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Elfie Semotan, Wien

In the Studio

»Ich wusste sofort, dass ich es nicht liebe, vor der Kamera zu stehen.«

Elfie Semotan blickt auf sechs Jahrzehnte künstlerischen Schaffens zurück und gilt längst als eine Ikone der Kunst-, Werbe- und Modefotografie. Ihre Karriere reicht von markanten Porträts und Aufnahmen aus den Ateliers verschiedener Künstler bis hin zu ihren Landschaftsaufnahmen und Stillleben. Wir haben Elfie in ihrem Studio besucht, um mehr über ihre faszinierende Karriere zu erfahren, die im Wien der 1970er Jahre begann.

Elfie, du bist nach dem Besuch der Modeschule Hetzendorf in Wien nach Paris gegangen, um als Model zu arbeiten. Wie kam es dazu?
Das hört sich so an, als ob es ein Ziel von mir gewesen ist. So war es aber nicht. Nach der Modeschule habe ich festgestellt, dass es in Wien keine Strukturen gibt, um in irgendeiner Form Mode zu machen. Es gab lediglich fünf Haute-Couture-Salons und vielleicht ein oder zwei Prét-à-porter-Unternehmen, das war zur damaligen Zeit ganz neu. Ich war für neun Monate bei der Modeschöpferin Gertrud Höchsmann, einer Avantgardistin der Wiener Haute Couture. Für diese neun Monate bin ich ihr heute noch dankbar, ich habe bei ihr Dinge gelernt, die in der Modeschule nicht vermittelt wurden. Da hatten wir zwar Aktzeichnen und Farbenlehre und natürlich Modeentwurf, der allerdings praktisch ohne Gespräche oder weitere Einführung unterrichtet wurde. In Schnittzeichnen, das ich immer richtig gut fand, haben wir wohl die einfachsten Schnitte der Welt gemacht. Für Mode ist aber auch das Arbeiten mit Material, wie man etwas aus welchem Stoff fertigt, unglaublich wichtig. Dieser Aspekt wurde in der Modeschule nicht wirklich bearbeitet. Die unterrichtenden Personen waren ja auch nie länger in Paris oder sonst irgendwo.

Eigentlich ein mutiger Schritt für die damalige Zeit, als junges Mädchen nach Paris zu gehen, ohne zu wissen, was einen dort erwartet.
In Wien gab es keine Fotografen, keine Zeitschriften, rein gar nichts. Und so habe ich beschlossen: Gut, ich fahre nach Paris. Natürlich wusste ich nicht, was dort los ist. Aber sicher sehr viel mehr als bei uns, dachte ich mir. Was ja dann auch gestimmt hat. Nur hatte ich überhaupt kein Geld und war darauf angewiesen, dass sofort irgendetwas funktionierte. So habe ich alle Haute-Couture-Häuser durchgerufen. Und bei Lanvin hat man mir gesagt: Kommen Sie vorbei, lassen Sie sich ansehen!

Als Model zu arbeiten, war nicht dein Ziel?
Nein, überhaupt nicht, ich habe es nicht geliebt. Letztlich bin ich länger Model geblieben, als ich jemals vorhatte. Man konnte auch nicht einfach Designerin werden, wenn man von Österreich nach Paris gekommen war, dazu hätte ich in Paris noch einmal studieren müssen. Das war nicht mein Plan, sondern ich habe diese Zeit einfach genutzt, um zu lernen: die Sprache, und alles rundherum zu sehen, alles, was irgendwie mit Mode zu tun hat. Wie das mit dem Fotografieren geht, was man dazu braucht, wie man sich dabei fühlt. Für mich war das für später eine ganz wichtige Erfahrung.

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Wann war dieser Moment, ab dem du wusstest: Ich will die Seite wechseln, ich möchte hinter der Kamera stehen?
Das wusste ich von Anfang an. Mir war sofort bewusst, dass ich es nicht so liebe, vor der Kamera zu stehen. Aber bis ich mit dem Fotografieren angefangen habe, das hat eine Weile gedauert. Fotografieren war in meiner Kindheit überhaupt nicht präsent. Ich bin in Oberösterreich aufgewachsen, mein Vater hatte keine Kamera, um beispielsweise Familienfotos zu machen. Lediglich mein Stiefgroßvater hatte eine Filmkamera für Schmalfilm. Und er hat immer alle gefilmt, aber sehen durften wir das Ergebnis nie. Ich habe damals immer nur meine Zeichnungen gemacht, damit habe ich schon ganz früh begonnen und in der Schule Preise gewonnen. Aber Fotografieren und die ganze Ausrüstung, die dazu notwendig gewesen wäre, das war ganz weit weg.

