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Katrin Hornek, Wien

In the Studio

»Ich will mein Erstaunen teilen.«

Katrin Horneks Werk zeugt von ihrer Verwunderung über unsere Welt, in der der Mensch im Zeitalter des Anthropozän zu einem geologischen Einflussfaktor geworden ist. Sie beschäftigt sich mit den Schnittstellen und Verflechtungen zwischen Natur und Kultur, sie zeigt auf, wie menschliches Eingreifen die Gegenwart und Zukunft unseres Planeten beeinflusst. Hornek folgt in ihrer auf Forschung basierten Praxis Geschichten und Spuren in verschiedenen Archiven, um daraus installative Erzählungen zu bauen, die den Betrachter*innen einen neuen Blickpunkt auf unsere Welt eröffnen.

Katrin, wie bist du zur Kunst gekommen?
Eigentlich hat es mich immer in die Naturwissenschaften gezogen; ich wusste anfangs tatsächlich nicht, ob ich Biologie oder Kunst studieren sollte. Allerdings fand ich die Sprache in der Wissenschaft zu kryptisch, sie bildet oft eine Barriere, eine Distanz …

Also warst du nicht – wie so viele andere Kunstschaffende – jemand, der schon immer gezeichnet hat?
Gezeichnet habe ich schon, aber ich bin da nicht besonders talentiert (lacht). Lustigerweise nahm ich im Gymnasium Wahlpflichtfach BE; ein Ölbild zu malen, das faszinierte mich. So war die Wahl des Kunststudiums schließlich eine Bauchentscheidung – und glücklicherweise nahm mich Monica Bonvicini an der Akademie der Bildenden Künste in Wien auf. Ab da hatte ich nie wieder in meinem Leben einen Pinsel in der Hand! Sondern ich begann, mich für research-basierte Dinge zu interessieren. Heute verbinde ich Kunst und Naturwissenschaften durch meine Arbeit.

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Welches waren die ersten Medien, in denen du gearbeitet hast? Hast du je gemalt oder Bildhauerei betrieben?
Nur vor der Aufnahmeprüfung malte ich, danach arbeitete ich eher dokumentarisch, vorwiegend mit dem Medium Video. In meiner Abschlussarbeit ging es um genmanipulierte Fruchtfliegen, denen Achselhaare angezüchtet worden waren – sehr bizarr. Meine Mitbewohnerin machte damals einen PhD am Institut für Molekulare Biotechnologie und erzählte mir von der Überlegung, Fruchtfliegen mittels Achselhaaren visuell zu markieren (lacht).

Wie macht man aus so einer Beobachtung Kunst?
Ich fand es einfach so absurd! Das war auch die Zeit, in der mich Gender Studies sehr geprägt haben, und Achselhaare waren damals sowieso ein großes Thema (lacht). Und ich hatte schon immer eine Leidenschaft dafür, Geschichten zu erzählen. In meiner Kunst will ich Formate finden, um diese recherchierten Geschichten zu erzählen, die mich triggern oder die ich schräg finde. Das ist die Herausforderung: Wie übersetze ich ein Thema künstlerisch?

Welche Medien benützt du dazu; kombinierst du Video und Fotografie?
Jetzt auch nicht mehr. Es kommt wirklich darauf an, was mein Thema ist. Ich sichte das Material und versuche herauszufinden, was in dem Fall das beste Medium wäre.

Und die Kunst entsteht schließlich in den Betrachter*innen selbst?
Ja, absolut! Ich baue einen Raum, in dem man sich bewegt. Es ist Raum auch im Sinne von Research, manchmal biete ich auch Koordinaten an. Ob es Kunst ist, definiert wohl auch der Rahmen, in dem man die Arbeit zeigt.

Würdest du deine Kunst unter Konzeptkunst subsumieren?
Es ist eine research-based Praxis, die einen sehr starken Ortsbezug hat. Ich liebe es, von Materialien und Orten auszugehen, weil sie mir die Verankerung und den materialen Unterbau geben, von dem aus ich starten kann – das sieht man etwa in dem Projekt testing grounds ganz gut.

