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Muntean/Rosenblum, Wien

In the Studio

»Malerei ist unsere Obsession.«

Seit 1992 sind Markus Muntean und Adi Rosenblum ein Künstlerduo. Als Konzeptkünstler führen sie in ihren Zeichnungen, Gemälden, Performances und Installationen Motive der Kunstgeschichte und der Populärkultur zusammen. Hier spielen sie fortwährend mit Lebensstilen einer jugendlichen Gesellschaft, einer, die niemals alt werden möchte. Mit der Aneignung und Verflechtung von Bildern unterschiedlicher Quellen reflektieren sie auf kritische Weise, vor allem mit der figurativen Malerei, eine (mediale) Welt der Beeinflussbarkeit.

Adi, Markus, wie seid ihr zur Kunst gekommen?
Adi: Ich habe schon als Kind gemalt und war einfach von Kunst fasziniert … Daher war es seit Beginn an eine romantische Idee, Malerin zu werden, inspiriert von Meistern wie Caravaggio. Ich bin in Israel aufgewachsen. Es gab sehr wenige Originale in Museen zu sehen, es gab auch noch nicht so viele Wanderausstellungen, aber diese sehen zu können war sehr wichtig für mich. Von Anfang an stand die figurative Malerei bei mir im Vordergrund. Es gab zwar Zeiten, wo ich etwas anderes probiert habe, aber am Schluss stand die Entscheidung für die figurative Malerei. Sie schafft für mich eine spezifische Metaebene – der gemalte Blick kann emotional stärker bewegen und geheimnisvoller sein als jede echte Situation.

Markus: Für mich gibt es zwei Hauptstränge; einerseits sehr früh die Erkenntnis, gesellschaftliche Erwartungen nicht erfüllen zu wollen und sich in einem positiven Sinne als Außenseiter zu sehen, und andererseits ein früh entwickeltes Interesse für die künstlerische Praxis. Das ist eigentlich ganz einfach und fast klassisch. Es gab nicht eine Erleuchtung, sondern es war eher so wie bei Adi die Begegnung mit Bildern.

Ihr habt an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert und euch 1992 als Künstlerduo zusammengetan. Wie kam es dazu?
M: Wir haben uns ein Atelier geteilt, und es gab diese Periode des Nebeneinander-Arbeitens, wo jeder für sich Werke produziert hat. Aber dann ist es organisch langsam zusammengewachsen, sodass man eingegriffen hat in die Arbeit des anderen oder dass es zu Überschneidungen kam. Es ist ein Glücksfall, auch wenn es Diskussionen im Vorfeld in der Bildfindung gab, aber sonst gab es nie ein Fragezeichen. Und dadurch war es überhaupt erst möglich, diese Zusammenarbeit zu beginnen.

A: Als wir uns kennengelernt haben, war es auch die große Liebe und wir haben uns für das Gleiche interessiert und gemeinsame Ziele gehabt.

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Wenn über euch gesprochen wird, heißt es oft „ein Werk zwei Künstler“, „vierhändige Malerei“ oder „doppelte Autorschaft“. Wie steht ihr dazu?
A: Wir haben zu einer Zeit studiert, Ende der 80er-Jahre, als es damals diesen Kult um Malerfürsten gab, und wir fanden das lächerlich. In den 90ern war die Kunst von konzeptuellen Ansätzen dominiert und die Malerei eher in den Hintergrund getreten, aber wir haben trotzdem unsere malerische Praxis weiter verfolgt. Und dann hatten wir das Gefühl, wenn wir eine Persona erfinden, die im Vordergrund steht, erlaubt uns das, diesem „Geniekult“ zu entkommen.

M: Ich bin erstaunt über die Hartnäckigkeit dieser Künstlerklischees wie zum Beispiel die Spontanität, das Sich-Ergießen über die Leinwand. Diese neue Persona ist bei uns eine gewachsene Struktur und passt auch in unser Konzept wie die Hinterfragung der zeitgenössischen Ich-Struktur, was ist das Ich überhaupt, denn wir malen ja Porträts, aber sind es wirklich Porträts …? Es ist ein Spiel mit Identitäten, und wir haben einen Signaturstil entwickelt, der von zwei Personen praktiziert wird.