Ich stelle mir vor, als du 1970 von Paris nach Wien zurückgekehrt bist, muss das doch ein Kulturschock gewesen sein.
Ich glaube, ich wäre nie zurückgekommen, wenn nicht John Cook, mit dem ich damals zusammen war, nach Wien wollte. Er konnte die Filme, die er plante, in Paris nicht umsetzen, einfach weil er keine Verbindungen hatte. Er wusste aber, dass ich in Wien ein paar Leute kenne. Darüber hinaus haben die Franzosen zu dem Zeitpunkt neue Gesetze für Models eingeführt. Bis dahin war es in Frankreich für Frauen nicht erlaubt, mit ihrem Körper Geld zu verdienen. Models waren nicht als Berufsgruppe eingeordnet und nicht sozialversichert. Was wir alle damals gar nicht gewusst haben. Und plötzlich hat die Regierung beschlossen: Jetzt werden alle sozialversichert und müssen nachzahlen, und zwar sieben Jahre zurück. Daraufhin haben alle Models, die konnten, fluchtartig Paris verlassen. Und ich bin mit John nach Wien mitgekommen, aber wir haben uns dann relativ schnell getrennt.

Zu dem Zeitpunkt hast du auch schon als Fotografin gearbeitet?
Da hatte ich gerade damit begonnen. Es tat mir natürlich wahnsinnig leid, Paris zu verlassen, denn ich kannte dort so viele Leute. Aber ich habe dann hier einfach weitergemacht.

War es nicht unheimlich schwierig, zu Beginn der 1970er Jahre eine Karriere als Fotografin ausgerechnet in Wien zu starten?
Überhaupt nicht, es war der Moment, in dem ALLES BEGONNEN HAT. Es war eine sehr spannende Zeit in der Fotografie und in der Werbung. Für Modefotografie war Wien noch immer keine Stadt, auf keinen Fall, das hat sich erst langsam entwickelt. Es gab auch noch keine Magazine. Mit dem Wiener wurde gerade begonnen, das war schon mal super. Und es gab Werbung, die sehr ambitioniert war, für die wir alle begeistert irgendwelche Geschichten entwickelt und sie mit unglaublichem Aufwand umgesetzt haben.

Du hast, nach Wien zurückgekehrt, den Künstler Kurt Kocherscheidt kennengelernt. Mit ihm hast du auch zwei Söhne. Nach dem frühen Tod deines Mannes hast du sie alleine aufgezogen. Wie konntest du Beruf und Familie vereinbaren?
Das war immer kompliziert. Ich wurde das öfter gefragt. Dann habe ich immer gesagt: Es ist kein Problem, wenn man sich Hilfe holen und sich die auch leisten kann. Dann kann man das. Zu Beginn haben wir die Kinderbetreuung noch ohne Unterstützung versucht, Kurt und ich, später ins Atelier zu kommen und so weiter. Das klappte auch eine Zeit lang, aber nicht auf Dauer. Ich finde es darüber hinaus wichtig, dass nicht nur die Frauen, die gerade einen Job haben und genug Geld verdienen, emanzipiert sind und arbeiten gehen können. Es sollen vor allem jene, die nur wenig Geld haben, auch andere Dinge ins Auge fassen können als das tägliche Überleben in Form von aufstehen, Frühstück machen, kochen, Wäsche waschen und das Kind versorgen. Diese Perspektive sollten Frauen genauso haben wie Männer.

Später warst du mit dem Künstler Martin Kippenberger verheiratet, der leider auch viel zu früh verstarb. Wie ist deine Einstellung zur Kunst – abseits der Fotografie? Gibt es Künstler, die du besonders schätzt?
Ich glaube, es gibt Künstler, die man mehr schätzt als andere. Meine Vorliebe für das künstlerische Milieu konnte ich schon im Alter von fünfzehn, sechzehn Jahren feststellen. Mir war früh klar, dass ich lieber nicht im klein-, mittel- oder großbürgerlichen Milieu leben möchte, sondern dass mir nur das künstlerische genug Freiheit lässt. So ist es auch gekommen, ich hätte nirgends anders hineingepasst.

