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Tal R, Kopenhagen

In the Studio

»Ich möchte, dass die Menschen sich auf das Unbekannte einlassen.«

Die nordeuropäische Szene für zeitgenössische Kunst entwickelt neue Dynamiken und wird zunehmend von internationalen Sammlern beobachtet. Mit den Nordic Notes lenken wir regelmäßig den Blick auf die nordische Kunst- und Kulturszene und stellen ihre wichtigsten Akteure vor.

Die nordeuropäische Szene für zeitgenössische Kunst entwickelt neue Dynamiken und wird zunehmend von internationalen Sammlern beobachtet. Mit den Nordic Notes lenken wir regelmäßig den Blick auf die nordische Kunst- und Kulturszene und stellen ihre wichtigsten Akteure vor.

Auf den ersten Blick mögen Tal Rs überschwänglich farbige Gemälde den Eindruck von kindlicher Naivität erwecken. Schaut man näher hin, geht von seinem Werk jedoch eine subtile Komplexität aus. Was gerade noch fröhlich und spielerisch erschien, zieht den Betrachter plötzlich in eine Welt der Mythen und dunkleren Themen. Der Künstler selbst bezeichnet es etwas krass als abgefuckt. Wir besuchten Tal R in seinem Kopenhagener Atelier „Paradies“, wo er sich mit uns über Themen unterhielt wie die Schönheit, die im Scheitern liegt, über seinen nicht immer leichten Weg, sein künstlerisches Talent auszuleben, und was er Betrachtern seiner Arbeit gerne mitgeben möchte.

Tal, es scheint ganz so, als seien wir im Paradies. In deinem Atelier spürt man nicht nur eine gewisse Aura, auch beim Betreten deiner Räume liest man am Eingang gleich „Paradies“.
Oh, vielen Dank. In diesem Gebäude gab es früher eine Druckwerkstatt mit diesem Namen; hier wurde die kommunistische Zeitung Land og Folk (Land und Volk) veröffentlicht, die ein ziemliches Renommee in Dänemark hatte. Unter Künstlern war die Werkstatt besonders für den günstigen Druck von Postern bekannt. Als ich damals hier einzog, gefiel mir die Idee, in einem Paradies zu arbeiten und so entschied ich mich dazu, die Buchstaben draußen einfach so zu lassen.

Dein persönliches Paradies – das klingt faszinierend. Was ist so paradiesisch an deinem Atelier?
Für mich ist jedes Atelier ein kostbarer Ort. Ich vergleiche es gern mit einem Gehirn. Wenn du darüber nachdenkst, ist unser Gehirn trotz seiner Unzulänglichkeiten das einzige Paradies, was wir haben. In unserem Gehirn sind wir frei. Wir können jeden töten, und wir können jeden ficken. Wir können Dinge tun, die wir im wirklichen Leben nicht tun würden, weil wir die Konsequenzen tragen müssten. Ein Atelier ist eine Art Abbild des Gehirns. Es ist ein Ort, an dem man verschiedene Dinge ausprobieren kann, an denen man auch scheitern darf. Ich glaube, die Kunst ist vielleicht der einige Ort oder die einzige Disziplin, in der Verletzlichkeit als gute Eigenschaft verstanden wird. Das ist einer der Punkte, die Kunst so besonders machen. Und das ist der Grund, warum mir mein Atelier so wichtig ist.

Du hast neun Jahre an der Kunstakademie Düsseldorf gelehrt. War es dir auch wichtig, die Idee des Versagen-Dürfens deinen Studenten zu vermitteln?
Als ich in Düsseldorf eintraf, hatte ich keine allzu große pädagogische Erfahrung, abgesehen von einer kurzen Lehrtätigkeit in Hamburg und einer einjährigen Gastprofessur in Helsinki, während der ich selbst sogar noch studierte. Trotzdem war mir irgendwie von vornherein klar, dass man, um eine gute Klasse in einer Kunstschule zu gestalten, eine Atmosphäre schaffen sollte, die auch Fehler gestattet, und die Freiräume gibt, über eigene Fehler zu reflektieren, sie mit anderen zu diskutieren, und in ihnen herum zu fischen wie in einem Teich. Ja, man sollte genau das tun: in seinen eigenen Fehlern, und sogar in den Fehlern anderen, herum fischen. Deine Ausbildung beginnt mit Enttäuschung und Zerstörung. Man kann so viel lernen, wenn man auf voller Linie versagt. Es hilft einem dabei zu wachsen, in neue Bereiche vorzudringen. Was in der Akademie passiert, ist genau das, was sich im Atelier fortsetzen dürfen muss.