Das heißt, es gab für euch niemals den Gedanken an einen Identitätsverlust?
A: Nicht wirklich, sonst hätten wir das nicht machen können. Im Endeffekt sind es Entscheidungen, und ich glaube sogar, dass das Ego eine Verhinderung von guter Kunst ist und dass die Zusammenarbeit hilft, dass man schnell von diesem Egotrip wegkommt und sich eher auf das konzentriert, was wirklich essenziell ist. Jeder von uns weiß, wo seine Stärke liegt, das heißt, man kann ruhig zugeben, dass der andere in bestimmten Dingen besser ist, und das ist gut so. Wir kennen unsere Kapazitäten und wir sind selbstsicher genug. Wir haben nie das Gefühl gehabt, dass wir uns verwirklichen müssen im Sinne von: Das bin ICH. Das hat uns nie interessiert. Wie Markus bereits meinte, es ist teilweise eine romantische Vorstellung davon, was der Künstler ist oder macht. Man gestaltet diese Persona, auch wenn man alleine arbeitet, und wir machen es zusammen.

M: Stimmt, da gab es nie große Zweifel. Natürlich gibt es einen Spielraum, aber es gab nie einen Identitätsverlust. Natürlich gibt es eine Identität, aber die ist zusammengesetzt aus vielen Ebenen, und das macht es interessant. Wir haben diese Persona geschaffen, und so eine Signatur, einen individuellen Stil. Es gibt sozusagen uns zwei, und dann gibt es diesen Stil, der existiert, und der hat auch eine Identität. Es kommt eher noch eine Identität dazu.

MAC Muntean Rosemblum XP 20 087529

This Is Not an Exit , 2018, MAC Museo de Arte Contemporáneo, A Coruña, Spanien

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Der Mensch steht bei euch im Mittelpunkt, aber es wird durchaus gesagt, dass ihr nur perfekte und schöne Menschen zeigt. Steckt da nicht vielmehr eine Kritik von euch an unsere Gesellschaft dahinter?
A: Das ist durchaus kritisch. Wir spiegeln unsere kollektive visuelle Selbstwahrnehmung wider. Diese vermeintliche Glätte ist aber nur eine Ebene, andererseits ist da etwas, was die Malerei kann, sie evoziert einen Bruch und bringt eine Tiefe. Deswegen verwenden wir auch Malerei und nicht Fotografie. So strahlen die Figuren eine Melancholie und Verlorenheit aus. Hier ist das Prinzip der Ambiguität wichtig. Was wir seit frühester Zeit versuchen darzustellen, ist das Gefühl, dass die ganze Gesellschaft infantiler wird. Unsere ganze Kultur wird zu einer jugendlichen Kultur. Es ist interessant, wie Menschen auf Instagram wie kleine Kinder vor der Kamera hüpfen und blöde Dinge machen … Wir leben in einer Gesellschaft der ewig Heranwachsenden.

M: Aber auch wenn man sich die Kunstgeschichte anschaut, sind fast alle Figuren, die gemalt werden, jung und hübsch, es war schon immer so, wir haben diese Selektion an schönen Menschen nicht erfunden, sondern führen sie in einer kritischen Form aus.

Was bedeutet das genau für eure Kunst, diese immerwährende Jugendlichkeit aufzugreifen und zu thematisieren?
M: Diese Selektion des Repertoires dient auch dazu, eine Grenze zu jeglicher Form der „Genre-Malerei“ zu ziehen. Daher sind uns auch die Hintergründe so wichtig, welche wir verwenden. Wir haben unser Repertoire an urbanen und landschaftlichen Elementen, aber die sind auch individuell und gleichzeitig auch wieder nicht. Auch bei den Figuren, es sind Porträts, es sind eindeutig Individuen feststellbar, mit individuellen Zügen, aber auch gewisse Stilisierungen. Das Jugendliche ist in diese Richtung zu verstehen und nicht der Versuch, sich eine Jugendkultur anzueignen, sondern eine zeitgenössische Formulierung der figurativen Malerei zu finden. Wir sehen uns als konzeptuelle Künstler. Darum verwenden wir zeitgenössisches visuelles Material, welches diese Form von geglätteter Jugendlichkeit liefert. Wir versuchen aber eine Gegenläufigkeit im Material selbst zu produzieren, Motive der Vergänglichkeit und des „Memento mori“ einzuführen. Wie Paul Celan sagte: Man kann nicht über die Zeit hinweggreifen, man kann nur durch sie hindurchgreifen.

