Die nordeuropäische Szene für zeitgenössische Kunst entwickelt neue Dynamiken und wird zunehmend von internationalen Sammlern beobachtet. Mit den Nordic Notes lenken wir regelmäßig den Blick auf die nordische Kunst- und Kulturszene und stellen ihre wichtigsten Akteure vor.
Ilari Hautamäki lädt uns in seinen lebendigen, geheimen Garten ein, der an die Sommer seiner Kindheit in der finnischen Natur erinnert. Seine rhythmischen Pinselstriche lassen organisches Blattwerk entstehen, das dann in Rahmen und Rastern komponiert wird. Das „perfekte Chaos“, das sich aus dieser Kombination ergibt, ist ein Beispiel für seine Erkundung der Frage, wie die Wildheit der Natur gleichzeitig mit einer streng funktionalen, dimensionalen Struktur in Einklang gebracht werden kann.
Ilari, im Winter 2023 habe ich deine letzte Ausstellung Flux in Helsinki gesehen. Im Vergleich zu deinen früheren Arbeiten schienen die dort gezeigten Werke irgendwie monochromer zu sein …
Flux war die melancholischste Ausstellung, die ich seit Langem gemacht habe. Ich arbeitete im Winter daran, als es dunkel und ich wirklich müde war. Ich habe nur gemalt und beschlossen, viel weiße Leinwand und nur zwei Farben zu zeigen. Das erinnerte mich an einen visuellen Vergleich mit den Kompositionen in Miles Davis’ Blues. Mir blieben nur sechs Monate, um alles fertigzustellen.
Sechs Monate klingt nach einer sehr kurzen Zeitspanne … War es für dich neu, dass du so wenig Zeit hattest, um eine Ausstellung aufzubauen?
Ich wollte eigentlich einige Werke aus einer früheren Ausstellung einbeziehen, aber dann habe ich alles von Grund auf neu gemacht, sodass ich einige Entscheidungen treffen musste, um alles zu schaffen. Daher entwickelte ich eine neue Technik, um die Werke schneller fertigzubekommen.
Kannst du die Technik beschreiben?
Ich fing an, alles in Öl zu machen, was aber zu langsam war, sodass ich den Prozess beschleunigen musste. Ich musste viel planen und alles von rückwärts aufrollen. Ich musste entscheiden, wo ich die Vordergrundelemente und wo ich die Pflanzenmotive haben wollte, bevor ich den Hintergrund anfertigte, und so ließ ich einen Teil des Hintergrunds unbemalt, um das Bild rechtzeitig beenden zu können. Ich bevorzuge die langsamere Herangehensweise an die Malerei, aber manchmal ist es nicht möglich, vier Monate zu warten, bis eine Schicht getrocknet ist.
Was sagt uns der Name „Flux“?
Der Name bezieht sich auf die Bewegung und den ständigen Wandel der uns umgebenden Welt. Auch meine Kunst ist ständig im Wandel. Die Weise, wie ich das visualisiert habe, ist in den Kompositionen zu sehen: Ich habe Rahmen entfernt, Schichten hinzugefügt und einen Großteil der Leinwand sichtbar gelassen. Es gibt sehr dichte Teile und stark gesättigte Farbkontraste über einem kühlen, dünn gemalten Hintergrund. Die Arbeit Flux (New Wave) ist ein hervorragendes Beispiel dafür.
Trotz des eher nüchternen Ansatzes in Flux ist das Leitmotiv deiner Kunst – die überwiegend grüne, wilde Natur – sehr präsent. Stehen die neuen Arbeiten in thematischem Zusammenhang mit früheren Werken?
In den letzten sechs Jahren habe ich mich mit der Kombination von organischen und baulichen Welten beschäftigt. Die organische Pflanzenwelt ist die Natur, wie ich sie mir vorstelle, sie ist meine Erinnerung daran, dass ich in der Natur war. Ich bin in Helsinki geboren und aufgewachsen, und ich habe mein ganzes Leben hier verbracht. In meiner Kindheit hatten wir ein Sommerhäuschen. Ich liebte es, in der Natur zu sein. Die Pflanzen sind eine gesammelte Erinnerung an mein Gefühl für die Natur, daran, wie ich sein wollte: unkontrollierbar und verrückt. Deshalb mag ich es, auf den Leinwänden wild zu werden. Ich habe eine weitere Eigenschaft in mich aufgenommen, diese wirklich kontrollierte, organisierte Person. Wie man sieht, ist mein Atelier ziemlich aufgeräumt, was sich in den Rastern und den rechteckigen Formen in meinen Werken widerspiegelt. Diese beiden Qualitäten zusammenzubringen, ist ein fortlaufender Prozess.
Du erwähntest das „perfekte Chaos“ der Natur. Wie lässt sich das auf deine Arbeit umlegen?
