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Norbert Bisky, Berlin

In the Studio

»Ich bin so viele Jahre mit diesen "Junge trifft Mädchen"-Geschichten bombardiert worden.«

Norbert Bisky gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen deutschen Künstler und Vertreter der figurativen Malerei des 21. Jahrhunderts. In seinen Anfangsjahren malte Bisky helle lichte Bilder in Öl, die vom Stil des Sozialistischen Realismus, mit dem er als Kind der DDR aufwuchs, geprägt sind. Er selbst bezeichnete sie einmal als „mit Lenor gewaschen“. Gleißend hell gemalte junge, schöne, glückliche und vor Kraft strotzende Männer in reiner unberührter Natur waren zentrale Motive. Mittlerweile hat Norbert Bisky diese wohl immer nur scheinbar heile Welt endgültig verlassen. Seine neueren Arbeiten zeigen junge Körper, die gefressen oder von zentrifugalen Kräften geschleudert werden, abgerissene Glieder, von denen das Blut tropft, Zerstörung, Chaos – die Idylle trügt...

Norbert, im vergangenen Jahr hast du dein Atelier mit Erez Israeli getauscht. Er war in Berlin und du in Tel Aviv. Was hat dich dazu bewogen?
Ich war schon vor dem Ateliertausch mehrere Male in Israel. Das ist ein schönes und faszinierendes Land, das sich aber in tiefen Konflikten befindet, von denen viele hier glauben, die Lösung zu kennen. Ich wollte mir vor Ort mein eigenes Bild machen. Ich reise gerne. Das ist mir persönlich sehr wichtig, um die Welt verstehen zu können. Ich war auch viel in Südamerika unterwegs, was vielleicht weniger Leute wissen.

Ist es nicht so, dass du mit Berlin ohnehin schon in einer der internationalsten und offensten Städte der Welt wohnst?
Ich bin schon seit 1980 in Berlin, das ist eine lange Zeit. Nach all den Jahren muss ich gestehen, dass ich die Stadt gar nicht so paradiesisch schön finde, wie viele Leute immer meinen. (lacht) Auch wenn Berlin nach wie vor interessant und bereichernd ist, reicht es mir persönlich nicht, um zu verstehen, wie diese Welt tickt. Konkret in meiner Situation, hier in Berlin-Friedrichshain, erlebe ich ständig Leute in permanenter Feierlaune. Man hat hier schnell das Gefühl, sich in einer „Bubble“ zu bewegen. Ich brauche einfach mehr Informationen, auch mehr visuelle Informationen.

Das hört sich nach einem recht journalistischen Vorgehen an.
Journalisten gehen da, glaube ich, viel geplanter an die Sache. Mein Ausgangspunkt ist ein ganz anderer. Ich bin in einem Land groß geworden, das es nicht mehr gibt, obwohl ich die Stadt gar nicht gewechselt habe. Ich habe erlebt, wie so ein Perspektivwechsel den Blickwinkel komplett ändert, wenn eine ganze Gesellschaft zusammenbricht. Der Zusammenbruch des Sowjetimperiums hat sehr viel in Bewegung gebracht – die Auswirkungen bekommen wir gerade jetzt wieder zu spüren. Ich dachte viele Jahre, dass ich nichts damit zu tun habe, ich also einfach meine Bilder male und von diesen Wellen um mich herum nicht erfasst werde. Das stimmt natürlich nicht. Das habe ich inzwischen verstanden.

Du warst oder bist aufgrund deiner Familie ja eine ziemlich öffentliche Person. Den Eindruck hat man jedenfalls als Außenstehender. Hat dich das als Künstler beeinflusst?
Das mag von außen so wirken, war aber eigentlich nicht so. 1989 ist die Berliner Mauer gefallen. 2001 hatte ich meine erste Ausstellung. Erst dann interessierten sich Leute für mich. Dazwischen liegen immerhin zwölf Jahre, die für mich sehr wichtig waren. Ich habe in Berlin an der UDK Kunst studiert und mich während eines Erasmusjahres in Madrid vielen Fragen und Dingen zugewandt, mit denen ich mich heute noch beschäftige. Das waren prägende Jahre für mich. Während dieser Zeit hat sich Gott sei Dank niemand für mich interessiert.

