Ein „Dinosaurier zwischen zwei Welten“ scheint eine markante Beschreibung für Mladen Bizumic zu sein, der Narrative kreiert, die Vergangenheit und Gegenwart verbinden. Der Künstler arbeitet fotografisch und konzentriert sich auf den Wandel von analoger zu digitaler Fotografie.
Mladen, hast du heute schon in deinem Studio gearbeitet?
Ja, das habe ich. Ich habe am Morgen einige Bilder abgeliefert, die für die Projekte, an denen ich gerade arbeite, notwendig waren. Mein Studio ist eine Art Denkstation – ein Ort, an dem die Dinge ankommen, verändert und sorgfältig durchdacht werden.
Wie kam es dazu, dass du in Wien lebst und arbeitest?
Bevor ich nach Wien zog, lebte ich in Neuseeland. Als ich 2005 hierherkam, blieb ich nur für kurze Zeit; ich pendelte mehrere Jahre lang zwischen Wien, Berlin und Neuseeland. Im Jahr 2011 entschied ich mich, Wien zu meinem festen Standort zu machen, weil ich vorhatte, bei Diedrich Diederichsen an der Akademie der Bildenden Künste in Kulturwissenschaften zu promovieren. Dieses Programm war unglaublich hilfreich für mich. Seit Ende 2011 bin ich auch durch Georg Kargl Fine Arts vertreten. Wien wurde für mich zu einem wichtigen Ort.
Könntest du uns mehr darüber erzählen, was du genau machst? Wie würdest du deine Arbeit beschreiben?
Ich bin ein Künstler, der fotografisch arbeitet. Ich beschäftige mich seit meinem fünfzehnten Lebensjahr mit Fotografie – also seit langer Zeit. Im Grunde genommen mache ich Fotos, die einzigartige Objekte sind, aber mein Hauptinteresse war immer, den breiteren Kontext der Bildproduktion zu verstehen. Im Wesentlichen möchte ich das gesamte für die Fotografie existierende System der Bildproduktion erforschen. Wenn ich über meine Arbeit spreche, dann oft über ganz bestimmte Objekte, weil ich mich gerne auf vorhandene Dinge konzentriere oder auf solche, die mit etwas Sichtbarem zusammenhängen. Ich mache bestimmte unsichtbare Prozesse sichtbar, ich zeige beispielsweise auf, woher die Kameras kommen, oder erzähle, was Fotografie und die Geschichte der Bilderzeugung sind. Ich spreche das in einem breiteren Kontext an, weil ich daran interessiert bin, Kunst in einem größeren kulturellen Zusammenhang zu sehen. Für mich besteht Kunst nicht aus einzelnen Objekten, die ausgestellt werden, um schön oder neu auszusehen, sondern es reizt mich, zu untersuchen, wie Menschen miteinander kommunizieren.
Kannst du angeben, was dein künstlerisches Anliegen ist?
Warum tun wir, was wir tun? Erstens würde ich sagen, dass ich als Künstler viel Kontrolle über meine Zeit und meinen Raum habe, und ich denke, das ist ein großes Privileg. Zweitens konstruiere ich eine spezifische Wahrnehmung, die ein kontinuierlicher Prozess ist. Dennoch hoffe ich, dass die Leute erkennen, dass sich meine Arbeit auf viele andere kulturelle Produktionen bezieht, da ich immer versuche, Dinge zu tun, die so etwas wie eine Meta-Kritik sind.
In welchem Ausmaß können Künstler deiner Meinung nach tatsächlich ihre Umgebung beeinflussen?
Ich denke, dass wir uns als Künstler entweder unter- oder überschätzen – in Bezug auf unseren tatsächlichen Einfluss oder unsere Wirkung. Ich weiß nicht, wo hier die richtige Einschätzung liegt. Ich denke, tatsächlich ist das eine individuelle Entscheidung eines jeden Künstlers. Als Künstler bekommt man tatsächlich viel Sichtbarkeit, eine besondere Art der Sichtbarkeit, weil Menschen Museen besuchen, um Dinge zu erkennen. Das ist eine völlig andere Art der Wahrnehmung, als auf der Straße zu gehen und etwas zu sehen. In Museen trifft der Betrachter die bewusste Entscheidung, hinzusehen oder wegzuschauen, und darin steckt viel Macht.