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In diesem Projekt für die Secession spannst du Geologie, Archäologie, Geoinformatik und Kunst zusammen. Wie kam das?
Ausschlaggebend war ein WWTF Call (Wiener Wissenschafts and Technology Fund). Im Rahmen des interdisziplinären Projekts „The Anthropocene Surge“ wurde mit den Methoden der Sedimentologie, Geoinformatik, Archäologie und Kunst die Geschichte von Wien anhand menschlicher Ablagerungen im Untergrund beforscht. Die Ausstellung in der Sezession ist mein Abschluss davon.

Kannst du das Projekt erklären?
Es geht um das Anthropozän - das neue Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Nun hat man in den Sedimenten bei den Grabungen für den Neubau des Wien-Museums bestimmte Partikel, also Global Fallout von oberirdischen Atombomben gefunden, die aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stammen. Und gemäß der Anthropozänen Arbeitsgruppe sollte das der Marker werden, der den Beginn dieses neuen Zeitalters bestimmt. Denn die Atombombentests haben die ganze Welt mit radioaktivem Staub beliefert.

Wie setzt du diesen Gedanken um?
Das ganze Projekt ist eine Acht-Kanal Installation, und dazu gibt es noch eine Performance. Der Hauptraum der Secession hat etwas Kathedralenartiges: Das Deckenbild zeigt ein Foto des Baker Craters, das sich in den mit schwarzem Wasser befüllten elf Meter langen Pools am Boden spiegelt. Man kann sich fragen, ob das ein Friedhof, eine Devastation Zone, eine zwielichtiger Warteraum oder ein Mutantenzuhause ist …

Warum baust du auch noch eine Performance ein?
Ich fand meine Nachforschungen über Plutonium – ausgehend von den Sedimenten bei der Grabung des Wien Museums – so brutal, dass ich fürchtete, keine Sprache dafür finden zu können. Daher wollte ich mit jemandem arbeiten, der diesen Spuren auch mit seinem körperlichen Verhältnis zu den Dingen nachgeht, wie Karin Pauer. Außerdem fiel mir das Thema so schwer, dass ich Freund*innen an meiner Seite brauchte. Neben Karin fand ich Zosia Hołubowska, die den Sound verantwortet, und Sabine Holzer, mit der ich an den Texten arbeitete.

Du kombinierst also viele Inhalte …
Das ist generell meine künstlerische Strategie! Oft suche ich mir ein Element oder einen Geschichtsfetzen aus, der mich interessiert, und dem ich durch verschiedene Archive folge. Diese verschiedensten Eindrücke will ich in meiner Arbeit begreifbar machen. Das Verhältnis zwischen sogenannter „Kultur“ und „Natur“ hat mich schon immer interessiert. Das Anthopozän macht nun diesen Raum auf, in dem der Mensch auf einmal geologische Kraft hat und seinen Umraum stark verändert.

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Du sprichst mit so viel Begeisterung: Neben dem wissenschaftlichen Research scheinen auch viele Emotionen hochzukommen?
Normalerweise versuche ich, mich emotional aus meiner Arbeit rauszuhalten und eine sehr zurückgezogene Position einzunehmen. Aber diesmal … Ich habe für testing grounds mit vielen Betroffenen gesprochen, deren Stimmen ich einbaue. Da ist etwa Karypbek Kuyokov, ein Aktivist, der ohne Arme auf die Welt kam. Er wuchs nahe des Semipalatinsk Test Site auf, wo die Sowjetunion bis 1989 Tests für Nuklearwaffen durchführte. Die Leute wurden überhaupt nicht informiert … Bis heute ist das Testgebiet nicht abgezäunt und das örtliche Waisenhaus mit Kindern mit schweren Geburtsfehlern überfüllt.