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Als die Mauer fiel, warst du neunzehn Jahre alt. Wusstest du zu DDR-Zeiten schon, dass du Künstler werden willst?
Nein, das war mir überhaupt nicht klar. Im Sommer ’89 war ich hauptsächlich damit beschäftigt, das Abitur hinter mich zu bringen und danach ein paar Wochen Ferien zu machen. Nach dem Abitur war der Fahrplan auch erst einmal klar und schrecklich: Ich wurde im Oktober 1989 zur Volksarmee einberufen. Für die Zeit nach der Armee hatte ich Pläne, einen Beruf im sozialen Bereich zu machen. Soweit ich mich erinnern kann, hatte ich damals eine gewisse Verweigerungshaltung. Ich wollte nicht perfekt funktionieren. Das muss man sich jetzt nicht so vorstellen, dass ich mich im Widerstand befunden hätte, aber ich wollte in der DDR einfach keine Karriere machen. Das habe ich auch ausgestrahlt.

Vor dem Fall der Mauer war dir da als Jugendlicher klar, dass du nie in den Westen reisen würdest?
Ja. In der Gorbatschow-Ära gab es zwar eine Stimmung der Veränderung. Vieles war im Umbruch. Aber vor dem Mauerfall war vollkommen klar, dass ich Städte im Westen wie zum Beispiel Hamburg nie zu Gesicht bekommen würde. Dass die Mauer fallen würde und wir alle komplette Reisefreiheit bekommen würden, das war für mich vorher unvorstellbar.

Im November 1989 haben sich dann die Ereignisse überschlagen und die Mauer fiel.
Genau. Insofern wäre es auch ganz egal gewesen, welche Pläne ich gehabt hätte, denn noch während ich Soldat war, fiel die Mauer, und das Land, in dem ich geboren wurde und in dem ich aufgewachsen bin, implodierte. Ich habe dann sehr viel und lange darüber nachgedacht, wie ich mein Leben leben möchte.

Anfang der 1990er Jahre wollte ich eigentlich nur weg und mit der DDR, dem Osten und Berlin nichts mehr zu tun haben. Am liebsten wäre ich nach Kalifornien gegangen und hätte von dem ganzen „Scheiß“ nichts mehr gehört. Es war ein Prozess von mehreren Jahren, zu verstehen, dass das nicht funktionieren wird und dass ich mich mit mir und meiner Herkunft und meinem Umfeld intensiv auseinandersetzen muss. Es dauerte tatsächlich bis 1993, bis ich den Entschluss gefasst hatte, Kunst zu studieren.

Ich bin in einem Land groß geworden, das es nicht mehr gibt, obwohl ich die Stadt gar nicht gewechselt habe.

Solange die Mauer stand, lag der Gedanke, Kunst zu studieren, ja noch fern. Wie hast du dann den Entschluss zu diesem Studium gefasst?
Ganz ehrlich? Ich fand Künstler in dieser Umbruchzeit sehr attraktiv. Plötzlich traten im ganzen ehemaligen Ostblock Intellektuelle auf: Filmemacher, Schriftsteller, Künstler, denen man auf einmal eine Rolle zusprach. Ich habe damals Künstler kennengelernt, die diese Freiheit gelebt und ausgestrahlt haben. Das ist ein komisches Wort, ich weiß. Dass es Menschen gibt, die machen, was sie wollen, fand ich wahnsinnig attraktiv.
Vielleicht habe ich das auch in dieser Zeit einfach komplett überschätzt, wie viele andere auch. (lacht) Die Erwartungen waren ja riesig.

Gerade zur damaligen Zeit, kurz nach der Wende, war es ein mutiger Entschluss, Kunst zu studieren. Wie haben deine Familie und deine Freunde darauf reagiert?
Meine Eltern hatten nichts dagegen, dass ich Kunst studieren wollte. Sie waren zu der Zeit aber auch viel zu sehr mit den gesellschaftlichen Umbrüchen beschäftigt. Ihre Welt war gerade zusammengebrochen. Viele meiner Freunde haben mir den Vogel gezeigt und mich gefragt, ob ich verrückt bin. Damals wollten alle einen sicheren Job haben und eine Banklehre machen. Die Angst, in der neuen Welt nicht klarzukommen, war damals sehr verbreitet.