Wenn du die Chance hättest, Mladen Bizumic zu treffen, was würdest du ihm über seine Arbeit erzählen?
Dass es einfacher ist, zu sagen, dass ich fotografisch arbeite, als zu sagen, dass ich ein Künstler bin, der sich für die Geschichte der Konzeptkunst mit Fokus auf Fotografie interessiert. Hauptsächlich interessiere ich mich für die verschiedenen Möglichkeiten von kultureller Übersetzung, die im Kunstkontext stattfindet, und wie diese von einem Negativ zu einem gedruckten Foto, zu einem gerahmten Objekt führt. Das zeigt, dass all diese verschiedenen Schritte eine Geschichte davor und danach haben.
Gibt es einen Aspekt in deiner Arbeit oder ein konkretes Werkstück, das für dich besonders wichtig ist?
Da gibt es mehrere. Das erste ist ein Werk, das ich 2002 geschaffen habe, ein Modell eines imaginären Museums von der Größe eines Sarges. Ich habe dieses Modell mit allen Details gebaut, und es war mir sehr wichtig, weil ich auf diese Weise anfing, dieses große Ding von außen zu betrachten. Das kleine Museum wurde in verschiedenen Kontexten gezeigt. Ich habe es auf eine Einladung hin, meine Arbeiten auszustellen, gebaut. Und da ich bereits zuvor Werke in einem Museum präsentiert hatte, begann ich über die Bedeutung und den Wert der Einrichtung Museum nachzudenken und darüber, wie es den Dingen, die wir Kunst nennen, Leben einhaucht, aber sie gleichzeitig auch bewahrt. Du kannst Dinge nicht mehr ändern oder neu machen, wenn sie sich in einem Museum befinden. Es ist irgendwie unnatürlich, nicht wahr?
Eine deiner Ausstellungen hatte den Titel „Kodak Employed 140 000 People, Instagram 13“. Was ist deine Meinung zu Instagram? Wie siehst du es aus der Perspektive eines Künstlers?
Ich interessiere mich sehr für Instagram, weil ich denke, dass es neue Bedürfnisse erweckt und einen großen Einfluss darauf hat, wie Menschen sich heute wahrnehmen. Aber alle Instagram-Filter und ihre Sprache basieren auf einer früheren Technologie: Polaroid. Instagram ist mit der Geschichte der Fotografie verbunden, aber Polaroid oder Kodak ist oder war etwas völlig anderes, als es Instagram heute ist. Heute verlieren Fotos, die zum Hochladen aufgenommen werden, fast ihren Wert, sind aber gleichzeitig demokratisch und alle auf einer Ebene. Ich war sehr daran interessiert, zu verstehen, was Instagram im Grunde ist und was es wurde. Der von dir genannte Titel bezog sich auf eine Ausstellung bei MOSTYN in Großbritannien, das Teil des Tate Galeriennetzwerks ist. Ich habe die Arbeit speziell für diesen Kontext gemacht. Großbritannien ist ein Land, in dem im 20. Jahrhundert viele Kameras für Kodak produziert wurden. Für die Ausstellung habe ich einige lokal hergestellte Kameras und viele andere Elemente verwendet, um den Wandel oder die kulturelle Veränderung aufzuzeigen. Ich sehe mich als Dinosaurier zwischen diesen beiden Geschichten: Etwas historisch Wichtiges, aber Vergessenes und etwas sehr Relevantes und Neues für die junge Generation. Auch wenn ich nicht so viel weiß, wie ich über die Geschichte der Fotografie wissen möchte, und die sozialen Medien nicht nutze, stelle ich mit meiner Arbeit eine Brücke dar, die verschiedene Narrative verbindet. Ich denke, dass einige Leute Instagram auf eine sehr interessante Weise nutzen, und es gibt viele Möglichkeiten, dies zu tun. Um ehrlich zu sein, bin ich von Bildern besessen. Deshalb habe ich kein Instagram-Konto, denn wenn ich eines hätte, würde ich zu viel Zeit damit verbringen.
Fotografie als Kunstform wird gelegentlich diskutiert. Glaubst du, dass Fotografie als Medium sich in der zeitgenössischen Kunst verteidigen muss?