Kannst du ihnen durch deine Arbeit eine Stimme geben?
Nicht nur die Atombomben selbst, sondern auch die Tests auf dem Bikini Atoll waren katastrophal. Dort wurden die Menschen zwar auf eine andere Insel gesiedelt, aber während der Tests trug der Wind den radioaktiven Fallout hin … Was erzählt uns das fürs Heute, für das jetzige Aufrüsten? Ich glaube, ich bin einfach selbst erstaunt, wie wenig ich über diese Dinge wusste. Ich will mein Erstaunen teilen.

Was forderte dich an dieser Arbeit besonders?
In anderen Arbeiten verwende ich immer wieder Humor, um die Leute mitzunehmen. Aber das geht bei dem Thema Plutonium einfach nicht: Ich kann nicht zynisch sein, ich kann nicht lustig sein … Weil es einfach nicht mehr lustig ist! Du greifst diese Erdgrabung am Karlsplatz an und weißt, du greifst da gerade ein Partikel vom Bikini Atoll an. Und das Bikini Atoll ist auch in mir, und lass uns mal darüber sprechen, was das heißt! Da fällt es mir schwer zu sagen: „Ach, ich werde mich nur künstlerisch damit beschäftigen“.

Was für Reaktionen erwartest du?
Mein Ansinnen ist es nicht, den Leuten zu sagen: „Setz dich hin und sei berührt!“ Ich will niemanden erziehen oder belehren. Aber wer mitgehen will, soll das tun. Ich bemühe mich, ästhetische Übersetzungsformen zu finden, um Assoziationsräume zu öffnen, um die Dinge vielleicht auch verbundener erscheinen zu lassen.

Oder fassbarer …
… greifbarer, verortbarer. Ich möchte eine sinnliche Wahrnehmung, eine immersivere Erfahrung bieten.

Findest du deine Arbeiten manchmal dystopisch?
Meistens möchte ich ein assoziatives Zukunftsdenken bieten, den Menschen ein bisschen aus dem Zentrum holen. Nur weil unsere Welt untergeht, heißt das nicht, dass die Welt an sich untergeht.

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Ein anderes Projekt von dir war Stones like Us. Dabei geht es um Körpersteine, die du schließlich in einer Höhle ausgestellt hast. Wie kamst du auf diese Idee?
Als ich von der Idee des Anthropozän hörte, hat mich das unheimlich beschäftigt: Was bedeutet es, wenn Menschen geologische Kräfte sind? In dem Zusammenhang fand ich es spannend, dass wir selbst ja auch kleine Planeten in unseren Körpern entwickeln – Körpersteine eben – die zwischen dem Steinischen und dem Menschlichen vermitteln. Auch unsere Knochen sind mit Korallen verwandt! Im Zuge meiner Recherche fand ich heraus, dass der Weddellit der zweithäufigste Körperstein ist, der in Österreich produziert wird.

Was ist ein Weddellit?
Er kann ein Bestandteil von Harnsteinen sein, aber er wurde zum ersten Mal außerhalb des Körpers bei einer Forschungsreise an den Südpol gefunden. Ich finde, das macht so große Räume auf, wenn der kalte Boden das Wedellmeers in der Antarktis und unsere Blasen das gleiche Environment schaffen können, um diese Formen in die Welt zu bringen!

Du machst uns also auf ein paar Wunder der Welt aufmerksam?
Oder eher Verwunderungen über die Welt!

Für dich sind Natur und Kultur nicht getrennt?
Nein, gar nicht. Ich liebe den Punkt, an dem die Disziplinen clashen. Für Stones like Us arbeitete ich mit Sabine Holzer zusammen, wir durften in der Tischofer Höhle die Körperstein-Sammlung Tessadri zum ersten Mal öffentlich zeigen. Es gab dazu Handlungsanweisungen wie „Berühre die Höhlenwand“ oder „Tauche in dieses mineralische Denken ein“ … Es ging darum, wie Körperhöhlen und Steinhöhlen im Verhältnis zueinander stehen. Die Leute blieben stundenlang und kamen am nächsten Tag wieder, das war sehr berührend. Da entstand eine Art Gemeinschaft, und ich dachte, genau das will ich.

