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Haruko Maeda, Wien/Linz

In the Studio

»Leben bedeutet gleichzeitig Tod.«

Die japanische Künstlerin Haruko Maeda verbindet in ihrer Kunst Shintō-Traditionen ihres Heimatlandes mit westlichen Konzepten. So nähert sie sich dem Thema Vergänglichkeit durch religiöse Ikonografie und Symbole aus verschiedenen Kulturen an und bezieht sich inhaltlich sowie formal auf Werke der Renaissance und des Barock. Dabei thematisiert sie universelle Fragen zu Leben und Tod, wobei sie in ihren Auseinandersetzungen gekonnt mit feinem Humor spielt.

Haruko, zunächst hast du bildende Kunst in deiner Heimatstadt Tokio studiert. Wie kam es dazu?
Ich kann es nicht mit einem Wort sagen … Ich bin in Tokio aufgewachsen und war dort, bis ich 20 Jahre alt war. In meiner Umgebung gab es immer Kunst, und es kam ganz natürlich dazu, dass ich selbst in der Kunst tätig wurde. Meine Eltern hatten bereits mit Kunst zu tun, und so habe ich als Kind schon ganz früh mit hochwertigen Pinseln und Farben auf Papier gemalt. Aber an sich habe nicht so viel darüber nachgedacht und mich einfach dazu entschlossen, an die Kunstuniversität in Tokio zu gehen, denn ich konnte nicht so gut mit anderen Fächern wie Mathematik … Im Sport war ich zwar sehr gut, aber das war nicht so faszinierend für mich, und so bin ich einfach in Richtung Kunst gegangen.

Letztlich hast du dein Studium in Linz abgeschlossen …
Ich bin nicht direkt von Tokio nach Linz, sondern war zuerst in Deutschland. Das Kunststudium in Tokio war sehr schlecht, und für mich passte es einfach nicht. Die Aufnahme war sehr, sehr hart, und ich fühlte mich danach kaputt und krank. Zudem war das Studium sehr akademisch und die Studiengebühren waren hoch. Anscheinend studieren in Japan vor allem diejenigen Kunst, die Geld haben. Es gibt wahrscheinlich nur wenige Studierende, die diese Schulden wirklich auf sich nehmen können, weil es fast unmöglich ist, sie zurückzuzahlen. Ich wusste, dass es in Europa kaum Studiengebühren gibt, und ich war neugierig auf die europäische Kunstszene. Zunächst war ich für eineinhalb Jahre in Deutschland, zuerst in München, dann in Berlin, einfach weil ich über Deutschland mehr wusste als über Österreich. Eine Freundin erzählte mir dann aber von der Kunstuniversität in Linz, wo sie selbst studiert hatte, und dass es dort sehr familiär zugehe, und ich dachte mir: „Okay, es ist mir egal, wo ich studiere.“ Ich schaffte die Aufnahmeprüfung in Linz und bin sofort von Berlin nach Linz gezogen.

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Haruko Maeda, The Great Bouquet 4, 180 x 130 cm, Öl auf Leinwand, 2021

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Was ist für dich das Wichtigste am Kunstschaffen?
Dass es Spaß macht, Kunst zu schaffen. Ab und zu kommt eine Phase, in der ich mir sage, ich will das Bild nicht mehr malen oder es ist zu anstrengend. Aber warum ich dennoch weitermalen kann, hat damit zu tun, dass ich Freude daran habe, Kunst zu produzieren und gute Kunst zu machen. Ich habe einfach den Ehrgeiz, meine Kunst auch verbessern zu wollen, weil ich doch sehr kritisch auf meine Arbeiten blicke, und diesen Blick zu verlieren wäre nicht gut. Ich möchte immer beste Arbeiten produzieren, und ich finde es für mich richtig, dass ich immer einhundert Prozent gebe. Ich muss nicht immer gleich zufrieden sein mit meinen Arbeiten, so motiviere ich mich, denn ich möchte noch bessere Bilder malen.

Vergänglichkeit, Leben und Tod sind Hauptthemen, die sich in deinen Arbeiten zeigen. Hast du dich damit von Anfang an beschäftigt?
Meine Auseinandersetzung damit begann im Studium durch eine Lehrveranstaltung in Linz. Wir planten eine Ausstellung, und ein Lehrbeauftragter machte mich mit der Idee vertraut, dass ich über Reliquien nachforschen und damit Kunst machen sollte. Darüber habe ich dann viel recherchiert, und tatsächlich hat mich das Thema von Reliquien in der katholisch-europäischen Kultur fasziniert. Aber das Thema „Tod“ war eigentlich schon von Anfang an irgendwie da … Als Kind wohnte ich in einem großen Komplex mit Sozialwohnungen, und so viele Menschen begangen Suizid, darunter ein Schulkamerad von mir, der gerade mal zehn Jahre alt war … Dadurch habe ich schon immer über den Tod nachgedacht, aber in meiner Kunst wollte ich das mit dem Leben kombinieren und nicht nur eine dunkle Seite zeigen.

