In Ankara geboren, arbeitete Göksu Kunak wissenschaftlich, bevor die Person zu der antifaschistischen Kunstschaffenden wurde, als die sie sich heute bezeichnet. Von der Absicht getrieben, „etwas politisch zu sagen“, sind Kunaks Performances - in Galerien, im Theater und im öffentlichen Raum - sowohl von deren muslimischer Erziehung als auch von Geschichte und Politik der Türkei beeinflusst. Einige der Arbeiten greifen auch die Ästhetik der Soap Opera, Martin Scorseses und J.G. Ballards auf. Die Auswanderung nach Deutschland war ein Wendepunkt in Kunaks Praxis: Die einzigartige Berliner Atmosphäre formte nicht nur das Verständnis für den eigenen Körper, sondern brachte die Person auch in Verbindung zu sehr unterschiedlichen Mitarbeitern - von Bodybuildern hin zu Pole-Dancern - die nun eine entscheidende Rolle in deren Werk spielen.
Wie bist du zur Kunst gekommen?
Als Kind hat mich Design stark beschäftigt. Ich denke, das kam von meiner Faszination mit Prothesen: Meine Eltern sind Ärzte, und diese Objekte, mit denen sie arbeiteten, interessierten mich. Ich studierte dann Innenarchitektur und belegte im Zuge dessen auch Kurse in Kunstgeschichte. Zur gleichen Zeit begann ich, mit meiner besten Freundin Tanzkurse zu besuchen. Sie trainierte mit einer der Pionierinnen des modernen Tanzes in der Türkei, Binnaz Dorkip, die nach ihrem Abschied vom Staatsballett ein eigenes Studio eröffnet hatte. Irgendwann stellte ich aber fest, dass ich mit dem Tanzen nicht genug Geld verdienen würde, und konzentrierte mich auf mein Kunstgeschichtestudium. Ich schloss mit einem Master ab und fing an, an der Universität zu arbeiten, unter Zeynep Yasa Yaman.
Performancekunst hat ja einige Ähnlichkeit mit Tanz, ist aber auch eine eigene Disziplin. Wie hat du Performancekunst kennengelernt? Welche Aspekte interessierten dich dabei?
Als ich beschloss, mit dem Tanzen aufzuhören, verspürte ich großes Bedauern. Während meines Masters interessierte ich mich für feministische Diskurse und den Körper, daher zeigte mir mein Supervisor die feministischen Kunstperformances der 60-er und 70-er Jahre. Und da dachte ich: „Das könnte ich vielleicht machen.“
Ich wurde aber nicht sofort zu einer Performancekünstler*in. Zuerst war ich Theoretiker*in. Dann, als ich 2016 einen Essay für Ibraaz schrieb, ärgerte es mich, über das Werk fremder Kunstschaffender zu schreiben. Ich wollte selbst Kunst machen, aber ich hatte die Persona der Künstler*in auf ein solches Podest gehoben, dass ich mir das Talent dazu nicht zugetraut hatte.


Wie hast du diese Selbstzweifel überwunden?
Ich habe begriffen, dass ich es bereuen würde, mit der Kunst nicht weiterzumachen. Und ich verspürte den Drang, mich politisch auszudrücken. Von meiner Persönlichkeitsstruktur her war ich allerdings nicht für den Aktivismus geschaffen, da ich ziemlich introvertiert war. Ich verstand aber, dass Kunst ein mächtiges politisches Werkzeug sein kann. Es war schließlich die Kunst, die meine Ansichten zu einigen Aspekten der kurdischen Politik änderte, und die mir einen Vergleich erlaubte zwischen dem, was kurdische Künstler*innen sagten und dem, das ich von meinen Eltern und der Regierung hörte.
Ich glaube wirklich an die Kraft der Kunst, Bewusstsein zu verändern. Ein Trump Unterstützer mag vielleicht keine Bücher zu gewissen Themen lesen, aber wenn diese Person einem Kunstwerk im öffentlichen Raum gegenübersteht, könnten sich neue Denkweisen für sie ergeben.
Wie geschah der Übergang von deiner Arbeit an der Universität zu jener in der Kunst?