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Das Spektrum deiner Arbeit ist sehr breit angelegt. Dein Fokus liegt natürlich auf der Malerei, aber du beschränkst dich nicht auf dieses eine Medium. In deinem Werk entdeckt man viele Themen. Wie würdest du deine Kunst in deinen eigenen Worten beschreiben?
Ich glaube, in meine Kunst einzudringen, fühlt sich ein bisschen an wie ein Jahrmarkt. Da gibt es die Achterbahn, die Schießbuden und natürlich den Wagen mit der Zuckerwatte – all diese unterschiedlichen Attraktionen, die verschiedenste Dinge anpreisen. Auf den ersten Blick mag es so aussehen, als würde ich grundverschiedene Motive und Stile verfolgen. Aber bei näherem Hinsehen glaube ich, wird man als Betrachter erkennen, dass alle Arbeiten doch eng miteinander verbunden sind. Das verbindende Element ist die Art, wie ich arbeite. Ich fische gerne in dem, was ich um mich herum wahrnehme.

Kannst du erklären, was genau passiert, wenn du in deiner Umgebung „fischst“, wie du es nennst?
Angenommen ich zeichne Blumen auf einem Tisch. Ich schaue sie an und sage: „Ich möchte diese Blumen zeichnen“. Aber während ich arbeite, erkenne ich die Möglichkeit, die Blumen ornamentaler und nicht mehr das Hauptmotiv werden zu lassen. Oder es drängt sich die Idee auf, die Blumen ganz zu vergessen und nur bestimmte Elemente von ihnen zu nehmen und sie in etwas Abstraktes umzuwandeln. In unserer Kultur erhält der Künstler viel Unterstützung vom Betrachter. Denn der Betrachter hat gelernt, Elemente eines Gemäldes genau zu analysieren. Er erkennt zum Beispiel die Techniken, die angewandt werden, um etwas näher oder weiter weg erscheinen zu lassen. Wieviel kann ich vom Betrachter verlangen? Ich finde, dass ich sehr viel von ihm verlangen kann.

Was genau erwartest du denn von einem Betrachter deiner Arbeit?
Wenn man sich meinen Gemälden nähert, kann man eigentlich immer etwas sehr Konkretes und Figuratives wahrnehmen. Etwas, was man jemandem auch in wenigen einfachen Worten am Telefon beschreiben kann. Dann aber, bei näherer Betrachtung, wird man etwas unangenehm Seltsames entdecken – etwas, was haften bleibt. Es ist ein bisschen als würde man eine Treppe hinaufsteigen. Plötzlich fehlt eine Stufe und man hängt in der Luft. Etwas was in einem Augenblick noch verspielt und fröhlich wirkte, kann eine unheimliche andere Bedeutung annehmen. Es kann sich in etwas Irritierendes, ja Unheimliches verwandeln. Ich könnte zum Beispiel einen Mann malen, der auf der Straße geht. Er hat einen Hut auf. Man kann sein Spiegelbild im Fenster einer Bäckerei sehen. Das würde jeder erkennen und jemand anderem in ungefähr diesen Worten so beschreiben. Aber nachdem man den Mann mit dem Hut und sein Spiegelbild im Fenster eine Weile betrachtet hat, ist man sich gar nicht mehr so sicher, was man da eigentlich sieht. Schaut man näher hin, dann ist das Spiegelbild im Fenster falsch. Etwas scheint zu fehlen. Dinge scheinen außer Kontrolle zu geraten. Es ist als habe man ein Eis in der Hand und plötzlich beginnt es vor einem zu schmelzen. Meine Arbeitsweise ist eigentlich sehr einfach. Sie ist abgefuckt (fucked up). (lacht) Ein kultivierteres Wort dafür wäre wahrscheinlich „abstrakt“. Ich möchte, dass die Menschen sich auf das Unbekannte einlassen.

