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Elisa Alberti, Wien

In the Studio

»Mir ist es wichtig, ein Gleichgewicht zwischen innen und außen zu erzeugen.«

Inspiriert von ihrer Umgebung, komponiert Elisa Alberti wenige Farben in zarten Nuancen sowie Schwarz-Weiß- und Glänzend-matt-Kontraste zu geometrischen Kompositionen. Dabei bedient sich die in Bruneck/Südtirol aufgewachsene und in Wien lebende Künstlerin einer minimalistischen Formensprache. Mit Collectors Agenda sprach Elisa über die Ruhe im Atelier und wie der unbändige Drang, ausschließlich Kunst zu machen, ihr Leben verändert hat.

Elisa, an welchem Zeitpunkt deines Lebens wusstest du, dass du Künstlerin werden wolltest?
Diesen einen konkreten Moment gab es nicht, es war vielmehr ein natürlicher Prozess. Ich bin in einer Künstlerfamilie aufgewachsen, beide Elternteile sind Künstler. Für mich hat sich eher die Frage gestellt: Möchte ich auch Kunst machen oder will ich mich davon abkapseln? Als Jugendliche möchte man sich häufig von dem, was die Eltern machen, abgrenzen, und das war auch so, als ich noch jünger war. Schlussendlich war der Weg zur Künstlerin ein natürlicher Prozess, dem ich nicht entkommen bin.

Haben deine Eltern deine Berufswahl als Künstlerin gefördert?
Gefördert haben sie viele Sachen: Ich habe Instrumente gelernt, Theater gespielt, vieles ausprobiert. Und ich habe gezeichnet, gemalt und fotografiert. Gegen Schulende stellte sich dann doch die Frage, wie ernsthaft verfolgt man das weiter. Das war der Punkt, an dem mir klar wurde, ich komme nicht daran vorbei. Das Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien war ein wichtiger Moment dabei. Am Anfang hatte ich noch keine konkrete Vorstellung, in welche Richtung es gehen wird. Begonnen zu studieren hatte ich bei Gunter Damisch in der Druckgrafikklasse. Bei der Bewerbung konnte man zwei, drei Klassen angeben. Die Entscheidung, ob und in welche Klasse man aufgenommen wurde, fiel anhand der Mappen und der Aufnahmeprüfung. In meiner Bewerbungsmappe hatte ich unter anderem Monotypien abgegeben. Ich bin während meines Studiums in der Klasse für Grafik und druckgrafische Techniken geblieben, die während meiner letzten beiden Studienjahre von Christian Schwarzwald geführt wurde.

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Könntest du uns Monotypien erklären, bitte!
Monotypie ist ein Einmaldruckverfahren: eine Drucktechnik, in der man nicht wie im Siebdruck oder anderen Techniken sehr viele Abzüge herstellen kann. Von einer Platte werden nur ein oder ein paar wenige Abzüge gemacht, deren Farbigkeit rasch schwächer wird.

Hast du einen Plan B zu deinem Leben als Künstlerin?
Ich hatte bisher gar keine Zeit, darüber nachzudenken. In den letzten Jahren ist alles so schnell gegangen. Es hat sich ganz natürlich ergeben. Während des Studiums habe ich Nebenjobs gemacht – ganz klassisch an der Rezeption oder in der Gastronomie. Es bedeutete für mich immer eine Überwindung, hinzugehen. Man macht es nur, damit man seine paar Hundert Euro neben dem Studium verdient. Irgendwann hatte ich den Eindruck, es bringt mich zu sehr durcheinander: zwei Tage im Atelier, dann wieder zwei Tage arbeiten. Vor vier Jahren habe ich mir gesagt: Ich möchte nicht mehr, ich kündige und versuche es anders. Ab diesem Zeitpunkt hat es begonnen, zu funktionieren! Aus diesem starken Willen heraus, nur mehr Kunst zu machen, und durch die Ablehnung der Nebenjobs habe ich meine frei gewordene Zeit intensiv im Atelier genutzt.

Wie würdest du deine Arbeit in wenigen Worten beschreiben?
Mittlerweile arbeite ich sehr flächig in einer reduzierten, abstrakten Formensprache – teilweise Ton in Ton oder monochrom. Mitunter setze ich starke Kontraste mit Schwarz. Die Formen beeinflussen sich gegenseitig. Die Oberfläche ist mir sehr wichtig. Dabei stelle ich mir Fragen wie: Was gestalte ich matt, was glänzend? Wie verhalten sie sich die Flächen zueinander? Erkennt man den Untergrund, sieht man die Leinwandstruktur, oder ist er glatt?