Ich begann, mich mit der sehr formalen Art des Schreibens an der Universität unwohl zu fühlen. Das war für mich wie eine Form kolonialen Denkens. Stattdessen begann ich, Vorlesungsperformances zu halten, die ich in weiterer Folge in performative Geschichten und Gedichte umwandelte. Und dann stellte ich fest, dass mein Körper mehr konnte: Er ist sehr beweglich. Und etwas drängte mich einfach in diese Richtung. 2019 führte ich Ko-Regie bei meiner ersten Performance, und 2021 schuf ich mein erstes abendfüllendes textbasiertes Stück.
Doch nun bewegst du dich eher vom Text weg, oder?
Text ist immer noch ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Ich verwende ihn oft als Ausgangspunkt. Mein letztes Stück, INNOCENCE (2024) zum Beispiel öffnet mit einer 20-minütigen Vorlesungsperformance, die den Rest des Abends bestimmt. Aber in den letzten zwei Jahren haben Bilder in meinem Werk an Bedeutung gewonnen. Für VENUS (2023) habe ich den Text stark gekürzt, da mir klar wurde, dass Menschen sich nicht darauf konzentrieren. Manchmal ändere ich auch im Moment der Performance selbst etwas. Obwohl es ja eine Dramaturgie gibt - aber wenn ich sehe, dass etwas nicht funktioniert, verändere ich es in situ.
Du hast vorhin erwähnt, dass du das Bedürfnis verspürst, dich politisch zu äußern – welche Botschaften wolltest du am Anfang deiner Karriere weitergeben?
2019 schuf ich BERGEN, The Woman of Agonies, inspiriert von einer Frau namens Bergen. Sie war eine berühmte türkische Arabeske Sängerin, deren Ehemann ihr Salpetersäure ins Gesicht geschüttet hatte. Obwohl sie durch den Angriff halb erblindet war, setzte sie ihre Auftritte fort. Schließlich wurde sie von ihrem Mann ermordet. In meiner Arbeit ging es um Gewalt gegen Frauen und LGBTQI+ Menschen in der Türkei.


Was ist Arabeske?
Zu derselben Zeit, als viele Türken nach Deutschland auswanderten, kamen türkische Landbewohner in größere Städte wie Istanbul. Das führte zu einem Clash der Kulturen. Die ausgewanderten Menschen erfuhren viel Elend, Schmerz und schwierige Arbeitsbedingungen. Um das zu verarbeiten, erfanden sie Arabeske, eine neue Musikrichtung. Diese war stark von östlicher Musik beeinflusst, ihre Wurzeln liegen in der ägyptischen und arabischen Musik, die während der ottomanischen Zeit in die heute Türkei genannte Region kam. Kultur in der Türkei war und ist immer noch eine Mischung vieler Kulturen, auch wenn sich die Regierung in der Vergangenheit mehr auf westliche Einflüsse konzentrierte.
Es gab sogar eine Zeit, als Arabeske Musik aus dem nationalen türkischen Fernsehen verbannt wurde. Sie wurde nämlich als Gegensatz zur nationalen Kulturpolitik empfunden, da sie das Elend der neuen Klasse in den Städten wiedergab. In den 80-ern und 90-ern tauchte Arabeske dann im Fernsehen und Radio auf. Bergen war die erste Arabeske Sängerin, die vom staatlichen türkischen Fernsehen interviewt wurde. Als das Privatfernsehen entstand, war Arabeske plötzlich überall; heute verwendet praktisch jeder türkische Song Melodien daraus. Leider ist es mittlerweile sehr stark kommerzialisiert. Arabeske entwickelte sich zu einem Pop Genre, anstatt jene revolutionäre Bewegung zu bleiben, die es in der Vergangenheit gewesen war. Heute kommt Arabeske kommt in jeder Soap Opera vor, wird von jedem Buschauffeur gespielt, von jeder sozialen Klasse gehört. Deshalb arbeite auch ich damit.


Wie übersetzt du große Themen - wie eben Arabeske, aber auch andere Bereiche der türkischen Geschichte und Politik sowie die LGBTQIA+ Erfahrung - in Performances und Kunstwerke? Wie sieht dein kreativer Prozess aus?
