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Nana Mandl, Wien

In the Studio

»Mir geht es um die Umwandlung in etwas, das haptisch ist oder andere greifbare Eigenschaften hat.«

In ihren farbenfrohen und komplexen Collagen verschmilzt die bildende Künstlerin Nana Mandl analoge und digitale Bilder zu vielschichtigen Kunstwerken. Indem sie Elemente sowohl aus persönlichen Erinnerungen als auch aus kollektiven kulturellen Bezügen einbezieht, schlägt Mandl in ihren Werken eine Brücke zwischen individuellen Erfahrungen und breiteren gesellschaftlichen Erzählungen. Die taktile Beschaffenheit ihrer Kunst, einschließlich Stickerei und Textilmanipulation, dient als Kontrast zur schnellen digitalen Bildproduktion. So bietet Mandl eine einzigartige Perspektive auf die Überschneidung von persönlicher und kultureller Erinnerung im digitalen Zeitalter.

Nana, wie würdest du deine Arbeit jemandem beschreiben, der nichts darüber weiß?
Ich mache Mixed-Media-Arbeiten; ich komme zwar aus der klassischen Malerei, aber eigentlich mische ich gerne abstrakte und figurative Elemente. Darüber hinaus geht es mir auch sehr viel um die Mischung von Materialien bei der Erstellung der Bilder. Und was mich außerdem interessiert, sind installative Situationen, also wirklich einen ganzen Raum zu bespielen, mit dem Boden und der Wand zu arbeiten, aber auch mit Elementen wie Möbeln und Mode. Es geht mir um eine Bilderflut und teilweise Elemente einer digitalen Ästhetik, einer Überreizung oder einer Gleichzeitigkeit von Dingen, das sind so die Themen.

Wie begann dein Interesse an Kunst?
Schon sehr früh. Ich kann mich gar nicht an eine Zeit erinnern, wo sie mich nicht interessiert hat. Ich habe immer gezeichnet, gemalt oder gebastelt, aber auch dekoriert … Meine Eltern haben mich dann einfach sehr früh gefördert. Ich hatte zwar keine Vorbilder, in unserem Bekanntenkreis gab es keine Künstler*innen, das war also nicht ein Beruf, von dem ich dachte, dass das geht, aber meine Eltern haben mir immer gesagt: „Nein, nein, du wirst eh Künstlerin“ (lacht).

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Du hast an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee studiert und dein Diplom in bildender Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien erhalten. Wie haben dich diese Schulen und Orte künstlerisch geprägt?
Ich habe das Gefühl, dass mein Jahr in Berlin prägender war oder ich dort mehr gelernt habe als die restlichen fünf Jahre, die ich in Wien gemacht habe, weil einfach diese Diskussionsbereitschaft, auch schon bei den ganz jungen Studierenden, da war. Es gibt eine Art Feedbackkultur, die geht mir in Wien total ab. Und auch wenn ich jetzt noch mit Studierenden rede, merke ich, dass es immer noch so ist: Es fehlt ein ehrlicher Austausch, denn dieser wird auch nicht gelehrt. In Berlin war es gang und gäbe, dass man unemotionaler über die Arbeit reden kann.

Berlin hat dir also gute Werkzeuge für deine künstlerische Entwicklung mitgegeben?
Ja, oder vielmehr eine gute Auseinandersetzung mit dem Inhalt. Was mir hängen blieb, ist die Konzentration auf das Wesentliche, worum geht es bei den einzelnen Bildern, was ist ein neuer Aspekt, und das dann vielleicht eher zu kombinieren, als immer wieder in diese Wiederholung zu kommen. Ich brauche doch nicht drei Werke auszustellen, die dasselbe sagen, vor allem wenn es um einen limitierten Raum geht.

Wolltest du unbedingt in Wien studieren?
Es war das Naheliegende. Ich bin in London aufgewachsen. Für mich war Graz eigentlich schon dieses Dorf, das irgendwie ganz schlimm war, und dann war es logisch, nach Wien zu gehen. Mich hat es sogar eine Zeit lang nach Paris gezogen, aber da waren die Aufnahmeprüfungen zu früh im Jahr, sodass ich sie verpasst habe. So habe ich mich in Wien beworben und wurde angenommen.