A: In unserer postreligiösen und turbokapitalistischen Gesellschaft ist Vergänglichkeit fast wie weggewischt, so, als würde es ewig weitergehen. Das Alterslose und Jugendliche, wie auf den Bildern in sozialen Medien, auch durch die Verwendung von Filtern, ist wie ein Schild oder eine Rüstung gegen die Vergänglichkeit, so, als würde man nicht mehr sterben. Man lebt nicht wirklich und man stirbt nicht wirklich, und das ist so der Zeitgeist. Das ist eine Grundstimmung, die vermittelt wird, und das ist das Gefühl, welches wir aufgreifen und weiter vermitteln wollen in unserer Kunst. In dieser zeitgenössischen visuellen Kommunikation stehen die Perfektion des Körpers und die glatte Oberfläche im Vordergrund; umso mehr versiegelt man aber das Innere – anscheinend braucht man sich so vor dem Tod nicht mehr zu fürchten.

M: Richtig. Und das ist das zeitgenössische Material, das ist das, was allgegenwärtig und überwältigend stark ist, der geglättete Mensch, und wir benutzen das Material teilweise in dieser Gegenläufigkeit, was nicht heißt, dass wir da einem Ideal nachlaufen, sondern es ist ein Spiel mit Ambiguitäten. Es gibt einen gewissen Realismus, aber gleichzeitig verringert man das Spektrum innerhalb dessen ganz bewusst.

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Ihr drückt eure Themen, wie jene der Vergänglichkeit, vor allem in der figurativen Malerei aus. Wie macht ihr das, welchen Ansatz verfolgt ihr?
A: Der Diskurs über figurative Malerei ist leider sehr beschränkt. Es wird nur über das Was diskutiert, aber das damit untrennbar verbundene Wie wird kaum angesprochen, es wird im besten Fall als Sekundärphänomen erwähnt.

M: Das stimmt. Leider wird das Wie am wenigsten diskutiert. Die Transformationskraft der figurativen Malerei wird leider total unterschätzt. Es ist uns wichtig, welche Richtung man im Handwerk anlegt, was man benutzt, welchen Stil, welchen Gestus … Die Malerei ist unsere Obsession.

A: Wir haben sehr viele Experimente gemacht und unseren Strich gemeinsam entwickelt. Vor etwa sieben Jahren haben wir eine eigene Form der Mischtechnik entwickelt, die Öl und Pastellkreide in einer neuartigen Form kombiniert. Die Kreide verstärkt durch ihren Pulvercharakter die Reflexionskraft des Lichts und erlangt neue Intensitäten der Illuminationswirkung.

M: Und es gibt diese Tendenz, zu sagen, es braucht die figurative Malerei wegen der Fotografie nicht, was absurd ist. Wir sehen uns durchaus als Maler, die auch mit anderen Medien arbeiten, wie Film, oder installativ vorgehen, und das ist für uns eine Art von erweiterter Malerei. Als konzeptuelle Maler geht es uns um eine Gesamtinszenierung.

Wie können wir uns euren Arbeitsprozess vorstellen?
A: Wir sind fast immer am Arbeiten, die Recherche und das Erstellen der Bildkompositionen am Computer stellen einen ebenso großen Teil des Arbeitsprozesses dar wie das eigentliche Malen selbst. Wir befassen uns auch mit den vielen Zeitphänomenen auf Social Media, wie Menschen sich darstellen und sehen. Diese diversen Streams und appropriated Images sind Quellen für Bildkompositionen. Aber wir machen auch eigene Fotosessions mit Models im Studio und schaffen Inszenierungen. Wenn wir uns entscheiden, ein Bild zu malen, dann haben wir eine Rahmenidee für das Szenario, eine Zusammenfügung unterschiedlicher Bilder.

M: Im Idealfall ist es gemischt, und wir verbinden unsere Studioaufnahmen mit Found Footage, denn gewisse Dinge kann man fast nicht nachstellen. Wir machen dann ein oder zwei Entwürfe am Computer und projizieren die groben Umrisse auf die Leinwand. Und dann fangen wir an, gemeinsam zu malen, einer fängt an, und der andere kommt dazu. Es gibt vier oder fünf Phasen und wir wechseln uns ab. Also arbeiten wir eher in Schichten.

A: Genau, oder der eine mischt die Farbe, und der andere trägt sie auf und umgekehrt.

Untitled („Each word is a chemistry...“), 2018,Pastellkreide, Öl/Leinwand, 212 x 286 cm

Untitled („The unexpected sometimes...“), 2022, Pastellkreide, Öl/Leinwand, 193 x 141 cm

Eure Bilder tragen keine Titel, aber es gibt Textfragmente in den Malereien. Welche Bedeutung haben diese?
M: Der Text ist kein Titel und keine Erklärung des Bildzusammenhangs. Er bildet eine eigene Ebene und soll ein weiteres Feld an Konnotationen erschließen.