In deinen Arbeiten verbindest du östliche und westliche Zugänge und spielst mit religiöser Ikonografie und religiösen Symbolen.
In Japan bestehen die Religionen Buddhismus und Shintoismus, wobei diese sich nicht so leicht voneinander unterscheiden lassen. Viele junge Japaner sind nicht religiös, aber sie nehmen an verschiedenen religiösen Aktivitäten teil. Sie feiern gerne Feste der verschiedenen Religionen, so auch die Geburtsjubiläen im Shintō-Schrein, oder sie heiraten in der christlichen Kirche und möchten nach dem Tod im buddhistischen Tempel eingeäschert werden. Ich mag diese Vermischung in Japan. Ich selbst bin auch nicht religiös, aber im Shintoismus geht es um das Leben, er handelt vom Jetzt. So geht man am 1. Jänner zum Schrein oder Tempel und betet für das kommende Jahr; also das Leben steht immer im Vordergrund. Über Tod im religiösen sowie im kulturellen Sinne und dessen Bedeutung in Europa nachzudenken, war deshalb sehr neu für mich. In meinen Arbeiten versuche ich beides zu vereinen.

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Während der Pandemie hat sich dein Fokus wieder mehr auf das Selbst gerichtet, wobei die Themen gleich geblieben sind.
Vor der Pandemie fokussierte ich mich nicht so sehr auf das Selbst. Nur ganz am Anfang, als ich nach Europa gekommen war, ganz alleine, ohne Familie und Freunde, da habe ich viele Selbstporträts gemalt. Und diese Erinnerung an damals, als ich so Angst hatte, alleine hier zu leben, führte dazu. Ich hatte die größte Angst, aber dennoch Hoffnung und eine Art Leidenschaft in mir. Daran habe ich mich zu Beginn der Pandemie erinnert, weil ich in Wien für einige Wochen allein gewesen bin, denn es war fast so wie in der ersten Zeit, als ich nach Europa gekommen war. Und dann habe ich mich gefragt, was mache ich nun, was mache ich mit meiner Kunst? Und ich dachte, ich muss irgendwas in dieser Zeit anfangen, es ist eine große Chance, diese Zeit zu nutzen, und dann habe ich mich selbst gemalt.

Kam so auch das Porträt deiner Familie A Family Portrait – My Father, My Grandma in his Mouth and I (2021) zustande, das hier im Atelier an der Wand hängt?
Ja genau. Man sieht darauf meinen Vater, meine Oma und mich. Meine Oma ist vor drei Jahren gestorben, und ich konnte damals nicht zum Begräbnis. Aber ich habe jetzt Knochenstücke und Asche hier in meiner Wohnung, die mir mein Vater gebracht hat, denn er hatte kein Geld für ein Begräbnis. Es gibt diese Tradition in Japan, dass man einen Teil von geliebten Verstorbenen runterschluckt. Mein Vater tat dies, ich habe es auch gemacht, und dieses Porträt thematisiert das.

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Haruko Maeda, A Family Portrait, 100 x 70 cm, Öl auf Leinwand, 2020

Wie können wir uns deinen Arbeitsprozess vorstellen?
Meistens hängt ein Bild, was im Entstehen ist, schon da, und dann überlege ich, wie ich weiter male. Manchmal habe ich einen Assistenten, der mir hilft. Aber an sich sieht niemand den Prozess. Es ist sehr intim, wie meine Arbeiten entstehen.

Und wie ist es, wenn deine Werke den Raum verlassen? Gibt es Reaktionen, die du dir wünschst oder was deine Arbeiten bewirken sollen?
Ich mag es, wenn Besucher vor meinen Arbeiten stehen und genau schauen und diskutieren und nachdenken. Das ist mein Ziel. Zum Beispiel hängen in einer Gruppenausstellung viele verschiedene Arbeiten, und dann ist es schade, wenn an meinen Arbeiten einfach vorbeigegangen wird. Es ist schön, wenn die Leute mehr als fünf Minuten vor meinem Bild stehen, denn es gibt immer viele Details in meinen Arbeiten …

Welche künstlerischen Vorbilder hast du?
Es gibt viele … Ich liebe Jan van Eyck, er ist oft mein Vorbild, wenn ich Bilder male, aber auch Hans Holbein. Und ich mag durchaus zeitgenössische Künstler, wie David Hockney oder den japanischen Künstler Makoto Aida. Diese Künstler haben einen markanten Charakter, sie bleiben aber nicht bei einem Kunststil, sondern haben mehrere Techniken und können so vielfältig etwas darstellen. Und so möchte ich auch sein. Thematisch ist vieles vielleicht gleich bei mir, aber es ist vielfältig in der Darstellung, mittlerweile auch durch meine Skulpturen und Objekte.