Mittlerweile ist Wien dein Standort. Wie nimmst du die Szene wahr? Welche Potenziale hat die Stadt für dich?
Ich bin eine Eigenbrötlerin geworden und gar nicht so up to date in allem, was passiert, aber es ist auf jeden Fall als junge Künstlerin sehr einfach, hier zu leben: Es ist Geld da, es sind Chancen da, man ist sehr schnell vernetzt, weil es eine recht kleine und überschaubare Szene ist, und es bietet einem recht viele Möglichkeiten von Anfang an. Ich weiß noch, wie ich nach Berlin kam, und viele waren überrascht, dass ich schon Werke verkauft hatte. In Wien war das ganz normal, auch schon am Anfang des Studiums, wo man bereits teilweise Sammler*innen hat und auch ausstellt. Aber es könnte einfach mehr passieren, auch so Initiativen für Künstlerhäuser, die Bestand haben, wie das WUK. Ich finde es demotivierend, wenn nichts von Bestand ist.

Du beschäftigst dich mit Bilderfluten, unter anderem aus den digitalen Medien. Woher kommt dieses Interesse, wie hat es sich entwickelt?
Ich habe sehr viele digitale Skizzen für die Malerei gemacht und so ein digitales Archiv aufgebaut. Mir ist dann aufgefallen, dass es einerseits eine Ästhetik gibt, die sich nur im Digitalen abspielt, die ich gar nicht im Malerischen umsetzen kann, und andererseits kam es mir dann absurd vor, es zu kopieren, wenn das Material selbst eigentlich das ist, was ich benützen möchte. Dahingehend ging es mir um eine Kombination verschiedener Geschichten und Bilder; ich habe Bilder gesehen und mir gedacht, damit möchte ich arbeiten, ich möchte es gar nicht so verfremden, sondern wirklich dieses Bild nehmen und in eine Komposition mit anderen Bildern oder mit anderen Sphären stellen.

Wie ist dann der weitere Prozess?
Durch dieses Immer-weiter-Suchen entsteht automatisch eine Bilderflut; man ist an sich ja schon total überladen, wenn man sich in der digitalen Welt bewegt. Dazu kommt eine Gegenüberstellung, eine Diskrepanz zwischen Weltlichem und Superprivatem hinzu; das spiegelt sich ganz stark in den digitalen Medien wider, von Nachrichten aus aller Welt bis hin zu personalisierten Adds. Oder dass man alle Tabs am Rechner offen hat, die sich überlappen und gleichzeitig existieren … All das fasziniert mich und kommt so immer wieder in meinen Werken vor, eine Art Schichtung oder Überlagerung, aber auch ein Nebeneinander- oder Übereinanderstehen von Dingen. Und der Versuch, das greifbar zu machen, indem es in das Materielle gebracht wird und so auch sichtbar wird, mit der Frage, wie kann das alles gleichzeitig, auch diese Themen, existieren.

Es handelt sich also um eine Übersetzung von digitalen Themen in eine analoge Erfahrungswelt?
Schon. Ich spiele oft mit dem Gedanken, ob es im Digitalen bleiben könnte, aber das wäre für mich einfach nicht befriedigend. Als haptischer Mensch ist es nicht mein Werkzeug oder meine Herangehensweise, es dort zu lassen. Ich brauche den Kontrast, denn diese ewig glatte, smoothe, gephotoshoppte Oberfläche birgt für mich viele Gefahren und ist nicht mein Zugang zur Welt. Und das reinzuholen in etwas nicht Glattes, sondern in etwas Haptisch-Greifbares, das interessiert mich.

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In vielen deiner Collagen verwebst du Materialien wie alte Sticker, die an die eigene Jugendzeit erinnern, aber auch Stoffe. Wie findest du diese?
Überall. Ich bin auf jeden Fall eine Sammlerin. Einerseits habe ich mein digitales Archiv, was aber in den letzten Jahren weniger geworden ist, und dann eine Stickersammlung aus den 80ern und 90ern, teilweise von meinen Schwestern, aber auch von mir, und dann einfach alle möglichen Magazine, also Bilder, die ich so finde und ausschneide und aufhebe. Auch sind es Dinge, die ich auf der Straße finde oder die mir irgendwie so zukommen … Auch bei den Stoffen ist es ganz unterschiedlich. Teilweise benutze ich Dinge, die ich schon habe, so alte Klamotten, die ich nicht mehr anziehe, wo die Stoffe aber sehr interessant sind, oder ich kaufe etwas. Es ist eine Sammlung von überallher. Ich merke auch, dass ich, bevor ich Dinge wegschmeiße, erst einmal untersuche, was kann ich noch benutzen, um so kleine Elemente zu finden, die ich in meine Skulpturen einbauen kann.