Die Idee entstand aus der Herausforderung, aus komplexen Strukturen klare Bilder zu machen. Ich habe diesen wilden, chaotischen Dschungel gemalt und ihn dann ausgeschnitten und mit hellen, synthetischen Farben auf einen festen Hintergrund geklebt, um ihm auf diese Weise einen gewissen Zweck zu verleihen. Mir gefällt, wie sich beide Elemente gegenseitig ergänzen.
Wie würdest du deinen momentanen künstlerischen Stand beschreiben und wie geht es weiter?
Der Plan ist, alle Informationen und Elemente zu sammeln, an denen ich in den letzten Jahren gearbeitet habe, und Ideen zu überarbeiten, die ich vorher nicht aufgegriffen hatte, um eine endgültige Aussage zu treffen. Ich habe das Gefühl, dass die Bilder das herauskristallisieren sollten, was ich mit meinen Arbeiten zumindest in den letzten drei Ausstellungen gesagt habe. In den kommenden Gemälden werde ich mich also weiterhin zwischen dem abstrakten und dem figurativen Bereich bewegen. Ich werde tiefer in die organische und die synthetische, die kontrollierte und die improvisierte Welt eindringen und alle Schlüsselelemente meiner Praxis auf großformatigen Leinwänden anwenden.
Kannst du uns mehr darüber erzählen, wie ein so organisierter Maler wie du arbeitet?
Als Elternteil von zwei kleinen Töchtern ist meine Arbeitszeit ziemlich stark von Zeitplänen abhängig. Normalerweise arbeite ich sechs oder sieben Stunden, bevor ich zum Kindergarten laufen muss, um die Mädchen abzuholen. Ich habe meine tägliche Routine im Atelier. Ich beginne den Tag mit kleinen Studien auf Papier, bevor ich mich an die Leinwände mache. Ich möchte mir viel Zeit nehmen, um die Bilder einfach nur anzuschauen. Jeden Tag versuche ich, einen Schritt weiterzukommen, um den Prozess in Gang zu halten. Ich arbeite in Serien, das heißt, ich mache mehrere Bilder gleichzeitig. Ich weiß nicht immer, an welchem Bild ich arbeiten werde und wie lange es dauert, bis ich ein anderes in Angriff nehme, aber ich habe gerne viel Material um mich herum.
Das Grün erinnert an einen weit entfernten Ort, nicht an die typisch nordische Natur. Wo befinden wir uns in deiner Kunst?
Es ist eine Art Traumwelt für mich; ich war noch nie in einem echten Dschungel. Es ist eher so, dass ich improvisiere, wenn ich male, und es kommt einfach so natürlich heraus, roh und unkontrolliert, wo jeder Pinselstrich zu sehen ist.
Apropos Pinselstriche: Haben die Pflanzen eine gewisse Kraft in sich?
Ja, das ist die Idee – der Fluss meiner Pinselstriche und die Weise, wie sich verschiedene Elemente in meinen Bildern bewegen, erinnern mich an eine Melodie. Sie sind wie Sinfonien. In meiner Ausstellung Spirit (2021) habe ich den Rhythmus erforscht: Das Hauptthema war Jazzmusik und wie sie meine Kompositionen und den improvisatorischen Teil der Malerei beeinflusst.
Die Pinselstriche sind für dich sehr charakteristisch. Wie würdest du ihr Aussehen und ihre Wirkung erklären?
Ich mag Schriftzüge und Kalligrafie. Ich habe sehr darauf geachtet, wie ich mit Pinseln arbeite und welche Art von Pinseln ich verwende, und versucht, die Kalligrafie zu imitieren. Daher kommen all die Xs, Ys und Zs. Ich hatte auch vor, eine Serie von Schriftbildern mit einer kalligrafieähnlichen Pflanzenschrift zu malen.
Das Blattwerk stellt deine Erinnerung an die Natur dar und hat ein kalligrafisches Flair. Was wird aus dem Laub in dieser Synthese konkret?
In meiner letzten Ausstellung haben sich die Blumen und Blätter zu etwas entwickelt, das mehr als nur Pinselstriche sind. Sie haben sich zu einer ausdrucksstärkeren Qualität entwickelt. Aber ich mag es, zwischen dem Abstrakten und dem Erkennbaren zu bleiben. Für mich ist es wichtig, einige Elemente zu haben, die für etwas Reales stehen, wie Blätter, Pflanzen und Blumen. Deshalb habe ich sie in einer etwas repräsentativen Form beibehalten. Aber es könnte auch etwas Abstrakteres daraus werden.
Wie bleibst du deinem Ausdruck, der die Natur als Motiv nutzt, so treu?
Es gibt sie vielleicht schon zu lange, aber ich bin immer noch von ihr fasziniert. Das ist die Hauptsache. Im Moment plane ich die nächsten Bilder, indem ich alle Hauptideen so zusammenbringe, wie ich sie haben möchte – einfach um meiner selbst willen. Danach werde ich sehen, welche Richtung ich einschlagen werde. Ich würde gerne aus diesem Dschungel herauskommen und Landschaftsbilder malen (lacht)!
Interview: Rasmus Kyllönen
Fotos: Florian Langhammer