Menschen wirklich zu berühren?
Ja. Die Kunst ist oft so knallhart, man befindet sich in Distanz- und Bewertungsverhältnissen. Mit diesen Arbeiten aber hole ich mir meine Energie zurück. Mit diesen Momenten, wo man das Gefühl hat, man teilt etwas, oder man begeistert sich gemeinsam für etwas.

Katrin Hornek, Stone Like Us, 2018, Katrin Hornek in Zusammenarbeit mit Sabine Holzer, Tischofer Höhle im Kaisergebirge im Rahmen von Kunst im öffentlichen Raum Tirol, Performative Installation, Foto: Katrin Hornek, © Bildrecht, Wien 2024


Katrin Hornek, Stone Like Us, 2018, Katrin Hornek in Zusammenarbeit mit Sabine Holzer, Tischofer Höhle im Kaisergebirge im Rahmen von Kunst im öffentlichen Raum Tirol, Körpersteine aus der Sammlung Tessadri, Innsbruck, Foto: Katrin Hornek, © Bildrecht, Wien 2024


Brauchen die Betrachter und Betrachterinnen ein gewisses Vorwissen?
Leute, die viel wissen, also zum Beispiel Physiker*innen, werden manche Projekte wahrscheinlich weniger mögen, weil sie zu emotional sind. Das ist ein Spagat, denn andererseits höre ich oft: „Ich verstehe das nicht“, oder „Muss ich das verstehen?“ Das ist natürlich die große Komplikation.

Wie gehst du damit um?
Bei testing grounds in der Secession bin ich mit Überforderung reingegangen. Neben der Installation gibt es Handhelds in Schildkrötenform, mit denen man Texte und Eindrücke von Betroffenen hören kann. Wer sich das gesamte Material anhören will, braucht drei Stunden. Man sollte aber offen genug sein, um ertragen zu können, dass man nicht alles sofort versteht. Wer sich darauf einlässt, wird jedenfalls etwas mitnehmen. Aber auch wenn man sich nur die Performance ansieht oder nur den Sound und das Deckenbild auf sich wirken lässt, ist das in Ordnung.

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Welche neuen Projekte gibt es?
2025 arbeite ich mit Karin Pauer im Belvedere 21 weiter an dem Secessions Projekt, dazu haben wir eine Folgeförderung des WWTF bekommen. Im September 2024 habe ich in LA im Rahmen des GARAGE EXCHANGE VIENNA – LOS ANGELES eine Ausstellung. Und im Rahmen von Salzkammergut Kulturhauptstadt 2024 zeige ich mein Projekt Plant Plant, einen Film, der in der ehemaligen Ammoniak Fabrik bei Meran die Geschichte der Düngemittelproduktion und ihre planetarischen Verflechtungen betrachtet.

Wie lebt und arbeitet es sich in Wien?
Wirklich gut, finde ich. Ich habe ein Atelier über das BMKÖS bekommen, das mich fördert; ich konnte viele Residencies machen. Wenn ich mich mit Freundinnen und Freunden in anderen Kontexten vergleiche, wird man in Wien wirklich sehr unterstützt.

Katrin Hornek, testing grounds. In Zusammenarbeit mit Karin Pauer, Sabina Holzer und Zosia Hołubowska, Ausstellungsansicht, Secession 2024, Fotos: Sophie Pölzl

Katrin Hornek, testing grounds. In Zusammenarbeit mit Karin Pauer, Sabina Holzer und Zosia Hołubowska, Ausstellungsansicht, Secession 2024, Fotos: Sophie Pölzl

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Katrin Hornek, testing grounds. In Zusammenarbeit mit Karin Pauer, Sabina Holzer und Zosia Hołubowska, Ausstellungsansicht, Secession 2024, Fotos: Sophie Pölzl

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Katrin Hornek, testing grounds. In Zusammenarbeit mit Karin Pauer, Sabina Holzer und Zosia Hołubowska, Ausstellungsansicht, Secession 2024, Fotos: Sophie Pölzl

Interview: Alexandra Markl
Fotos: Christoph Liebentritt

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