Wie kommt es von deiner Sammlung zu einem Werk von dir?
Oft ist es so, dass mich ein Bild wahnsinnig anspricht; es ist selten eine weiße Leinwand, von der ich ausgehe. Eine Textilie, ein Bild …, von dem gehe ich aus, und dann ist es eine Frage, wo stehe ich gerade, wird es eine Collage und bleibt es auf dieser Papierebene, oder wird es vielleicht ins Stoffliche umgesetzt. Es sind Themen und Formen, die mich interessieren, die ich dann unterschiedlich kombiniere, auch wie ich etwas abstrahiere oder weglasse; so entsteht Stück für Stück ein Bild.

Du meintest einmal, Kunst sollte nicht nur an der Wand bleiben, sondern in den Alltag integriert werden …
Ich finde es schade, wenn Kunst nicht in den Alltag übergeht. Mich fasziniert das bei anderen Leuten zu Hause, die dann einfach so kleine Arrangements haben; es ist eine Art Achtsamkeit, mit der Welt, in der wir uns bewegen, umzugehen. Und man kann alles mit Kunst überziehen, es geht nicht nur um Bilder an der Wand, sondern auch um Stühle oder Polster. Ich finde es schön, wenn sie so integriert wird und nicht alles auf eine Funktionalität beschränkt wird.

Deine Werke wirken tatsächlich sehr verspielt und einladend; ist im Ausstellungskontext Interaktion gewünscht?
Es macht mir auf jeden Fall große Freude, wenn das passiert. Ich merke aber auch, dass die Menschen große Hemmungen haben. Es ist immer etwas Spannendes, also gerade so Objekte zu machen, die man benutzen kann und die diese Schnittstelle haben zwischen: Kann ich mich jetzt auf den Stuhl setzen oder ist es ein Kunstobjekt? Oder die Tasche, darf ich die benutzen, oder ist sie nur eine Skulptur, die ich hinstelle? Ich mag dieses Spiel und auch diese Unklarheit, weil ich manchmal selber nicht ganz klar darüber bin, denn für mich ist es oft beides.

Gibt es etwas, was die Menschen sehen, fühlen oder erleben sollen?
Nein (lacht). Ich finde es immer sehr spannend, zu hören, was sie sehen, fühlen und erleben, und wenn sich das mit meinem Empfinden deckt, fühle ich mich sehr verstanden. Aber ich würde es nicht vorgeben wollen. Da finde ich die Kunst so spannend, dass es diesen Freiraum und diese Interpretationsmöglichkeiten gibt. Und gerade so, wie ich arbeite, mit vielen verschiedenen Materialien, Medien und auch Bildern, da gibt es sehr viel Platz für Interpretationen und Geschichten. Und das verändert sich ja auch mit den Jahren, auch gegenüber meiner eigenen Arbeit, denn auf einmal kommen auch bei mir ganz andere Assoziationen, schon alleine, weil ich mich verändert habe.

Neben Skulptur und Collage spielt auch die Poesie eine große Rolle bei dir …
Ich sehe Text als eine Erweiterung von dem malerischen Raum. Das ging von einer Frustration ganz am Anfang des Studiums aus, dass man zum Beispiel ein Artist Statement braucht und sich in Sprache ausdrücken muss. Damit haben viele Künstler*innen zu kämpfen, mit der Auseinandersetzung, ich male, wie soll ich das nun in einer Sprache umsetzen? Ich dachte mir, ich möchte das gar nicht sehen als etwas, was es beschreibt, was ich mache, sondern vielmehr, was es erweitert oder was ich in meinen Bildern vielleicht nicht so sehr ausdrücken kann, aber mich trotzdem beschäftigt. So kam durch das Schreiben eine neue Seite dazu. In meinen Gedichten geht es mir schon um ernste Themen, aber nicht in einem leidenden Ton; es ist eher eine leichte Art, mit Text umzugehen und einen spielerischen Zugang zu haben, den ich lange gesucht und mittlerweile gefunden habe.