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Du hast bei Gunter Damisch studiert. Als wichtiger österreichischer Vertreter der Neuen Wilden pflegte er einen expressiven Stil. Die Neuen Wilden sahen sich in den 1980er-Jahren als eine Art Gegenbewegung zu den Neo-Geos. Auf den ersten Blick erinnern deine Arbeiten aber eher an jene der Neo-Geos. Wie kam es dazu?
Zu Beginn meiner Studienzeit waren meine Arbeiten noch etwas wilder. Jetzt ist alles sehr akkurat, genau und sauber im Gegensatz dazu. Ich habe damals nur auf Papier gearbeitet und dem Material viel abverlangt, mit viel Wasser gearbeitet, übermalt und sogar darüber gespachtelt.

So ein umfassender Stilwechsel ist interessant. Hast du mit deinen alten Arbeiten gebrochen?
Eigentlich nicht. Sie haben den Weg geebnet für meine derzeitige Arbeit. Ich habe damals konkrete mit abstrakten Motiven gemischt. Inspirationsquellen dafür waren schon immer die Pflanzenwelt als auch architektonische Motive. Ich bin in einer kleinen Stadt in Südtirol, umgeben von Bergen und Natur, aufgewachsen. Bevor ich nach Wien kam, habe ich nie längere Zeit in einer Stadt verbracht.

Wie hat Wien als Stadt, in der du lebst und arbeitest, dein Schaffen beeinflusst?
Ich habe immer mein Umfeld in meine Arbeit mit eingebunden. Die Arbeiten waren ursprünglich organischer und wurden dann immer grafischer. Ich beobachte, welche Strukturen ich in meinem Umfeld entdecke.

Wenn du Inspiration suchst, machst du dann einen Stadtspaziergang und hältst nach Formen Ausschau?
Ja, das geschieht automatisch. Ich schaue immer gern nach oben.

Die Farben, die wir hier in den Arbeiten sehen, kommen häufig in Wien vor, dieses Grau ist eine typische Sockelfarbe. Ist das ein Zufall?
Das ist kein Zufall. Ich habe zu Beginn meiner Zeit in Wien nur in Schwarz-Weiß und Grau gearbeitet. Momentan sind es immer die gleichen Nuancen: Grau, Hautton, fliederfarben und Blau. Ich hatte einige Auslandsaufenthalte, wo ich meistens mit Farben arbeitete, die ich vor Ort kaufen konnte. Meine letzte Reise war nach Indonesien, da waren die Farben kräftiger.

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Welche Farben verwendest du und wie trägst du sie auf?
Ich verwende Acryl- und Lackfarben und arbeite derzeit ausschließlich auf Leinwand und Holz. Beim Auftragen der Farbe verwende ich Roller und Pinsel. Zu Beginn stehen immer die Bleistift-Skizzen. Sehr gerne bespanne ich die Leinwände selbst. Jetzt habe ich das erstmals in Auftrag gegeben.

Die Skizzen überträgst du frei Hand auf den Malgrund, ganz ohne Zirkel?
Ja, ohne Zirkel, aber mit Lineal. Für die runden Formen nehme ich alles Mögliche: Deckel, Töpfe – was sich gerade so anbietet.
Die Farben verwende ich nie pur aus der Tube, außer Schwarz oder Weiß. Alle anderen mische ich nochmals, um so einen neuen, nicht zu kräftigen Farbton zu erzeugen. Durch das Auftragen mit dem Roller wird die Acrylfarbe meistens ziemlich matt. Diesen Effekt suche ich. Für die glänzenden Partien nutze ich Lackfarbe. Wenn ich auf Holz arbeite, greife ich oft zu tiefen Holzkörpern und bemale auch den Rand. Dadurch erhalten sie Objektcharakter.

Arbeitest du in Serien?
Eigentlich entstehen alle Arbeiten in Serien. Wichtig ist mir dennoch, dass jede auch für sich stehen kann. Die kleineren Arbeiten haben mehr diesen Seriencharakter und beeinflussen sich auch stark gegenseitig im Fertigungsprozess. Sie entstehen quasi als Werkzyklus, indem ich mir ein bestimmtes Format vornehme. Wenn ich mit einer Arbeit beschäftigt bin, ergibt sich oft schon die Idee für die nächste. Ich habe sogar den Eindruck, man erkennt, wenn ich einen Werkzyklus unterbreche. Die Farben mische ich jedes Mal neu an. Bei der nächsten Serie kann man dann vielleicht einen Unterschied in den Farbnuancen erkennen.

Gibt es in der Weiterführung der Arbeiten ein logisches System, beispielsweise die gleiche Form gedreht darzustellen?
Nein, ein „System“ an sich nicht. Formen, die mich interessieren, greife ich allerdings auch immer wieder auf und ordne sie neu auf dem Untergrund an.
Um so mehr ich in einer Serie drin bin, desto natürlicher schreitet der Gestaltungsprozess voran. Ich bin dann im Fluss, alles geht so leicht von der Hand. Dabei ist wichtig, dass zumindest zwei bis drei Arbeiten hintereinander im gleichen Format entstehen. Die kleinen Formate sind am Tisch leicht zu handhaben. Das Motiv, die Farbe verhält sich dabei ganz anders als auf einer großen Leinwand. Da brauche ich mehr Zeit, um mich darauf einzulassen.