Du hast erwähnt, dass du als junges Mädchen gerne gezeichnet hast?
Das habe ich mehr oder weniger aufgegeben. Die Fotografie ist so nah an der Wirklichkeit, so perfekt …

Suchst du Perfektion?
Perfektion könnte man es nennen in dem Sinn, dass das Foto meine Vorstellung ziemlich perfekt trifft.

Aber Perfektion im Sinne von alles perfekt ist nicht mein Ziel. Im Gegenteil: Ich glaube, wenn man zu genau wird und zu präzise, verliert man oft eine gewisse Stimmung – einen Moment, der schön ist.

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E Elfie Semotan Vivien Solari Life Moves Fast New York 2000 2008 Elfie Semot

Foto: Courtesy der Künstlerin, Vivien Solari (“Life moves fast” inspiriert durch Jeff Wall), New York, 1999, © Elfie Semotan, Courtesy: Studio Semotan

Im Laufe deiner Karriere ist in der Fotografie eine rasante technologische Entwicklung erfolgt: von der Schwarz-Weiß-Fotografie über Farbfotografie bis zu den digitalen Möglichkeiten. Welche Auswirkung hatte das auf deine Arbeit?
Die Farbfotografie kam für mich ganz organisch, Farben hatte ich immer schon gerne. Es gab Kodak-Filme, Ilford-Filme und all diese verschiedenen Filmsorten. Und außerdem gab es sehr grelle Farbsorten. Man konnte sich aussuchen, was man lieber mochte. Die schönsten Farben lieferten Ektachrome-2-Filme. Allerdings war es schrecklich aufwendig, mit Ektachrome professionell zu arbeiten. Man musste so viel Licht haben wegen der niedrigen ASA-Zahl, aber die Farben waren großartig und das Korn ganz, ganz fein. Es war ein Luxus, das zu tun.

Das analoge Foto in seiner Materialität stellt einen anderen Anspruch als das digitale Fotografieren, das schon im Entstehungsprozess das Nachbessern der Aufnahmeeinstellungen ermöglicht.
Man musste genauer wissen, was man machen will. Wenn ich etwas inszenieren wollte, hatte ich mir nicht nur zu überlegen, wo ich fotografieren will – was ja immer ganz wichtig ist –, sondern auch was ich dazu brauche, wie das Licht sein soll und so weiter und so fort. Es war genauso wichtig, sich bewusst zu sein, dass das geplante Konzept funktionieren kann, aber nicht muss. Es kann sein, dass die ganze Situation nicht so klappt, wie ich es mir vorstelle. Es kann sein, dass alles andere mir einen Strich durch die Rechnung macht. Eben hatte ich meine Arbeit Live moves fast in der Hand, die ich fürs i-D geschossen hatte. Was mache ich jetzt mit dem Titel Live moves fast, habe ich mich gefragt. Und dann habe ich beschlossen, ein Mädchen auf dem Gehsteig hocken zu lassen – ohne sich zu bewegen –, umgeben von Dingen, die sich sehr schnell bewegen. Einmal haben wir so ein Nylonsackerl herumschweben lassen. Oder ein Spielzeug-Rennauto ins Foto fahren lassen, es war dann natürlich unscharf. Ein Hund, den wir geworfen haben, einen Foxterrier. Alle möglichen Dinge. Es hat sehr gut angefangen. Das Mädchen war wahnsinnig schön, eines der schönsten Mädchen, mit denen ich gearbeitet habe, und es hat das auch super gemacht. Mit gefällt die Fotoarbeit Milk von Jeff Wall sehr, auf der ein Mann am Gehsteig sitzt und Milch ausschüttet. Unter anderem ließ ich das Model auch Milch ausschütten und musste natürlich rechtzeitig abdrücken, weil es noch nichts gab, was mir geholfen hätte. Darüber hinaus hatte ich keinen Blitz, sondern HMI-Scheinwerfer, die ich besonders geliebt habe. Es sind diese großen Scheinwerfer, die auch bei Hollywood-Produktionen verwendet wurden. Sie machen genau das gleiche Licht wie Sonnenlicht. Eigentlich kann man mit diesem Licht jedes Gesicht konstruieren. Das wissen wir, wir kennen die Schatten, die kleinen unter der Nase und das Dunkle unter den Augen. Leider hat es während des Fotografierens angefangen zu schütten. Zum Glück war einer der beiden Assistenten mutig, der zweite hatte Angst, dass wir einen Stromschlag bekommen. Es hat geschüttet, das Model saß unter einem riesigen Schirm und wir haben Dinge auf sie geworfen. Es war wirklich abenteuerlich, aber wir haben durchgehalten.