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Du bist zudem Gründungsmitglied und mitwirkend im international agierenden Künstlerinnen-Kollektiv CLUB FORTUNA. Was sind eure Anliegen?
Xenia Lesniewski hat es inszeniert mit dem Gedanken, einfach Spaß zu haben und gemeinsam etwas zu schaffen, was total frei ist und wobei wir viel interaktiver mit dem Ausstellungskonzept umgehen können. Am Anfang waren wir zu fünft, mit unterschiedlichen Künstlerinnen, die auch ganz anders arbeiten, aber es hat sich immer befruchtet. Über die Jahre gab es immer wieder Wechsel, aber dennoch hat sich eine Handschrift entwickelt. Es geht uns darum, interaktive Situationen zu schaffen, denn alleine arbeite ich gar nicht performativ, aber im Kollektiv und in diesem geschützten Rahmen ist viel mehr möglich, auch viel größere und konzeptuelle Projekte.

Das Kollektiv steht dir als Künstlerin also nicht im Weg?
Zeitlich schon (lacht). Wir sind jetzt zu viert und drei von uns haben Kinder; das eigene künstlerische Schaffen, das kollektive Schaffen und alles andere unter einen Hut zu bringen, ist manchmal schon sehr herausfordernd. Ansonsten habe ich das Gefühl, dass sich jede gut einbringen kann, auch mit ihrer eigenen Ästhetik und ihren eigenen Ansätzen. Und dass es dann eher wieder was Neues wird und nicht hereingrätscht in das Eigene, weil es sonst überhaupt keinen Spaß machen würde.

Was motiviert dich, immer weiterzumachen?
Es ist ein innerer Drang da, zu schaffen mit dem Versuch, Dinge zu begreifen. Ich hatte unlängst ein Gespräch über die Gegenüberstellung von Naturwissenschaft und Kunst, und es gab diesen Moment, dass sie eigentlich sehr ähnlich sind, denn es geht um dieses Nichtverstehen oder Nichtwissen und aus diesem Nichts oder leeren Raum etwas Neues heraus zu schaffen. Das finde ich eigentlich total schön, von dieser Beschreibung über Kunst auszugehen, weil ich das Gefühl habe, es geht nicht nur um den Produktionswillen, sondern wirklich auch darum, etwas zu erkunden. Ich finde, es gibt nichts Langweiligeres als ein repetitives Verfahren, also wenn ich ein Bild gemeistert habe, das dann zu wiederholen … Das kann man für eine gewisse Zeit machen, aber dann wird es unendlich langweilig. Das ist für mich nicht der Sinn der Kunst, nur eine Technik oder Methode zu finden und da dann endlos zu bleiben, sondern immer wieder das Neue zu sehen und neue Sphären zu erkunden.

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Im Herbst hast du eine Einzelausstellung bei der Galerie Kandlhofer. Um was wird es gehen?
Momentan arbeite ich vor allem an Textilarbeiten, also mit einer traditionell sehr weiblich konnotierten Technik. Die Motive sind fast ausschließlich Spiegelselfies von Müttern mit ihren Kindern. Ich habe mittlerweile eine ganz fantastische Sammlung aus meinem privaten Umfeld. Und diese recht neue Form der Selbstdarstellung fasziniert mich ungemein, vor allem in den sozialen Netzwerken. Schließlich wird der Moment festgehalten, um ihn zu teilen. Dieser Moment, in dem wir uns sexy fühl, das Outfit sitzt, der Blick oder was auch immer … Andererseits finde ich diese Bilder spannend, weil du als Mutter in unserer Gesellschaft total verschwindest. Auf einmal sieht dich keiner mehr an, du bist nur noch eine Dienstleisterin, der Kinderbetreuung gewidmet. Und wehe dem, du gehst abends aus mit deinem Baby oder Kind: Das erregt schon fast Empörung. Es gibt so viele Facetten des Mutterseins, die mich interessieren in dieser sehr ungleichberechtigten Welt. Diese Bilder sehe ich daher als subtile Gelegenheiten der Selbstermächtigung. Um dieses Empowerment wird es vorrangig gehen in der Ausstellung, in Bild-, aber bestimmt auch in Textform.

Pop up Installation, Wien 2024 © Nana Mandl

the happy days are over, my friend, Stickerei, Stoffe, Acryl, Papier und Digitaldruck auf Leinwand

witchcraft media, Mischtechnik auf Leinwand, Detail, 2020

shopping mall selfie, Textilien und Stickereien auf Leinwand, 2023

Interview: Marieluise Röttger
Fotos: Maximilian Pramatarov

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