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Du bist bekannt dafür, viele verschiedene Elemente in deine Arbeit zu integrieren – eine Mischmasch unterschiedlicher Eindrücke.
Kennt ihr das Wort „kolbojnik“? Es ist hebräisch und bedeutet „Reste“. Ich glaube, es beschreibt sehr gut, was ich tue. Ich fische einfach nach vielen Dingen, die schon existieren und verquicke sie. Ich nehme eine Vielzahl sich ständig erneuernder Eindrücke auf. Es sind Dinge um mich herum, die ich sehe, kleine Details, die ich entdecke wie etwa den Stoff einer Tischdecke in einem Gemälde. Wenn man solch verschiedene Eindrücke miteinander kombiniert, erhält man ein neues seltsames Konstrukt, das sich jeder Beschreibung entzieht. Diese Skulptur hier, die wie eine Spinne aussieht, entstand ursprünglich aus einer Zeichnung von Wolken, die sich im Wasser spiegelten. An dieser Wand hier hängen Notizen und Zeichnungen, die versuchen, meine Eindrücke und die Verbindungen, die ich zwischen ihnen gezogen habe, darzustellen. Ich bin der Einzige, der sie wirklich lesen kann. Aber nach einer Weile kann auch ich mich nicht mehr erinnern, worum es eigentlich ging. Eine große Menge an Informationen befindet sich also ständig im Fluss.

Du schaffst also ganz bewusst eine Welt, die sich der Wirklichkeit entzieht, indem du schon vorhandene, nicht miteinander verbundene Eindrücke kombinierst.
Ja, das stimmt. Ich möchte etwas schaffen, was einem Traum gleich kommt. Ich finde es übrigens sehr interessant, wenn Menschen über ihre Träume sprechen, denn es geht dabei eigentlich nie um Dinge, die wirklich passiert sind. Träume überwinden das herkömmliche Konzept von Raum und Zeit. Das ist das Erstaunliche an Träumen. Kunst ist diesem Zustand sehr ähnlich. Sie kann gewisse Aspekte der menschlichen Natur zu Tage fördern, was anderen Disziplinen nicht gelingt. Deshalb ist die Kunst auch so wichtig für die Gesellschaft, denn sie ist der „Geist“ in der Maschine.

Zu deinen bekanntesten Werken gehören die Holzschnitte. Was fasziniert dich an dieser Technik?
Mich fasziniert die Tatsache, dass das Ergebnis nicht ganz vorhersehbar ist. Wir schnitzen die Holzblöcke selbst und verwenden dazu gebrauchte Küchenschneidbretter, die wir auf Flohmärkten finden. Alle diese Einkerbungen hier sind von Leuten, die darauf schon Dinge klein gehackt haben. Und wir bringen die Farbe von Hand mit einem Löffel auf, das ist ein sehr langwieriger Prozess, bei dem man dem Unerwarteten viel Raum gibt.

Wie müssen wir uns Tal R vorstellen, wie er sich einer leeren Leinwand nähert
Die meiste Zeit sitze ich einfach vor einem Gemälde und versuche, verschiedene Zugänge zu finden, die meine bis dahin vorgefasste Meinung in Frage stellen. In so einem Moment versuche ich, meine eigenen Erwartungen und alles, was bis dahin in meinem Kopf vor sich ging, nieder zu ringen. Ich meine damit gar nicht, dass man nicht an seiner ursprünglichen Intention festhalten soll, aber man sollte einen gewissen Abstand zu ihr halten. Ich finde diese Spannung konstruktiv. Man sollte zulassen, sich einerseits von dem Gemälde selbst leiten zu lassen, währenddessen aber nicht vergessen, seine eigenen Wünsche zu ergründen und dir im Klaren darüber zu werden, was es aus deiner ganz persönlichen Sicht erfordert, das Gemälde lebendig werden zu lassen. Es ist wie ein Zwiegespräch. Am Ende des Tages möchte man sich selbst überraschen, ganz wie man sich selbst überrascht, wenn man auf einer Tanzfläche unvorhergesehene Schritte macht. Ich konzentriere mich für gewöhnlich auf ein einziges Gemälde und führe es in einem Zug zu Ende.