A: Wir archivieren sehr viele Sätze aus Büchern und Filmen, Sätze, die uns interessieren. Die Sätze sollen eine bestimmte Atmosphäre, einen spezifischen „Geschmack“ vermitteln, der zwischen poetischen Beobachtungen und allgemeinen aphoristischen Lebensweisheiten angesiedelt ist.

Ganz allgemein gefasst, was bedeutet Kunst für euch? Was sollte sie bewirken?
A: In unserem postmetaphysischen Zeitalter stellt die Kunst eine der letzten Metaebenen dar, die eine heilsame Distanz zu den unmittelbaren Lebenszusammenhängen ermöglicht.

M: Im Grunde dient die Kunst dazu, das Leben erträglicher zu machen. Letztendlich geht es in der Kunst darum – weil sonst ist sie wirklich sinnlos –, Menschen zu bewegen und Emotionen auszulösen in einer vertretbaren zeitgenössischen Form und in diesem Sinne das Leben zu bereichern.

Wenn wir beim Konsumieren von Kunst bleiben, wie ist es, wenn eure Werke das Studio verlassen? Habt ihr Erwartungen?
A: Schlimm für uns wäre, wenn wir nicht die Möglichkeit hätten, auszustellen. Aber auf keinen Fall möchten wir bewundert werden. Das ist uns nicht wichtig. Tatsächlich ist es so, wenn wir ein Bild fertiggemacht haben, ist das weg von uns …

M: Es freut mich, wenn ich nach zehn Jahren ein Bild wiedersehe, aber es ist nicht so, dass mich das Schicksal der Arbeiten so sehr interessiert. Letztendlich macht man Kunst für sich selbst und glücklicherweise spricht sie, wie in unserem Fall, die Menschen an.

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Untitled („We don’t get to…), 2015, Pastellkreide, Acryl / Leinwand, 285 × 405 cm

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Untitled (There are dead stars…), 2018, Pastellkreide, Acryl / Leinwand, 280 × 380 cm

Retrospektiv betrachtet, denkt ihr, dass heute anders auf ältere Arbeiten von euch geschaut wird?
A: Definitiv. Ich denke, dass wir wirklich gewisse gesellschaftliche Entwicklungen in unseren Arbeiten vorweggenommen haben.

M: Eine der Hauptfragen war immer darauf gerichtet, dass die Figuren so isoliert stehen, jede steht für sich allein, die kommunizieren nicht und wirken verloren … Und jetzt? Heute sitzt man mit Freunden an einem Tisch und jeder hat sein Smartphone in der Hand. Jetzt kommt diese Frage überhaupt nicht mehr. Die Frage und der Vorwurf sind verschwunden.

A: Vieles, was damals als negative Kritik gekommen ist, hat uns unterstellt, ein flüchtiges Zeitgeistphänomen mit baldigem Ablaufdatum zu formulieren. Im Nachhinein hat sich dann herausgestellt, dass es sich um nachhaltige Massenphänomene handelte, die unsere Gegenwart noch immer prägen.

Woran arbeitet ihr derzeit, worauf können wir uns freuen?
A: Wir sind immer in einem Schaffensprozess und probieren Sachen aus, wie die Beschäftigung mit Meta-Humans, also mit virtuellen computergenerierten Figurationen, aber das ist noch eine sehr neue Idee.

M: Wir hatten ständig betont, dass Porträtaufträge mit unserem Konzept nicht zu vereinbaren sind. Aber nun haben wir einen Ansatz entwickelt, der uns genau das ermöglicht: Er fußt auf dem Konzept eines erweiterten „Selfie-Materials“, das uns die Auftraggeberin oder der Auftraggeber zur Verfügung stellt. Dieses bauen wir dann in unsere malerische Welt ein und die daraus entstehenden Bilder fügen sich nahtlos in unsere anderen Gruppenkompositionen ein.

A: Und wir beschäftigen uns mit der Ausstellung in der Albertina, Hauenschild Ritter – Muntean/Rosenblum, die im Oktober öffnet. Das freut uns, und es wird hoffentlich eine interessante Show mit einer guten Mischung von Bildern und Zeichnungen aus verschiedenen Perioden. Es werden Werke aus der Sammlung, internationale Leihgaben und auch ganz neue Arbeiten gezeigt.

A New Age: The Spiritual in Art, Tel Aviv Museum of Art, 2019

Glaube, Liebe , Hoffnung, Kunsthaus Graz, 2018

Interview: Marieluise Röttger
Fotos: Maximilian Pramatarov

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