Der argentinische Künstler Pablo Accinelli sammelt Objekte aus alltäglichen Situationen und stellt sie neu zusammen, sei es eine Whiskey-Box aus einer Bar, ein aufblasbares Kissen oder ein U-Bahn-Sitz aus São Paulo. Die konkreten Bedeutungen der alltäglichen Gegenstände vermischen sich dann mit jener Bedeutung, die Betrachtende ihnen beimessen.
Pablo, du machst Skulpturen, Installationen, Zeichnungen, Fotografien und Mischformen aus industriellen und alltäglichen Materialien. Was mir als Erstes auffällt, ist deine zurückhaltende Verwendung von Farben, denn deine Farbpalette ist eher gedämpft. Was ist deine Philosophie dahinter?
Das ist eine schwierige Frage, denn im Allgemeinen sind die Farben in meinen Arbeiten bereits ein fester Bestandteil der Objekte. Für meine neue Ausstellung O canto dos sapos (Das Lied der Frösche) in São Paulo mache ich zum Beispiel einige Arbeiten mit Besenstielen, und ich habe einen Besen gewählt, dessen Färbung eher an eine Tarnfarbe erinnert als an eine industrielle Gebrauchsfarbe wie Blau. Ich habe neulich darüber geschrieben, wie man keine Entscheidungen treffen sollte. Ich möchte nicht sehen, wie ich Entscheidungen getroffen habe, sondern etwas Natürlicheres anstreben. Ich denke, deine Frage hat damit zu tun. Jetzt mache ich Repliken von Objekten, die ich im öffentlichen Raum gesehen habe, zum Beispiel einen Sitz in der U-Bahn von São Paulo. Er hat viele Farben wie Gelb, Orange und Braun, aber das war bereits Bestandteil des Sitzes und ist nicht das Ergebnis einer Entscheidung, die ich getroffen habe.
Worauf beruht die Entscheidung für die Auswahl der Objekte?
Ich schätze, es hat ein wenig mit meinem Leben zu tun, denn ich komme aus einer Arbeiterfamilie aus La Boca, einem Viertel in Buenos Aires, und ich möchte mich nicht zu sehr von diesem Umfeld entfernen. Außerdem habe ich anfangs mit Objekten gearbeitet, die mehr mit dem Atelier zu tun hatten, aber dann habe ich beschlossen, externe Objekte des öffentlichen Lebens zu verwenden.
Erinnerst du dich an eine der ersten Arbeiten, die aus dem Alltag hervorgegangen sind?
Für eine Ausstellung, zu der mich ein Freund eingeladen hatte, habe ich ein Loop-Video einer Schaufensterauslage eines Schuhgeschäfts gemacht (Duración interna, 2016). Der Schuh ist ein typischer Schuh, hat aber auch das Potenzial, einen zu verkleiden, und das machte das Video ein wenig erotisch, nicht nur formell.
In welchem Sinne betrachtest du es als erotisch?
Wahrscheinlich, weil es ein glänzender Schuh war, der im Programm einer Galerie namens Glory Hole rotierte. Es wurde mir klar, dass ein Schuh als Objekt viele Interpretationen haben kann, die sich meiner Kontrolle entziehen. Von diesem Zeitpunkt an beschloss ich, Objekte zu verwenden, deren Bedeutung ich nicht so einfach ändern kann, zum Beispiel Vorhängeschlösser, Schlüssel, Kohlesäcke, Kartenspiele und Mülleimer. Die Titel meiner letzten Ausstellungen haben auch damit zu tun: El canto de los pájaros (Der Gesang der Vögel), Entes y serpientes (Wesen und Schlangen), Nubes de paso (Vorbeiziehende Wolken), denn sie suggerieren eine Welt der Lebewesen, obwohl die Ausstellung nur aus unbelebten Objekten besteht. Es könnte auch mit dem Wunsch zusammenhängen, eine Thematisierung zu vermeiden.
Wenn man über nichts Bestimmtes spricht, spricht man über alles, und ich denke, hier entzieht sich meine Arbeit am besten ihrem Kontext.
Deine Werke haben eine zurückhaltende, unaufdringliche Ausstrahlung. Wie gelingt es dir, sie so reduziert zu halten?
Für mich ist nicht nur das Werk wichtig, sondern auch das, was drum herum passiert und was ich nicht sage: Was ich nicht zeige, ist genauso wichtig wie das, was ich zeige. Auch hier drängt der Fokus bei einigen Objekten den Betrachter schneller in den Außenraum.
Gibt es dafür ein Beispiel?
Es könnte ein Stück mit fünf Betonsäcken und einem aufblasbaren Kissen sein (Duración interna, 2016). Vielleicht siehst du es und erinnerst dich daran, was es für dich in einem normalen Kontext bedeutet. In diesem Moment ist das Werk selbst bereits weniger wichtig geworden. Es geht mehr darum, wohin das Werk dich führt. Es drängt dich dazu, dich an Dinge außerhalb der Ausstellung zu erinnern. Ich denke immer noch, je schneller ein Werk uns in die Außenwelt führt, desto besser.