Ich hatte mich wirklich lange damit beschäftigt, was ich innerhalb der Möglichkeiten der DDR eigentlich machen wollte. Plötzlich Jackpot: Auf einmal konnte ich alles machen, was ich wollte. Ich hätte überall hingehen können. Ich hätte in Mexiko am Strand Essen verkaufen können – ich kann halt nicht kochen, aber das ist ein anderes Thema. (lacht)

Haben sich die hohen Erwartungen an Westdeutschland für dich als junger Mensch erfüllt?
Ich hatte immer das Gefühl, dass die Bundesrepublik ganz interessant sei, aber im Prinzip auch sehr ähnlich, die gleiche Sprache, gleiches Wetter. Städte wie Köln oder Hamburg übten damals eine unglaubliche Strahlkraft auf mich aus. Als ich dann dort war, fand ich es gar nicht so aufregend, vor allem wenn ich es ins Verhältnis gesetzt habe zu dem, was mir vorher über diese Städte im Kopf herumschwirrte.

Du hast bei Georg Baselitz studiert, der dir sozusagen die Aufgabe gestellt hat, dich mit deiner Vergangenheit zu beschäftigen.
Georg Baselitz meinte damals zu mir, dass es nicht funktionieren würde, wenn ich mich sozusagen per Knopfdruck in die Gegenwart beamen würde. Vielmehr sollte ich mich mit meiner Herkunft und meinen Träumen beschäftigen. Mit Anfang zwanzig versteht man das natürlich nicht auf Anhieb. Ich habe mich bis ungefähr 2005, 2006 sehr stark, sehr intensiv und auch schmerzhaft mit meiner Vergangenheit im Osten beschäftigt.

Die letzten zehn Jahre hat das in meiner Arbeit so gut wie keine Rolle gespielt. Im Moment merke ich aber, dass mich das Thema wieder einholt. Warum, weiß ich gar nicht genau. Wahrscheinlich wegen der Bücher, die ich gerade lese, oder der aktuellen politischen Situation mit Russland.

Du musstest ziemlich schnell erfahren, welche Macht Bilder ausüben können, vor allem wenn ein ideologischer Blick in sie hineininterpretiert wird. Dir wurde vorgeworfen, dass du dir Leni Riefenstahls Naziästhetik zu eigen gemacht hast. Wie bist du mit dieser Kritik umgegangen?
Ich habe das überhaupt nicht verstanden. Ich glaube nicht, dass jemand, der in Gelsenkirchen oder Düsseldorf aufgewachsen ist, ein Bild eines Fackelumzugs zum 1. Mai in Ostberlin sofort von einem Foto eines Fackelzugs der Nazis unterscheidet. Als Teenager waren wir laufend bei solchen Aufmärschen und Fackelumzügen. Für mich war das ganz klar die pompöse Ästhetik der Sowjetunion, mit der ich aufgewachsen bin.

Vielen Millionen Menschen aus dem ehemaligen Sowjetimperium wird es ganz ähnlich ergehen. Es gibt da eine riesige Schere im Bildergedächtnis des wieder vereinten Deutschlands. Ich habe auch beobachtet, dass Menschen, die aus Ländern kommen, die von Russland kulturell sehr beeinflusst waren, meine Arbeiten ganz anders interpretieren als jemand, der mit Hollywood und Popkultur groß geworden ist. Die ganze Dimension der Diskussion war mir anfangs nicht klar. Für mich waren das absurde Vorwürfe, denn ich wäre einer der ersten gewesen, den die Nazis ins KZ gesteckt hätten. Verarbeitet habe ich die Ästhetik einer Diktatur, in der ich nun mal groß geworden bin. Die ästhetischen Parallelen sind schrecklich genug.

Zu dieser Ästhetik gehören auch athletische junge Männer …
Ah, zu den Jungs sage ich gerne noch was. Manche fragen sich: „Warum malt der eigentlich so oft Jungs?“. Selbst wenn ich bis an mein Lebensende nur noch Jungs und nichts anderes mehr malen würde, würde es sich nicht aufwiegen mit den „Boy meets Girl“-Geschichten, mit denen ich seit Jahren bombardiert werde. Das sind Liebesgeschichten und eine Ästhetik, die sich nur marginal mit der Vorstellungswelt einer schwulen Minderheit beschäftigt, die es ja auf der ganzen Welt gibt. Und ganz ehrlich, wenn ich jetzt Lust hätte, bis an mein Lebensende nur noch superschwule Bilder zu malen – what the fuck wäre eigentlich das Problem? Ich ziehe mir die Kultur der Mehrheitsgesellschaft ja auch rein.

