Sebastian Koch arbeitet künstlerisch zwischen Malerei, Skulptur und Illustration, um die Grenzen dieser Medien auszureizen. Klassisch, aber auch spielerisch mit einer manchmal humoristischen Note werden figurative Linien auf Farbe aufgetragen oder Holz und Glas für skulpturale Rahmen eingesetzt. In Vorarlberg aufgewachsen, versteht sich der Künstler, der in Wien studiert hat, auf das Abstrahieren von Stimmungen, Nostalgie und eine Ästhetik der Moderne mit meist nur einer Linienführung. Sein kreatives Schaffen ist weit gefächert und erstreckt sich über die Malerei und Skulptur bis hin zur Musik.
Sebastian, welcher Weg hat dich zur Kunst geführt?
Ich bin in Vorarlberg in einem Haus aufgewachsen, in dem es eine Holzwerkstatt gab. Daher hatte ich einen sehr direkten Zugang zum kreativen Schaffen. Als Kind habe ich viel gezeichnet. Gleichzeitig entwickelte ich über die Zeit das Bedürfnis, berufliche Freiheit zu erlangen, und meinte, dass sich diese in einer kreativen Tätigkeit finden lässt. Lange Zeit schwankte ich zwischen den Medien der Zeichnung und der Illustration, wobei ich schlussendlich Druckgrafik bei Gunter Damisch an der Akademie in Wien studiert habe. Während meiner Studienzeit wanderte ich dann experimentell vom Papier zur Leinwand.
Wie ist dein Verhältnis zur Malerei heute und welche Rolle spielt die Zeichnung noch?
Meine Beschäftigung mit der Malerei würde ich als sehr klassisch und die Wahl des Mediums als pragmatisch bezeichnen, wobei ich mich auch in einem Kreis bewege – einer Art selbstreflexivem Spiel zwischen Zeichnung und Malerei, bei dem Zeichnungen malerischer werden, während die Malerei mit der Zeit grafischer wird. Der Begriff der Malerei wird von mir ständig hinterfragt, und ich suche nach den Grenzen der jeweiligen künstlerischen Medien, mit denen ich mich beschäftige. Dazu gehört mittlerweile auch die Skulptur, die in ebendiesen Kreislauf mit einbezogen wird und das Wechselspiel in beide Richtungen und zurück erweitert.
Inwiefern löst sich die Skulptur von deinen anderen Arbeiten?
Meine Beschäftigung mit der Skulptur begann über die Zeichnung und die Malerei und über das Bauen von entsprechenden Rahmen für meine Bilder. Meine Rahmen sehen zunächst sehr klassisch aus. Wichtig dabei ist mir, dass ich diese selbst baue und mich dadurch einerseits mit dem Material beschäftigen kann als auch andererseits mit der Frage, wie sich ein skulpturaler Rahmen mit meiner Malerei verbinden lässt. Hier geht es auch wieder um Fragen der Grenzen. Wo hört die Malerei auf, und wo beginnt die Skulptur? Natürlich gibt es hierbei auch den wirtschaftlichen Aspekt. Einen Rahmen selbst zu bauen, ist weit kostengünstiger, als diesen herstellen zu lassen. Jeder meiner Rahmen ist mit Bedacht gemacht und für mich wird so ein rein technisches Unterfangen auch zu einem Kunstwerk. In einer frühen Skulpturengruppe habe ich beispielsweise bewusst Holz in derselben Materialstärke wie die Rahmenleisten verwendet, um damit Zeichnungen im Raum entstehen zu lassen, die wiederum als Striche mit sich selbst und mit der Malerei interagieren. Im Zuge dieser Arbeit habe ich begonnen Holz für Gelenkelemente zu biegen, was in nächster Folge wesentlich auch die grafische Ausformulierung meiner Linie beeinflusst hat. Zurück bei den tatsächlichen Bilderrahmen, habe ich dann begonnen mit gebogenem Glas und an objekthaften Rahmen zu arbeiten.
Kannst du deinen Arbeitsprozess beschreiben?