Vielleicht hängt ein Teil des Gefühls, wie komponiert die Installationen sind, damit zusammen, wie du die Objekte in den Kunstwerken organisierst, manchmal in Mustern und Systemen. Was steckt dahinter?
Ich verwende in der Tat Systeme, aber ich habe das Gefühl, dass die Betrachter mehr von der Logik erkennen, wenn sie auf irgendeine Weise unterbrochen wird. Deshalb versuche ich manchmal, die Arbeiten mit mathematischer Präzision zu organisieren, obwohl sie letztlich recht organisch und beweglich sind. Vielleicht benutze ich die Ausrede, etwas Logisches zu tun, um zu zeigen, dass das Leben in Wirklichkeit sowohl dynamisch als auch unendlich ist.
Es gibt also eine gewisse Struktur, aber auch ein Durcheinander?
Genau, und das Durcheinander entsteht durch die Kombination der Objekte. Das Betonbett mit dem aufblasbaren Kissen zum Beispiel ergibt ein Durcheinander.
Inwiefern?
Die Betonsäcke sind sehr schwer, aber das aufblasbare Kissen ist fast nur Luft. So ein Kissen wird benutzt, um es sich auf einer Busfahrt bequem zu machen, und dann taucht es plötzlich in einer ziemlich unbequemen Situation auf, einer ziemlich statischen, irdischen Situation, die sich zu einem Durcheinander verbindet.
Heißt das, deine Arbeiten sind wie die Klammern um eine Leerstelle, die jeder mit seiner eigenen Assoziation ausfüllt?
Sie sind eher situationsabhängig. Eine Sache, die mich inspiriert, ist das Warten: zum Beispiel an einem Ort zu sein und einfach zu warten. Das Warten auf einen Freund, das Warten darauf, dass jemand aus dem Bus aussteigt, damit man sich hinsetzen kann, oder wenn man sein Haus aufräumt. Die Arbeit mit Betonsäcken oder eine andere mit Whiskey-Kisten haben damit zu tun. Die Dekoration mit Whiskey-Kisten ist in den Bars von São Paulo sehr verbreitet, und in diesem Zusammenhang handelt es sich eher um eine Situation, in der man auf etwas oder jemanden wartet und schließlich sehr aufmerksam auf ein Objekt schaut. Die Anordnung der Betonsäcke ist eine solche Situation, und man kann sich leicht ein im Bau befindliches Gebäude vorstellen. Ich mag Arbeiten, die größer sind, als sie erscheinen. Jemand schrieb einmal, dass meine Werke die Rolle eines umgekehrten Teleskops zu spielen scheinen.
Wie würdest du die kulturelle Verbindung deiner Werke beschreiben?
Sicherlich kommen sie aus dem Umfeld, in dem ich lebe, und werden dann in einem ganz anderen Raum, nämlich in einer Galerie, gezeigt. Aber das würde ich in einer Ausstellung nie sagen, denn dort sind die Dinge sehr dynamisch. Die Objekte haben die Freiheit, sich auszudrücken. Deshalb mag ich Arbeiten, die nicht an ein bestimmtes Medium gebunden sind: Wie soll man sagen, dass es sich um eine Skulptur oder eine Installation handelt? Die Whiskey-Kästen zum Beispiel sind mit Markern eingefärbt – man kann die Spuren sehen, was diese Arbeit zu einer Zeichnung und nicht zu einer Skulptur machen könnte. Ich würde es als eine offene Situation beschreiben.
Du hast dich auch mit der Vervielfältigung von Objekten beschäftigt. Wie hat das angefangen?
Das hat damit zu tun, dass ich meine Arbeiten mische, die schon einen gewissen Bezug zu Situationen im normalen Leben haben. Früher haben mich die Leute gefragt, ob ich ein Objekt gekauft oder selbst gemacht habe. Das war vor den Repliken, und jetzt, mit ihnen, ist die Frage verständlicher, weil die Repliken natürlich von mir gemacht sind, aber gleichzeitig waren sie auch schon gemacht, bevor ich sie replizierte.
Welcher Gegenstand ist deine erste Replik?
Ich weiß nicht, ob es die erste ist, aber ich denke, die offensichtlichste ist ein Koffer. Vor sechs Jahren sah ich einen Mann mitten auf einer Straße in Buenos Aires. Er verkaufte Schuhe aus einem wunderschönen, orangefarbenen Koffer, und ich machte ein Foto davon und überlegte, was ich damit machen könnte. Letztes Jahr stellte ich fest, dass ich ihn seither nicht mehr gesehen hatte, und vielleicht hat ihn auch sonst niemand mehr gesehen. Da kam mir die Idee, eine Nachbildung zu machen, um ihn wieder zum Leben zu erwecken.
Interview: Rasmus Kyllönen
Fotos: Bruno Dubner