Historisch gesehen musste die Fotografie erst einen Platz in der sogenannten bildenden Kunst finden. Es gibt viele verschiedene Anwendungen für Fotografie wie beispielsweise in der Wissenschaft, Bürokratie, Werbung etc. Das heißt, dass Kunst ein kleiner Teil dessen ist, was Fotografie bedeutet, aber deren Rolle in der Kunst hat verschiedene historische Perioden durchlaufen. Neben anderen technologischen Innovationen führte der breite Einsatz der Fotografie in den 1840er-Jahren zu einer neuen Sichtweise. Wichtig ist, dass es ohne die Fotodrucke keine moderne Malerei gäbe, wie wir sie heute kennen. Um auf unsere Zeit zurückzukommen – ich denke, die Fotografie als Bereich zwischen analog und digital ist voller Potenzial.
Gab es für dich jemals einen Traumjob – eine Alternative zur Kunst?
Als ich jung war, wollte ich Basketballspieler werden. Bevor ich zur Kunst kam, studierte ich Medizin, aber ich bemerkte bald, dass ich eigentlich nicht Arzt werden wollte. Künstler zu sein, ist letztlich mein Traumjob, weil ich es wahr gemacht habe.
Künstler sind ein integraler Bestandteil der Kunstwelt und deren Dynamik. Hast du Lust, an einem Wettbewerb teilzunehmen?
Ich konkurriere nur mit mir selbst. Da Kunst Wünsche produziert, gibt es viel Rauch und Spiegel, und ich denke, es wäre nützlich, wenn die Menschen über Dinge wie Umgang, Lebensstile und Ängste transparenter wären. Ich fürchte aber, dass die Kunstwelt, wie wir sie kennen, ohne sie nicht das wäre, was sie ist! Gleichzeitig denke ich, dass die Kunstwelt ein wunderbarer Ort ist, aus dem sich absolut wunderbare Freundschaften entwickeln können. Ich habe das Gefühl, Teil eines Netzwerks mit anderen Künstlern, Kuratoren, Galeristen und Sammlern zu sein. Das gibt meiner täglichen Praxis einen Sinn.
Wo findest du Inspiration?
Ich finde Inspiration darin, meinen Tagesrhythmus zu ändern. In Momenten der Entspannung oder wenn ich nicht wirklich nach etwas suche, öffnen sich die Dinge irgendwie. Deshalb bin ich sehr daran interessiert, verschiedene Orte zu besuchen, an denen ich Dinge sehe, die meine Aufmerksamkeit erregen. Ich kann Notizen machen oder ein Handyfoto, um später mit meiner Groß- oder Mittelformatkamera zurückzukehren, zu fotografieren und damit zu arbeiten.
Wie wichtig ist Erneuerung im künstlerischen Schaffen?
Technologische Veränderungen bedeuten, dass es keinen Sinn mehr macht, genau das Gleiche wie in der Vergangenheit zu tun, da sich auch die sozialen, wirtschaftlichen und technischen Bedingungen laufend ändern. Ich habe mich entschieden, nicht gegen den Wandel zu kämpfen, sondern ihn anzunehmen, weil er natürlich ist und man sich damit auseinandersetzen muss. Deshalb arbeite ich in laufenden Serien. Die KODAK-Reihe zum Beispiel hat 2012 begonnen – fünf Einzelausstellungen in fünf verschiedenen Ländern, siebzig Werke in verschiedenen Kontexten. Für mich ist dies wie eine laufende Arbeit, mit der ich mich beschäftige. Es gibt auch andere Serien und Stücke, die sich gegenseitig beeinflussen, wie ALBUM, SONNTAG oder MOMA’S BABY. Der konsequente Aspekt für mich ist, dass es um Bilderstellung, Technologie und Fotografie geht.
Gab es in deinem Leben ein bestimmtes Ereignis oder eine bestimmte Person, die einen großen Einfluss auf dich hatte?
Das grundlegendste Ereignis in meinem Leben war die Verlegung meines Wohnorts. Diese Reise zwischen den Orten definiert mich irgendwie als Künstler und als Mensch.
Interview: Rebecca Akimoto
Fotos: Christoph Liebentritt
Links: Georg Kargl Galerie