In meinem Arbeitsprozess gibt es keinen Anfang und kein Ende. Eine Zeichnung kann als Skizze für eine Malerei oder Skulptur herhalten oder selbst zu einem Kunstwerk werden. Ich arbeite oft direkt auf eine Ausstellung hin und so entstehen Blöcke von Werkzyklen in einem Guss. Meine Gedanken entstehen im Arbeitsprozess und werden nicht vorher von mir ausformuliert. Dabei beziehe ich mich jedoch immer wieder auf eigene ältere Arbeiten, an denen mich ein gewisser Aspekt interessiert, um diesen tiefer herauszuschälen.
Aber wie würdest du deine technische Herangehensweise hinsichtlich der Malerei erklären?
Am Anfang steht immer die Farbe, egal ob ich nun mit Papier, Holz oder Leinwand arbeite. Ich beginne stets mit einer Art von meditativer Malerei. Ich trage mehrere Schichten auf die Leinwand auf, bis sich diese verdichten und sich ein Bild ergibt, das ich als ansprechend empfinde. Im weiteren, wenn auch kurzen Prozess werden in einem direkten Verhältnis zu Farbe und Bildformat Linien aufgetragen. Als Hilfsmittel dafür verwende ich Klebebänder, um die Richtung einer Linie zu bestimmen oder um diese gegebenenfalls korrigieren zu können. Ich denke, die wichtigste Planung geht in das Auftragen der Klebebänder. Ich sehe auch diese Tätigkeit als malerische Geste oder als eine gewisse Vortäuschung von Malerei. Wenn ich dann die Linien mit einem Pinsel ausmale, spiele ich scherzhaft mit der Differenz und Täuschung von Grafik und Malerei.
Deine Malereien scheinen Stimmungen wiederzugeben. Was steckt dahinter?
Ich werde oft gefragt, was ich denn mit meiner Malerei abstrahiere, und tatsächlich würde ich auch von Stimmungen sprechen. In meiner Arbeit steckt irgendwie eine gelernte Nostalgie oder auch eine Ästhetik der Moderne, wenn man so möchte. Ich versuche oft, einen Gefühlszustand darzustellen. Man könnte also sagen, ich abstrahiere eher etwas bereits Abstraktes, aus dem im Falle der Objekte ein etwas konkret Anmutendes hervorgeht.
Obwohl deine Arbeit als abstrakt gesehen wird, wirken die Linien der Malereien schon figurativ. Woher kommt das?
Bei der Beschäftigung mit der Linie geht es schon sehr um diese selbst, um einen Gestus, der teilweise im Widerspruch zu sich selbst steht, wenn die Linie quasi mit dem Lineal gezogen wird. Sie kann wiederum von überall herkommen, beispielsweise von Telefon-nebenher-Gekritzel oder von Unterschriftenstudien. Manchmal ist das sehr unbewusst und frei und in anderen Situationen ergibt sich ein Forschungsdrang, aus dem heraus wieder eine nächste Tür geöffnet wird. Ich habe aber auch viel figurativ gezeichnet und bin Teil des Kollektivs Franz the Lonely Austrionaut, ein Magazin für narrative Kunstformen. Da springe ich zwischen Comic und Abstraktion hin und her, was sich vielleicht auch im Gesamten in meiner Arbeit ablesen lässt.
Musik spielt in deinem Leben auch eine große Rolle. Was kannst du uns über deine Tätigkeit als Musiker in einer Band erzählen?
Ich bin Teil der Band Rambo, Rambo, Rambo und auf eine gewisse Art und Weise habe ich meine Tätigkeit als Musiker immer gleichwertig zu meiner Tätigkeit als bildender Künstler betrachtet. Ich spiele aktuell Bass und singe und habe früher auch viel in anderen Bands gespielt, wobei ich nie ein Instrument gelernt oder eine Gesangsausbildung absolviert habe. Ich habe mir diese Dinge eher autodidaktisch angeeignet, ähnlich wie die Malerei, die ich ja auch nie technisch erlernt, sondern einfach aus der Zeichnung heraus entwickelt habe.
Beeinflusst Musik deine künstlerische Arbeit?
Bestimmt, denn ganz verhindern kann man das natürlich nicht. Klänge, Schwingungen und Material der Instrumente können schon in direktem Zusammenhang mit meiner Malerei stehen. Eventuell bewege ich mich in der Musik vielleicht sogar freier, da die Musik, im Gegensatz zur bildenden Kunst, nie nach dem Warum fragt. Es gibt keine theoretischen Fragen. Zudem ist die Zugänglichkeit zur Musik sehr viel demokratischer, da es sich um eine kollektive Erfahrung handelt, die durch direktes Feedback geprägt ist.