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»Ich glaube, in meine Kunst einzudringen, fühlt sich ein bisschen an wie ein Jahrmarkt. Da gibt es die Achterbahn, die Schießbuden und natürlich den Wagen mit der Zuckerwatte.«

Trotz deines inzwischen großen Erfolgs war es für dich kein leichter Weg dorthin.
Ich glaube, es ist selten, dass jemand die Schule verlässt und sagt: „Ich möchte Künstler werden“. Wenn man das macht, gerät man in Schwierigkeiten. Knut Hamsun, der große norwegische Schriftsteller, soll in seiner Jugend gesagt haben: „Ich möchte Schriftsteller werden“, worauf ein älterer Schriftsteller entgegnete: „Wenn du Schriftsteller werden willst, reise!“. Ich glaube, darin liegt eine große Wahrheit. Man muss weglaufen, sich versuchen, und sich die Nase blutig schlagen. Mein Weg war dem sehr ähnlich.

Kannst du uns etwas über deinen Weg als angehender Künstler sagen, und mit welchen Schwierigkeiten du dabei zu kämpfen hattest?
Zeichnen ist für mich immer eine ganz natürliche Sache gewesen, es war wie das Träumen nachts: Man kann nicht genau sagen, was man träumt. Man träumt einfach, was man träumen muss. Ebenso zeichnet man nicht, was von einem erwartet wird, man zeichnet das, wozu man den Drang verspürt und hinterfragt dessen Funktion nicht. Bevor ich auf die Kunstakademie ging, verstand ich Zeichnen nicht als Kunst.

Von dem Augenblick an, an dem ich durch die Tür der Akademie ging, wurde Zeichnen plötzlich zur Kunst. Das hat alles für mich verändert. Plötzlich galt es, Formen und Regeln zu befolgen. Alles, was für mich bis dahin mit Zeichnen zu tun gehabt hatte, war wie ausradiert. Fast schon auf biblische Art und Weise. Ich betrat die Kunstakademie, und die Kunst verließ mich. Ich habe zehn Jahre damit gerungen, bis ich 28 war, und einige Male bin ich vor dem, was man Kunst nannte, weggelaufen. Ich wollte, dass Kunst zu dem wurde, was ich als Kind kannte: einfach zu tun, wozu ich den Drang verspürte, mich in dem zu verlieren zu dürfen, was mich erfüllte.

Nach frustrierenden zehn Jahren, und nach ich weiß nicht wie vielen Gemälden, die ich angefangen und nie vollendet habe, wurde mir endlich klar, dass Frustration eigentlich positive Energie in sich trägt. Sie hilft, die eigene Enttäuschung zu konfrontieren und sie als eine intelligente Kraft zu akzeptieren, als eine Kritikerin und eine Art Coach, der einem hilft, an sich zu arbeiten. Ich nenne sie meinen zurückweisenden Dämon – den Teufel in mir. Er ist mein Lehrer. Ein cleverer Bastard.

Du verwendest nicht deinen vollen Namen, sondern nur die Abkürzung “R” anstelle deines Nachnamens. Was hat es damit auf sich? Wofür steht es?
Ich bin in Dänemark als Sohn einer dänischen Mutter und eines tschechoslowakischen Vaters aufgewachsen. Tal ist ein alter hebräischer Name. Im Dänischen bedeutet er „Zahl“, ist also kein Name. Auch der Nachnahme “Rosenzweig” war in dem gesellschaftlich sehr homogenen Dänemark meiner Kindheit unbekannt. Noch heute haben viele Menschen hier Schwierigkeiten, meinen Namen auszusprechen oder zu schreiben. Deshalb reduzierte ich meinen Nachnahmen auf R.

Eigentümlichkeiten wie diese summierten sich und gaben mir als Kind das Gefühl, nirgendwo wirklich dazu zu gehören. In Dänemark hatte ich zwar das richtige Aussehen, aber mein Name entfremdete mich von den anderen Kindern. In Israel war mein Name richtig, aber mein gebrochenes Hebräisch und mein dänisches Aussehen passten nicht ins Bild. Für einen jungen Menschen ist das schwierig. Man will einfach nur Michael oder Klaus sein. Und man will dazu gehören.

Als ich älter wurde, machte es mir weniger aus, anders zu sein. Ich fand es sogar vorteilhaft, nirgends wirklich dazu zu gehören, denn es erlaubte mir, sowohl ich selbst zu sein, aber auch ein Beobachter meiner selbst zu werden. Als Künstler finde ich es ziemlich nützlich, beide Blickwinkel anzunehmen.