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In einfachen Worten: Wie würdest du deine Kunst beschreiben?
Es gibt immer etwas Humorvolles. Ich möchte, dass meine Arbeiten interessant und lustig bleiben, auch wenn ich Totenköpfe male, sodass Menschen länger vor meinen Bildern oder Objekten verweilen.

Gibt es Vorurteile oder Missverständnisse gegenüber deinen Arbeiten?
Die gibt es. Es gibt eine Serie mit Totenköpfen, wie Maria Anna von Österreich (2018) in dieser barocken Kleidung. Eines Tages bekam ich ganz viele Freundschaftsanfragen von Personen aus der Gothic-Kultur. Und es war dann okay, ich male ja Totenköpfe, aber die Bedeutung ist eine andere. Totenköpfe sind catchy, sie sind sehr bedeutungsstark, aber ich will mit meinen Bildern eher das Leben zeigen.

Und wie passt deine Kunst in die heutige Zeit?
Auf den ersten Blick wirkt meine Arbeit vielleicht altmeisterlich, thematisch ist sie dennoch zeitgemäß. Leben bedeutet gleichzeitig Tod, wie das Bild The Great Bouquet (2018) aufzeigt. Es gibt viel von mir und meinem Leben in Österreich preis durch Elemente wie Katzenfutter oder meine Haare am Boden … Tatsächlich ist es auch eine Art Selbstporträt.

Als Künstlerin lebst und arbeitest du in Wien, unterrichtest aber in Linz. Inspiriert dich die Arbeit mit Studierenden?
Schon, ja. Jedes Jahr gibt es Studierende, die sehr motiviert sind und oft überraschende Ideen haben, die ich so nicht erwarte. Und von denen lerne ich. Sie sind wie Schwämme, sie saugen meine Ratschläge auf und entwickeln ihre Arbeiten, wobei sie sehr flexibel sind. Und das möchte ich für mich auch beibehalten … kreativ zu sein und etwas Neues für sich zu nutzen. Es gibt aber natürlich auch jene, die sagen, ich bin mit meiner Arbeit ganz zufrieden, ich habe keine Künstler, die ich gerade mag und die gerade Vorbild für mich sind, ich mag meine Arbeiten, und ich brauche keine Entwicklung. Und dann denke ich mir, hey, warum studierst du gerade …?

Kannst du dir vorstellen, was du tun würdest, wenn es keine Kunst in deinem Leben gäbe?
Ich habe viel darüber nachgedacht, Selbstgemachtes auf einem Markt anzubieten. Es gibt einen bei mir in der Nähe und dort wollte ich schon mein Kimchi anbieten. Ich liebe es, zu kochen, und irgendwie ist es nicht ganz unrealistisch … Ich will kein Geschäft haben, aber spontan etwas verkaufen können …?

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Denkst du, dass sich deine Arbeit im Laufe der Zeit viel verändert hat?
Ich denke eigentlich nicht so sehr darüber nach. Ich male, was ich malen will, und nachdem ich gemalt habe, kommt immer wieder so eine Erkenntnis, dass es automatisch das Thema von Leben und Tod hat. Ich denke nicht so oft, okay, es muss immer bei diesen Themen bleiben. Wenn ich etwas mit Interesse verfolge und male, dann kommt es ganz natürlich dazu, wobei ich immer versuche, unterschiedlich zu malen … Mittlerweile gibt es auch Skulpturen von mir und zudem schnitze ich. Außerdem gibt es diese Zusammenarbeit mit meiner Katze: Eine Maus, die sie gefangen hatte, habe ich ausstopfen lassen und sie in einen Mantel gehüllt, den ich aus ihren Katzenhaaren gefertigt habe. Am Anfang habe ich nur Bilder gemalt, aber seitdem ich meine Katze habe, produziere ich Skulpturen, darunter auch vergoldeten Katzenkot, eine Art Reliquie, die ich in Krems mit ausstellen werde.

Deine Ausstellung Der Wein ist schon reif in der Schale im museumkrems öffnet im März 2022. Was erwartet uns?
Aus den Sammlungen des museumkrems habe ich Objekte ausgewählt, und diese kombiniere ich mit meinen Arbeiten, sodass ein Dialog entsteht. Ich möchte die Besucherinnen und Besucher überraschen, dass sie es genießen und nicht sofort wieder vergessen, was sie sehen, und so einfach eine gute Zeit mit Kunst haben.

Haruko Maeda, My foot and my grandma in a ceramic ware, 40 x 45 cm, Öl auf Leinwand, 2020

Haruko Maeda, Isolate fashion show, 56,5 x 34,5 cm, Acryl auf Papier, 2020

Haruko Maeda, Neverland 5, 210 x 190 cm, Öl auf Leinwand, 2021

Haruko Maeda, Renaissance 2, 43 x 43,5 cm, Öl auf Holz, Hand gemachter Holzrahmen, 2017

Interview: Marieluise Röttger
Fotos: Maximilian Pramatarov

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