Gemeinsam mit Melanie Ender hast du erst kürzlich an der Ausstellung ippst, ippt (siehe ipst, ipt) im DOCK 20 in Vorarlberg gearbeitet. Was kannst du uns darüber erzählen?
Die Arbeit an dieser Ausstellung war ein langer und besonderer Prozess, da ich gemeinsam mit Melanie daran gearbeitet habe und wir nach Gegenüberstellungen und Ähnlichkeiten gesucht haben. Der Titel stammt aus einem Lexikon für Reime und spielt mit dem Begriff des Vergleichens. Melanie und ich behandeln teilweise ähnliche Fragen, auch wenn wir sehr unterschiedlich arbeiten. Wir beide fragen nach den Grenzen zwischen Malerei und Skulptur und denken über Rahmen und Podeste für, als auch als Kunst selbst nach. Während unserer Zusammenarbeit hat sich eine neue, eigene und abstrakte Sprache von und über die Skulptur entwickelt. Bei Melanie werden die horizontale und die vertikale Ebene aufgehoben. Es kommt zu einer Verbindung von Installation und Skulptur.
Was hat sich aus dieser Zusammenarbeit für deine Kunstproduktion neu ergeben?
Grundsätzlich kam ich mit neuen Materialien in Kontakt. So haben wir zum Beispiel recht billige Materialen wie MDF oder Hartfaser verwendet und durch verschiedene Eingriffe aufgewertet. Zudem haben wir nach Kommunikationsformen gesucht, die sich stark in der Zeichnung manifestierten, woraus wir einen Modus entwickelt haben, den wir sowohl in der Malerei, der Skulptur und eben auch in der Zeichnung anwenden, um auf ein möglichst homogen-gemeinschaftliches Ergebnis zu kommen.
Bei der Galerie Krobath hattest du 2020 auch eine Einzelausstellung mit dem Titel schlingfiester. Was hat dich dabei inspiriert?
Für Ausstellungstitel habe ich mich öfter schon an Wortspielereien bedient, da es mir naheliegend scheint, aus Buchstabenkombinationen neue Wortfolgen zu kreieren, ähnlich wie in anderen Medien, in denen ja auch Farbe, Form, Material und Ähnliches immer wieder neu kombiniert werden. Ich bin einmal zu dem Schluss gekommen, dass so nicht nur Kunst, sondern überhaupt alles Collage wäre – nichts steht jemals für sich völlig singulär. Ein Titel kann ein Bild oder eine Ausstellung also immer auch um ein Stimmungsbild in dessen Kombination erweitern. Schlingfiester im Speziellen habe ich nicht erfunden. Es entstammt der westmünsterländischen Mundart und bedeutet Schlitzohr. Ich spiele dabei sowohl auf eine Art vorgetäuschte Malerei als auch schlicht auf das Wort Schlinge an.
Gibt es künstlerische Vorbilder oder Referenzen, die dich besonders beeinflusst haben?
Grundsätzlich bin ich vermutlich genauso stark von meinen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen beeinflusst wie von historischen Vorbildern. Mein wahrscheinlich prägendster Kontakt im Aufwachsen ist Lucia Lienhard-Giesinger, eine Freundin meiner Eltern. Ihre Aquarelle und vor allem die sogenannten Bosna Quilts begleiten mich bewusst und unbewusst. Tatsächlich war ich zu Beginn meines Studiums stark von meinen Mitstudierenden beeinflusst und nicht so sehr von bekannten Künstlerinnen und Künstlern. Später fand ich dann den Konstruktivismus als auch den Dadaismus spannend, sowohl vom Zugang als auch von der Ästhetik her. Ein wesentliches Erlebnis stellt für mich ein Besuch der Sammlung Dia:Beacon dar, die ich 2010 im Zuge einer Artist Residency in New York sehen konnte. Das war das erste Mal, dass ich verschiedene Positionen der Minimal Art in einem so großen Kontext verstanden habe. Künstlerinnen wie Agnes Martin oder Robert Ryman sind für mich seither wichtig und inspirierend für meine Arbeit geworden.
Interview: Alexandra-Maria Toth
Fotos: Maximilian Pramatarov