Heute leben wir mit einer wahren Bilderflut, jeder kann mit seinem Handy Hunderte Fotos täglich machen und sie über die sozialen Medien an ein Riesenpublikum verteilen.
Ich finde, das ist einfach zu viel. Jeder kann die Bilder sehen und jeder kann sie erstellen, es ist eine ganz einfache Sache. Noch dazu hat man mit dem Handy ein Instrument in der Hand, mit dem man sein Unvermögen sofort per Knopfdruck korrigieren kann. Und man kann so lange herumprobieren, bis es zufällig funktioniert, zufällig. Wenige nutzen das Handy, um ganz gezielt zu fotografieren.

Instagram-Fotos haben eine eigene Ästhetik, die andererseits wiederum die Mode- oder Werbefotografie beeinflusst.
Ich finde, das ist gut und schlecht. Es lässt sich in dieser Fotoflut immer ein gutes Foto finden. Dazu muss man allerdings sicher mindestens 1000 Fotos ansehen. Mich interessiert das nicht so sehr. Mich interessiert viel mehr, wenn jemand gezielt fotografiert, wenn jemand seine persönlichen Vorstellungen hat und die dann umzusetzen versucht.

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Du hast vorhin angesprochen, wie du von einer Arbeit von Jeff Wall inspiriert wurdest. Gibt es noch andere Künstler und Künstlerinnen, die dich angeregt haben.
Natürlich haben mich zu Beginn meiner Karriere die amerikanischen Fotografen inspiriert. Da fällt mir spontan der schweizerisch-amerikanische Fotograf Robert Frank ein oder Alfred Stieglitz. Der für die Porträtfotografie so wichtige August Sander kommt mir in den Kopf oder Edward Steichen. Die amerikanische Fotografin Dorothea Lange war eine ganz große … Das waren so meine ersten Bekanntschaften. In der Tschechoslowakei hat es ein sehr ausgeprägtes Fotoklima gegeben. Miroslav Tichý war, als er bekannt wurde, schon ein alter Mann. Er hat gerne Frauen von der Ferne fotografiert, durch Zäune oder im Bad. Die Qualität war mittelmäßig. Manchmal waren die Fotos schön, meistens flüchtig, oft ein bisschen verwackelt. Häufig waren es Fotos von Frauen in Badeanzügen, die auf dem Foto von klassischer Schönheit erschienen … Er wurde von vielen Leuten besucht, hat die Fotos auf den Boden geworfen und ist darauf herumgestiegen. Die Leute haben sie hinter ihm aufgesammelt. Tichý ist zu Recht sehr bekannt geworden, weil er einen unglaublichen Blick hatte. Er hat dann auch seine Objektive mit Papier verlängert, ein langes Objektiv gemacht, einfach nur zusammengebunden. Der hat einfach irre wild gearbeitet, das war ihm alles egal. Ich finde es wunderbar, wenn es in unserer superpräzisen Zeit, in der immer alles noch schöner, noch teurer, noch glänzender sein soll, jemanden gibt, der einfach mit einer mit Schnur zusammengebundenen Optik Fotos macht.

Ist es ein Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau hinter der Kamera steht? Inwieweit ist der weibliche Blick ein anderer?
Natürlich ist der weibliche Blick ein anderer. Da möchte ich von vornherein sagen, dass der weibliche Blick einer ist, der alles rundherum wahrnimmt – die Kinder brauchen etwas zu essen, sie schreien, da muss noch Arbeit gemacht werden und so weiter. Der männliche Blick ist fokussiert. Das ist schon einmal ein fundamentaler Unterschied zwischen weiblich und männlich. Und wenn ich nackte Frauen oder Männer sehe, dann geht es mir in erster Linie darum, dass die Models sich in ihrer Rolle wohlfühlen, dass sie sich nicht preisgegeben fühlen oder meinen, sich verstellen zu müssen. Als ich zum Beispiel Unterwäsche fotografiert habe, war es mir ganz wichtig, dass sich alle sehr wohlgefühlt haben. Und das alles sehr locker ist. Es war eher komisch.

