprochen wird, ist die mentale Gesundheit junger Schwarzer Männer. Denn du wirst ständig mit dem Gedanken an deinen drohenden Untergang bombardiert. Ab deinem 10. Lebensjahr etwa sehen dich die Menschen nicht mehr als Kind, und deine Familie will dich beschützten, indem sie dich abhärtet. Die Welt da draußen sieht dich mit Verachtung und Angst an. Fernsehen, Filme und Magazine zeigen lauter Menschen, die so aussehen wie du, in unterschiedlichen Stadien des Sterbens. Als ich nach Atlanta kam, hatte ich kein Geld und musste arbeiten, um durchzukommen. Ich wurde depressiv, und meine Noten wurden schlechter.

Wo hast du die Kraft gefunden, weiterzumachen?
Die Kunst half. Aber ich hatte auch Glück; in einer Malklasse traf ich meinen Mentor Arturo Lindsay. Ihm gebührt der Dank, mich auf den richtigen Weg gebracht zu haben, und das war keine einfache Aufgabe. Ich war abgestumpft und gleichzeitig wütend auf die Welt. Da Arturo auch ein farbiger Mann war, durchschaute er mich und die Scheiße, die ich abzuziehen versuchte. Er ließ mich nicht einfach davonstapfen, er kontrollierte mich, drängte mich, forderte mich heraus. Er belehrte mich immer wieder und erklärte mir: „Glück gibt es nicht. Du musst bereit sein, wenn deine Chance kommt.“ oder “Mach es gleich richtig, dann musst du es nicht nochmal machen“.

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Wie setzt du das heute um, da du ja selbst Vater eines Schwarzen Jungen bist?
Deshalb geht es ja in meiner Arbeit um den Schwarzen Mann. Ich will diese Konversation führen - nicht nur für mich, der ich ohne Vater aufgewachsen bin. Ich musste erst lernen, wie man ein besserer Mann wird, und mich selbst hinter all den Projektionen der anderen zu erkennen, damit auch mein Sohn versteht, dass er nicht eingeschränkt ist. Alle meine Söhne, alle jungen Schwarzen Männer… In meiner Arbeit geht es darum, Verantwortungsgefühl und Zielstrebigkeit zu entwickeln, ich möchte meine Kraft zum Wohle meiner Gemeinschaft einsetzen.

Du willst ein Vater für alle sein, weil du selbst ohne Vater aufwuchst?
Mein Vater litt unter einer Geisteskrankheit, Schizophrenie, er ermordete meine Mutter, als ich vier Jahre alt war, vor mir und vor meinen Geschwistern. Er verbrachte so ziemlich den Rest seines Lebens in einer psychiatrischen Anstalt. Aber ich habe meinen Frieden damit gefunden. In den letzten Jahren seines Lebens konnten wir eine Beziehung entwickeln.

Hast du dieses furchtbare Trauma mittels der Kunst verarbeitet?
Ja. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Tag am Atlanta College of Art. Der Professor schrieb: „Was ist Kunst?“ an die Tafel. Darüber hatte ich nie zuvor nachgedacht. Und keine der Antworten, die die Leute so gaben, war befriedigend. Die Frage blieb mir im Kopf, all die Jahre… In meinem ersten Studienjahr, als ich 20 Jahre alt war, kam ich mit meinen Geschwistern zu Thanksgiving zusammen. Wir hatten nie über die Sache mit unseren Eltern gesprochen. Ich bat meine Geschwister, aufzuschreiben, was ihnen von der Nacht, in der unsere Mutter starb, in Erinnerung geblieben war. Diese Perspektiven zeichneten ein lebhaftes Bild meiner Eltern und des Vorfalls.

Und diese Erzählungen hast du verwendet?
In meinem letzten Schuljahr nutzte ich sie, um ein Werk zu schaffen, das ich als Abschlussarbeit zeigte. Es wurde in einer Galerie installiert, und die Menschen waren teilweise zu Tränen gerührt. Als ich sah, wie die Leute reagierten und mit meinem Werk interagierten, da dachte ich: „Das ist Kunst!“

Würdest du sagen, dass Kunst dein Leben verändert hat?
Absolut. Von innen nach außen, von oben nach unten, in jede Richtung.

Was sind deine nächsten Projekte?
Ich habe gerade eine Schau mit der Conduit Gallery in Texas abgeschlossen. Dann werde ich meine Arbeit im Wiener MUMOK im Juni 2024 zeigen, und es gibt eine Ausstellung in Paris im September 2024 mit der Backslash Gallery. Ich arbeite auch an einem Projekt mit meinem Cousin Thierry Pecou, der ein bekannter französischer Komponist und Musiker ist.

End of Safety: Compliance, Graphit und Acryl auf Papier, 60 x 40 in , C. 2022

If Young Metro Don't Trust You, Graphit und Acryl auf Papier, 30 x 22 Zoll, um 2021

Rise, Acryl auf Leinwand, 24 x 20 Zoll, um 2023

Spaceships Don't Come Equipped with Rearview Mirrors, Acryl auf Leinwand, 72 x 48 in, C. 2023

Interview: Alexandra Markl
Fotos: Terra Coles

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