Du warst damals noch ziemlich am Anfang deiner Karriere. Hast du nicht überlegt, ob du dir diesen enormen Gegenwind überhaupt antun willst?
Ja, aber nur kurz. Wenn ich jedes Mal einen Haken schlagen würde, wenn irgendwelche Leute sagen, dass das, was ich mache, totaler Mist ist, stünde ich auch vor mir selbst komplett unglaubwürdig da.

Selbst wenn ich bis an mein Lebensende nur noch Jungs und nichts anderes mehr malen würde, würde es sich nicht aufwiegen mit den „Boy meets Girl“-Geschichten, mit denen ich seit Jahren bombardiert werde.

Deine frühen Arbeiten waren sehr helle, farbenfrohe Bilder. Das hat sich in den letzten Jahren sehr geändert. Man hat den Eindruck, als hätte die Realität unserer Zeit deine Bilder verdunkelt. Was ist da passiert?
Ich glaube, dass ich gar nicht so viel verändert habe. In meinen Bildern gab es auch schon 2005 unheimlich böse, schlimme, brutale Szenen. Seit meinem Aufenthalt in Madrid haben mich die Bilder der großen spanischen Maler Francisco de Goya und Jusepe de Ribera sehr inspiriert. Es gibt also schon immer auch einen Bezug zur Kunstgeschichte. Früher habe ich diese Szenen visuell nur anders transportiert – in lichten, pastelligen Tönen. Ich selbst hatte aber mehr und mehr das Gefühl, dass dies den Blick auf den Inhalt versperrt, und war irgendwann mit dieser Art von Bildern fertig. Dann habe ich andere Farben genommen und die Kontraste in meinen Arbeiten erhöht. Ich habe aber selbst nicht den Eindruck, dass dies einen Riesenbruch in meiner gesamten Arbeit bedeutet.

Wenn man sich in deinem Atelier umschaut, sind die dunklen Hintergründe auf deinen Bildern bis heute geblieben.
Es gab in den letzten Jahren Ereignisse in meinem Leben, unter deren Eindruck ich noch sehr lange stand. Bevor ich nach Tel Aviv gegangen bin, gab es eine Zeit, in der ich für meine Verhältnisse sehr abstrakt geworden bin – keine erkennbaren Figuren, keine fotografischen Elemente. Viele Dinge, die meine Malerei vorher gekennzeichnet hatten, waren weg. Als ich nach Israel gekommen bin, habe ich dann aber gemerkt, dass die abstrakten Probleme, die ich vorher hier im Atelier in Berlin verhandelt habe, in Israel keine Rolle spielten. Dort war ich von so viel Realität umgeben, dass ich wieder sehr präzise gegenständlich formuliert habe.

Als ich dann aus Tel Aviv zurück nach Berlin kam, waren auf einmal dieselben Probleme, mit denen ich in Israel konfrontiert wurde, hier vor der Haustür. Mein Atelier lag im Süden Tel Avivs. Dort waren die Straßen voller Flüchtlinge. Als ich wieder nach Berlin kam, ging es hier los mit immer mehr Flüchtenden.

Das ist mittlerweile ein Jahr her. Vielleicht ist es trügerisch, aber hat sich in Deutschland innerhalb eines Jahres nicht auch vieles geändert?
Das hat es. Es gab ja teilweise katastrophale Zustände im Herbst 2015. Ich habe damals aus einem Impuls heraus mit Freunden eine Stiftung gegründet, und wir haben uns darum gekümmert, dass Generatoren besorgt wurden, haben Busse organisiert, in denen sich die Geflüchteten aufwärmen konnten. Wie viele Berliner haben wir verstanden, dass, wenn wir da nicht mit anpacken, Schlimmeres passieren wird.

Die Bilder der Geflüchteten und was ich mit eigenen Augen in den Nächten vor dem Lageso (Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin) sah, hat mich ganz lange nicht losgelassen. Mit ein wenig Abstand habe ich dann begonnen, mich mit dem Thema „Flucht“ auseinanderzusetzen. Daraus sind mehrere Bilder und Serien entstanden, die ich in São Paulo gezeigt habe. Das klingt erstmal absurd, aber Brasilien ist ein klassisches Einwanderungsland. Flucht ist dort ein allgegenwärtiges Thema. Ich selbst habe zur Flucht eine persönliche Verbindung, denn meine Eltern waren beide auch Flüchtlinge.