In der Vergangenheit schuf ich viele Werke, die den Leuten quasi ins Gesicht sprangen. Es war damit klar, was ich sagen wollte. Heute versuche ich, einfacher und zugleich abstrakter zu kommunizieren. Ich mag zwar von Bildern, etwa von politischer Gewalt in der Türkei, beeinflusst sein, aber ich werde diese nicht direkt referenzieren. Stattdessen konzentriere ich mich darauf, die Machtdynamik dahinter erkennen zu lassen. Um bei Zusehenden das Gefühl einer Fantasy-Welt hervorzurufen, ergänze ich mein Werk mit Soap Opera oder Martin Scorseses stilvoller Ästhetik. Zum Beispiel war in einem der Bilder, die ich für VENUS schuf, ein Bodybuilder an einen auf einer Plattform stehenden Sportwagen gefesselt. Für mich bedeutete das, über Bewegung zu sprechen, oder eben die Unmöglichkeit davon. Zwei starke, mächtige Einheiten, die für die reine Aktion gemacht sind, können ihren Zweck nicht erfüllen.
Gibt es Künstler*innen, die dich zu diesem Zugang inspiriert haben?
1981 installierte Richard Serra seine Tilted Arc Skulptur in der Mitte des Foley Federal Plaza. Es ist der Platz vor dem U.S. Gericht und anderen Regierungsgebäuden in New York. Die ganze Bewegung innerhalb des Platzes wurde dadurch unterbrochen, da die Menschen um das Kunstwerk herumgehen mussten. Ich denke, dass das ein sehr politischer Akt war, um Regierungsbeamte davon abzuhalten, wie gewohnt über den Platz zu gehen. Diese Subtilitäten interessieren mich.
2011 zogst du aus der Türkei nach Berlin. Was hat dich da angezogen?
Ich war nicht glücklich in meinem Job und unzufrieden mit der türkischen Politik. Ich beschloss, zu kündigen und nach Europa zu ziehen. Zuerst dachte ich an Paris, aber stellte nach einigen Nachforschungen fest, dass Berlin billiger war. Ich wusste nichts von der Stadt, nur, dass es eine gute Tanz- und Kunstszene gab. Zum Glück wurde mein Visa innerhalb von vier Monaten bewilligt.
Wie hat dieser Umzug nach Deutschland dein Werk beeinflusst?
Ich wurde muslimisch erzogen. Meine Familie war säkular, aber immer noch sehr konservativ, des Einflusses meines Vaters wegen. Ich hatte immer gedacht, dass meine Beschäftigung mit Tanz und Kunst mir die Sicht auf die Welt geöffnet hätten, aber der Umzug nach Berlin ließ mich erkennen, wie konservativ ich immer noch war - vor allem, was meinen Körper und die Sexualität betraf. Als ich das erste Mal das Berghain besuchte und halbnackte Frauen sah, dachte ich: „Warum tun die das?“. Heute ist das normal für mich. Berlin ist eben ein ganz spezieller Ort. Wo es in der Türkei eine strenge Hierarchie gibt, kannst du hier in neue Szenen und Welten eintauchen.

Zu welcher Szene gehörst du in Berlin? Mit wem arbeitest du hier zusammen?
Es gibt eine Gruppe von Leuten, mit denen ich regelmäßig arbeite. Manche davon sind professionelle Tänzer*innen, und die anderen sind Amateurperformer*innen. Ich schätze es sehr, wie das meinem Werk unterschiedliche Ebenen eröffnet.