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Gibt es Künstlerinnen, die dich besonders inspirieren?
Die Arbeiten von Agnes Martin haben mich sehr beeindruckt. Aber auch mit der Arbeit von Tauba Auerbach, Christopher Wool, Sean Scully, Jürgen Partenheimer oder Svenja Deininger habe ich mich beschäftigt.

Glaubst du, dass dein Leben als junge Mutter dein Leben als Künstlerin beeinflusst?
Momentan ist es so, dass ich meine Atelierzeiten mit meinem Freund absprechen muss. Das ist eine neue Situation, Zeit ist ein neuer Faktor. Sie vergeht so extrem schnell und man muss sie gut einteilen.
Die Zeit, die ich im Atelier habe, kann ich gut nutzen und arbeite dann superkonzentriert. Früher kam ich ins Studio und habe erst einmal gemütlich Kaffee getrunken. Momentan nutze ich die Zeit, die ich im Atelier habe, intensiver. Das kann natürlich auch oft etwas stressig werden, aber so ein kleines neues Lebewesen verleiht einem unglaublich viel Kraft!

Das klingt, als wärest du in Balance.
Mit genügend Schlaf – was nicht immer leicht ist mit einem Baby – ist alles in Ordnung.
Was mir momentan fehlt, ist der Austausch mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Eigentlich bin ich immer gerne in Gesellschaft, koche gerne und lade ein. Dieser für mich inspirierende Austausch mit anderen Künstlern, auch die Atelierbesuche, kommt momentan etwas zu kurz.

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Könntest du uns einige Namen nennen von Kunstschaffenden, mit denen du im Austausch bist?
Patrick Roman Scherer, ein Zeichner, mit dem ich gemeinsam in der Klasse war, ist ein guter Freund geworden. Seine Art, zu arbeiten, und dieser unbändige Drang danach haben mich sehr inspiriert. Auch meinen Freund Frank Maria habe ich an der Akademie kennengelernt.

Hat dein Freund deine künstlerische Entwicklung mit beeinflusst?
Er arbeitet auf ganz andere Weise. Dennoch, ab dem Moment, als wir uns kennenlernten, ist ganz viel passiert in meiner Arbeit. Diese Leichtigkeit, mit der eigenen Arbeit umzugehen, hat mich sehr beeindruckt. Ihm geht vieles so schnell von der Hand, er kann aus jeder Situation etwas rausholen, hat kein Atelier, zeichnet oder malt einfach überall.

Welche Reaktion würdest du gerne bei den Betrachtern deiner Kunst auslösen?
Vielleicht eine ähnliche Reaktion, wie ich sie im Atelier erlebe. Bei der Arbeit werde ich sehr ruhig und ausgeglichen. Manchmal höre ich, dass meine dunklen Arbeiten als aggressiv empfunden werden. Das möchte ich überhaupt nicht auslösen, eigentlich ist es mir wichtig, ein Gleichgewicht zwischen innen und außen zu erzeugen. Für mich ist das Atelier ein Ort des Rückzugs, an dem ich zur Ruhe kommen kann, nicht reden und nichts erklären muss – also finde ich es auch schön, wenn es den Betrachtern vor meinen Arbeiten ähnlich ergeht.

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Wir haben vorhin über die Inspiration gesprochen, die du bei Stadtspaziergängen findest. Wie ist das mit der Natur?
Natur wird gerade immer wichtiger für mich und meine Arbeit. Eine Zeit lang konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, wieder für länger in einer ländlichen Umgebung zu leben. Ich fahre regelmäßig heim nach Südtirol. Aus der Stadt kommend, nehme ich das Grün der Natur und das Blau des Himmels viel intensiver wahr als früher. Mittlerweile könnte ich mir vorstellen, wieder mehr Zeit in der Natur zu verbringen. Wien ist zwar immer noch Inspirationsquelle, aber vor allem im Winter ist es schon sehr grau.

Woran arbeitest du derzeit?
Ich habe gerade Arbeiten auf Holz angefangen. Ende März ist die Spark Art Fair, wo ich diese Arbeiten mit der Galerie Krobath zeigen werde.

Ohne Titel, 2022, Acryl und Lack auf Holz, 60 x 50 cm, Credits: www.kunst-dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez

Ausstellungsansicht, Von der Möglichkeit der einfachen Form, Galerie Krobath, Vienna, Credit: Maria and Anna Ritsch

Ausstellungsansicht, Von der Möglichkeit der einfachen Form, Galerie Krobath, Wien, Credit: Maria und Anna Ritsch

Ohne Titel 2022, Acryl und Lack auf Holz, 60 x 50 cm, Credits: www.kunst-dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez

Interview: Barbara Libert
Fotos: Christoph Liebentritt

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