Ich war oft am Lageso und kenne viele der Geflüchteten persönlich. Ich habe mittlerweile einige syrische Freunde. Auch auf meinen Reisen habe ich junge Menschen getroffen, die genauso gebildet sind, die genauso gut aussehen, die theoretisch alles mitbringen wie wir. Dennoch haben sie nie die Chance auf ein Leben wie hier. Ich glaube, man muss schon ein wahnsinnig kaltherziger Mensch sein, wenn man so etwas erlebt und sieht und einem das nicht irgendwie nahegeht. Mir geht das nahe, und ich versuche, solche Dinge einfach auch in meine Arbeit einzubeziehen.

Wenn man dir so zuhört, bekommt das Thema eine ganz neue Dimension. Es löst sich aus der Falle der Tagespolitik. Bist du ein politischer Mensch?
Aufgrund meiner Herkunft war Politik immer Thema. Ich hätte mich bislang aber nicht als politischen Menschen bezeichnet. Das, was in den letzten zwei Jahren geschehen ist, hat mich aber sehr politisiert. Es geht aber im Moment, glaube ich, ganz vielen Menschen so.

Man muss schon ein wahnsinnig kaltherziger Mensch sein, wenn man so etwas erlebt und sieht und einem das nicht irgendwie nahegeht.

Wie müssen wir uns denn einen Ateliertag von dir vorstellen? Gehst du morgens hier rein und weißt schon, was den Tag über passiert?
Ja und nein. Ich habe mir angewöhnt, dass, wenn ich aus dem Atelier gehe, weiß, womit ich am nächsten Tag anfange. Ich habe keine komplette Vorstellung über den Tag, wohl aber davon, womit ich beginnen werde. Ansonsten könnte es schwierig werden, wenn ich hier reinkomme und keinen Cliffhanger vom Vortag habe.

Was passiert dann?
Manchmal passiert nichts. Das meine ich im Sinne von zwei Stunden auf die Bilder schauen und überlegen, wie sie sich weiterentwickeln könnten. Das ist dann aber auch mal in Ordnung.

Es klingt danach, als würdest du sehr lange an einem Bild arbeiten.
Ich habe einen Freund, der ein ziemlich bekannter Künstler ist, der sagt mir immer, wie viel ich arbeite. Das ist aber Quatsch. Ich bin vielleicht schneller als er, aber natürlich bin ich viel langsamer als andere. Das ist doch komplett relativ. Ich habe eher das Gefühl, dass ich lange brauche. Ich brauche jetzt nicht lange, einen Strich zu machen oder irgendwo einen Klecks aufs Bild zu setzten. Die Entscheidungsprozesse, die dazu führen, brauchen aber Zeit. Das hat viel mit Konzentration zu tun. Ich muss eine bestimmte Stimmung erzeugen. Das kann schon seine Zeit dauern.

Du bist ohne Frage einer der wichtigsten zeitgenössischen deutschen Künstler. Du hast eine Bilderbuchkarriere als Künstler hingelegt und bist seit Jahren international erfolgreich. Wie geht man damit um?
Als Bilderbuchkarriere würde ich es nicht sehen. Das ist ja auch immer eine relative Wahrnehmung. Es stimmt, mir geht es gut und ich hatte auch Glück. Das war aber nicht immer so. Schon nach der ersten Ausstellung hieß es von einem Kritiker, das wäre nur ein kurzes Flackern. Das ist nun sechzehn Jahre her. Heute sitze ich euch gegenüber und kann darüber grinsen.

Deine Bilder werden mittlerweile ja zu stattlichen Preisen gehandelt. Berührt dich das?
Der Kunstmarkt an sich ist mir eigentlich ziemlich egal. Es ist gut, wenn ich die Möglichkeiten habe, mein Atelier hier zu bezahlen, und mir Ölfarbe kaufen kann. Gott sei Dank waren meine Arbeiten bei den riesigen Übertreibungen der letzten Jahre nicht beteiligt. Auch dreht bei mir niemand im Verborgenen an den Schrauben. Im Gegenteil, das ist alles sehr transparent. In meinen Anfangsjahren habe ich schon Druck gespürt, Wartelisten, der ganze Blödsinn. Mittlerweile arbeite ich mit Leuten zusammen, die mir in jedem Fall die nötige Zeit geben.

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Interview: Michael Wuerges
Fotos: Florian Langhammer

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