Das erste Stück, in dem ich mit anderen Menschen zusammenarbeitete, war 2023 in CLICHE. Es ging um die vorgefassten Meinungen, die Deutsche türkischen Männern und deren Autos gegenüber haben. Ich lud Candas Bas ein, eine Tänzerin, die nun mit Constanza Macras‘ Company Dorky Park arbeitet. Eine Woche vor der Vorstellung geschah jedoch das Erdbeben in der Türkei. Candas, die auch von dort kommt, sagte mir, sie sei verzweifelt und könne die Show nicht machen. Das habe ich völlig verstanden. Gleichzeitig wurde ich krank, fieberte hoch. Ich verlor meine Stimme eine Woche lang und konnte nicht proben. So rief ich Freunde an; meinen Personal Trainer Daniel Schabert, einen ehemaligen Boyfriend namens Robin, und Nomi Sladko, die ich in der Woche davor im Trauma Bar und Kino getroffen hatte, einem Kunst- und Kulturraum hier in Berlin. Sie sprangen in letzter Minute ein, die Arbeit war daher ziemlich fragmentiert.
Jede der Performances hatte ihre eigene Station. Robin, der Anwalt ist, band ich an einen Mercedes, als Referenz an Chris Burdens Performance aus 1974, Trans-fixed (im Original ist es der Anwalt, der Burden an sein Auto bindet). Der Choreograf Emeka Ene spielte eine verquere Version von Rihannas Shut up and drive auf der Gitarre, Ahmet Ögüt wurde auf dem Dach des Mercedes zu seiner Auswanderung interviewt, und Nomi und ich veranstalteten einen Lap Dance, inspiriert von Grand-Theft-Auto: Es war eine Assemblage von Hyperklischees.

Autos kommen oft in deinem Werk vor. Warum?
Autos sind in der Türkei sehr wichtig. So wie in den USA – eigentlich muss man fast eines besitzen. Als ich aufwuchs, beschäftigten sich mein Vater und sein bester Freund viel mit Autos, und ich fing jung an, Rennen zu fahren. Mit 16 wollte ich Formel-Eins-Fahrer*in werden. Ein Teil von mir hat immer noch diesen Autofetisch, aber ich blicke auch hinter diese türkische Autoliebe: Da ist einiges an deutschem Lobbying, das BMW, Mercedes und Volkswagen pusht; und die Obsession des Landes mit Autos hat dazu geführt, dass die Regierung keine besseren Zugverbindungen geschaffen hat.
Wir haben viel über deine Performances gesprochen, du aber stellst auch Objekte und Installationen her.
Ich begann damit, kleine Installationen und Objekte während meiner Performances herzustellen. Am Ende lud ich die Zusehenden ein, reinzukommen und darin etwas zu trinken. Mich interessiert die Natur des Black und White Cube - der theatralen und galerieartigen Räume. Ich wolle damit experimentieren, zwischen diesen Codes hin- und herwechseln. Ich schaffe Objekte, um damit Geschichten zu erzählen. Ich erzähle diese natürlich auch mit meinem Körper, aber die Objekte gibt es noch, wenn die Performance selbst zu Ende ist. Zum Beispiel arbeite ich gerade an Don’t Let Them Shoot The Kite, das im April in der Kestner Gesellschaft eröffnet wird. Die Arbeit wird sich mit den Themen Auslöschung, Verdrängung und Sichtbarkeit befassen und tiefer in die medizinischen Untersuchungen eintauchen, die deutsche Ärzte an den Gastarbeitern durchführten. Das waren Menschen, vor allem aus der Türkei, die angeworben wurden, um den Arbeitskräftemangel in Westdeutschland in den 1960er und 1970er Jahren auszugleichen. Ich fertige 3D-gedruckte Büsten an, die auf Bildern von Menschen basieren, die auf ihre Untersuchungen warten. Ich habe nicht ganze Szenen wiederholt, denn das hieße, auch die Gewalt dieser Erfahrung zu wiederholen. Stattdessen fokussiere ich scharf auf die Gesten, die diese Menschen in den Fotografien machen.



Hast du noch andere Performances, die bald aufgeführt werden?
Ich bringe Bygone Innocence (2024), kuratiert von Léon Kruijswijk, im Rahmen des Donau Festivals im Mai in der Kunsthalle Krems heraus. Es ist eine Performance und Ausstellung über einen Autounfall, der sich 1996 in der Türkei ereignete. In dem Auto saß ein von Interpol Gesuchter, der am Attentat auf Papst Johannes Paul II. beteiligt und einer der Anführer der Terrorgruppe Graue Wölfe war. Neben ihm saß der ehemalige Leiter der Istanbuler Polizeibehörde. Außerdem waren eine Schönheitskönigin - die Freundin des Fahrers - und ein kurdischer Abgeordneter der rechtsgerichteten türkischen Regierung dabei. Dies war ein großer Skandal in der Türkei, bekannt als Susurluk Skandal. Zum ersten Mal verloren sogar die Nationalisten ihr Vertrauen in die Regierung. Das erinnerte mich an den 1973 erschienenen Roman Crash des Schriftstellers J. G. Ballard.