Wie hast du erreicht, dass die Atmosphäre locker war?
Wir haben einfach rumgeblödelt. Also mit den Frauen war es sowieso nett, weil wir einfach Kumpels waren. Das Model hat die Unterwäsche angehabt, und ich habe fotografiert. Und wir haben kommuniziert, ich erwarte nicht, dass jemand mir etwas vorspielt. Ich konnte das auch nie. Es gab immer eine Verbindung, ich habe immer Direktiven gegeben, die einfach zu befolgen waren. Man muss nicht so viel sagen, sie machen sowieso Bewegungen. Und die kann man dann erwischen und ausbauen.

Und wenn du männliche Models in Unterwäsche fotografiert hast?
Das war einfach sehr komisch. Bei den Palmers-Shootings gab es Frau Ulli, eine unglaublich energische und kompetente Frau, die sich um alles gekümmert hat, so auch um die Unterhosen, die die Männer unter den Unterhosen anziehen mussten. Worüber wir alle sehr gelacht haben, die Männer eingeschlossen.

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Ich würde gerne noch einmal zurückkommen auf das Thema Digitalfotografie. Wie du vorhin angesprochen hast, wird in Zeiten der digitalen Bildbearbeitung der menschliche Körper in der Fotografie überperfekt dargestellt. Wie definiert sich vor diesem Hintergrund Schönheit?
Ich glaube, wirklich spannend an der digitalen Fotografie ist, dass man sie nicht zur Wiedergabe der Wirklichkeit nutzt, sondern um Vorstellungen zu realisieren, Dinge, Bilder, die man im Kopf hat. Das finde ich auch gut. Wenn man die Fotografie rein als Fotografie verwendet, zum Beispiel ein Porträt macht, dann würde ich wollen, dass man diese Frau so sieht, wie sie ist, weil sie mir gefällt, wie sie ist. Jeder Mensch hat eine gewisse Schönheit, einen gewissen Moment. Da macht es überhaupt keinen Sinn, alles auszubessern und alles „schöner“ zu machen.

In Kürze wird eine umfangreiche Retrospektive deines künstlerischen Werks im Kunst Haus Wien zu sehen sein. Wenn du auf dein Arbeitsleben zurückblickst, was war die beste Zeit?
Die beste Zeit war immer, und sie geht einfach weiter, ich werde nicht aufhören zu fotografieren.

Die Ausstellung Elfie Semotan. Haltung und Pose im Kunst Haus Wien ist nicht als chronologische Werkpräsentation angelegt. Welchen Blick auf deine Arbeiten ermöglicht die Retrospektive?
Da es meine erste große Museumsausstellung in Wien ist, wollte das Kunst Haus Wien doch eine Art Retrospektive machen. So stellte ich Überlegungen an, wie wir das gemeinsam gestalten können, ohne zu sehr in die Nähe einer klassischen Retrospektive zu kommen. Ich begann in meinem Atelier Fotos an der Wand aneinanderzureihen, ohne Rücksichtnahme auf Datum, Zugehörigkeit zu einer Serie oder sonstige Klassifizierungen. Das fand ich spannend und abwechslungsreich. Der Vorschlag hat Bettina Leidl, Direktorin des Kunst Haus Wien, und die Kuratorin Verena Kaspar-Eisert ebenso begeistert. Es kam dann noch einiges dazu, an das ich nicht gedacht hatte, Wallpaper zum Beispiel oder Vintage Prints, die eine zusammenhängende Gruppe bilden. Diese Arbeiten sind zu speziell, um sie aufzuteilen und mit anderen Fotos zu mischen. Auch einige Porträts sind als Gruppe gehängt. Der Blick wird von einer Situation in die nächste, in vollkommen unterschiedliche Welten gelenkt. Es lassen sich keine spontanen inhaltlichen Zusammenhänge herstellen, vielleicht ergibt sich das später.

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Elfie Semotan, o. T. (Inspiriert von Roy Lichtenstein), New York, 2003, © Elfie Semotan, Courtesy: Studio Semotan und Galerie Gisela Capitain, Köln

Elfie Semotan, o.T., New York, 1998, Courtesy: Studio Semotan

Elfie Semotan, Martin Kippenberger in Issey Miyake, Wien 1996, © Elfie Semotan, Courtesy: Studio Semotan

Elfie Semotan, o. T. (Hair Story), New York, 1997/2021, © Elfie Semotan, Courtesy: Studio Semotan

Interview: Barbara Libert
Fotos: Christoph Liebentritt

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