Darin geht es um die Geschichte von Auto-Crash-Fetischisten, die durch die Inszenierung und Teilnahme an Unfällen sexuell erregt werden. In Jean Baudrillards Simulation und Simulacra (1981) wird argumentiert, dass Crash ein Simulacrum ist - es schafft eine Hyperrealität, in der die Unterscheidung zwischen realen und simulierten Erfahrungen bedeutungslos wird. Ich dachte, dass dies der türkischen Politik nicht unähnlich ist. Das Leben vor dem Susurluk-Skandal war wie eine Scheinrealität, und ein Autounfall hat sie durchbrochen.


Wie zeigst du diese Ideen in deinem Werk?
Die Performances konzentrieren sich auf die Geschichte des Susurluk Skandals, während die Installation die Idee des Simulakrums, oder gecrashten Körpers, aufnimmt. Dies sehe ich durch die Augen eines Bodybuilders. Um ihren Körper zu stählen, müssen Bodybuilder nämlich ihre Muskeln verletzen, beziehungsweise sie „crashen“, um sie zu stählen. Diese Körper existieren in Wirklichkeit gar nicht. Sie sind unerreichbar, da sie die Einnahme von Steroiden voraussetzen. Und doch sieht man diese muskulösen unrealistischen Körper überall, von der griechischen Skulptur bis hin zu Anime Shows wie Dragon Balls. Ich habe eine Reihe von Bildern geschaffen, indem ich Fotos von Fotos von Fotos von weiblichen Bodybuilder-Wettkämpfen gemacht habe. Dies führt zu einer Art Verzerrung, und die Körper sehen fast wie Cyborgs aus. Ich habe auch zwei Malereien für das Donaufestival in Krems geschaffen, es werden Seidendrucke sein, damit noch eine andere Textur ins Spiel kommt. Eines davon zeigt das Original des Autounfalls von Susurluk, aber der Lastwagen, auf den das Auto auffuhr, ist ausradiert.
Wenn wir gerade über Fotos von Fotos von Fotos sprechen… Deine Performances werden von Besuchenden oft dokumentiert und auf Social Media geteilt. Wie denkst du darüber? Bei Tanz und Theater ist es ja meistens verboten, Aufnahmen zu tätigen.
Ich finde es sehr aufregend, um ehrlich zu sein. Am Tag, bevor ich VENUS in der neuen Nationalgalerie Berlin performte, verstand ich, dass der Raumaufteilung wegen viele Menschen die Aktion nicht verfolgen können würden. Und ich konnte nichts dagegen tun. Während der Performance stellte ich aber fest, dass manche der Besuchenden mit ihren Handys filmten, und das war effektiv - so konnten jene, die weiter hinten standen, durch deren Screens mitverfolgen, was weiter vorn geschah. Ich habe sogar Videos auf Instagram gesehen, in denen Leute die Screens von anderen filmten!



Dies spiegelt wiederum deine Arbeit eigentlich wunderbar wider!
Es ist, als würde jeder und jede Regisseur*in dieser Videos sein. Das Stück nimmt damit unterschiedliche Dimensionen an, die ich nicht kontrollieren kann. Das Publikum bestimmt selbst, was es sieht. Ich mag es, wie das mit den Regeln zu gutem Benehmen spielt. Vor allem im Theater, ist “gutes Benehmen” ja Teil der westlichen Dramaturgie. In INNOCENCE gab ich dem Publikum Sonnenblumenkerne und sagte: „Bitte esst, macht alles schmutzig, fotografiert.“ Wenn man dem Publikum diese Freiheiten gibt, formt es das Kunstwerk um.