Wenn du zurück blickst, was war denn dein erster großer Karriereschritt als junger Künstler?
Mein erster größerer Erfolg bedeutete wahrscheinlich meine erste Show in einem Museum, die mir Anders Kold, damals Kurator des Kunstmuseums in Aarhus, ermöglichte. Er grub er sich damals durch das Geschehen in der Kunstszene wie ein Maulwurf und verpasste keine Gelegenheit, auch nur zu der kleinsten Ausstellungseröffnung zu gehen. Er hat meine Entwicklung von Anfang an beobachtet und begleitet. 1999 bot er mir dann meine erste Museumsausstellung an. Inzwischen ist Anders Chefkurator am Louisiana Museum of Modern Art. Wir sind Freunde geworden und stehen bis heute in engem Kontakt.

Du bist nun schon eine Weile Teil des globalen Kunstzirkus. Wie kommst du damit zurecht?
Klar, ich bin jetzt Bestandteil dieser Szene. Ständig besuchen mich alle möglichen Leute. Und natürlich verlangen die Galerien neue Arbeiten von mir. Jeder Künstler braucht das. Es wäre gelogen wenn ich sagen würde, dass ich meine Kunst nicht für die Augen anderer Leute mache. Aber man muss seine Arbeit auch aus dem Zirkus heraushalten, zumindest so lange bis sie das Atelier verlässt. Mein Atelier gehört mir. Wenn ich hier arbeite, schließe ich alle Einflüsse der Außenwelt aus. Das Atelier ist meine eigene autonome Welt. Damit will ich sagen, dass ich gegen die Welt da draußen bin, aber diese äußere Welt beginnt früh genug. Im Atelier ist kein Platz für strategisches Denken oder Kalkül darüber, was einmal aus den Arbeiten wird. Das sind mittelmäßige Überlegungen, und ich habe absolut keinen Respekt für Künstler, die sich in ihrer Arbeit von Gedanken ablenken lassen, wie ihre Arbeiten bei Auktionen abschneiden.

Kuratoren spielen eine wichtige Rolle in diesem „Zirkus“.
Als ich mich an der Kunstakademie einschrieb, hörte ich den Begriff Kurator zum ersten Mal. Ich hatte damals nicht die geringste Ahnung davon, was ein Kurator eigentlich macht. Ich erinnere mich noch, wie ich dachte: ein Kurator ist für einen Künstler, was ein Schlachter für eine Kuh ist. Er zerschneidet einen. (lacht) Kuratoren spielen natürlich eine ganz wesentliche Rolle. Sie finden eine Sprache, die es Menschen ermöglicht, mit Kunst in Beziehung zu treten. Kuratoren sind Mediatoren zwischen dem Atelier eines Künstlers und der Außenwelt.

Möchtest du jungen Künstlern, die ihre Karriere noch vor sich haben, einen Rat geben?
Als junger Künstler weiß man noch recht wenig über die Kunstwelt. Man fühlt sich zu den Künstlern hingezogen, auf die man schon einmal gestoßen ist, die man also schon kennt. Ich rate, sich nicht mit dem zufrieden zu geben, was man schon weiß, sondern immer darüber hinaus zu gehen. Meine Mutter ist mit mir damals, 1992, mit dem Bus zur Documenta gefahren. Ich war damals 25 Jahre alt und noch sehr jung als Künstler. Ich erinnere mich an diesen Besuch als eine Erfahrung, die mir wirklich die Augen geöffnet hat. Ich sah zum ersten Mal Leute wie Luc Tuymans, Franz West, Jonathan Lasker und Eugène Leroy. Damals konnte ich nicht sagen, dass ich ihre Arbeiten wirklich mochte, aber sie brachten mich auf positive Weise durcheinander, öffneten mir ganz einfach die Augen. Ich erinnere mich, Franz Wests Arbeiten zu betrachten und zu merken, wie wenig ich von seiner Arbeit wusste. Ich konnte ihn einfach nicht ernst nehmen. Aber ein tiefer Eindruck blieb an mir haften, wie ein Kaugummi unter meinem Schuh. Und das ist es doch, was Kunst eigentlich erreichen soll. Es geht nicht um Gefälligkeit. Es geht um den Kaugummi unterm Schuh, der kleben bleibt.

Woran arbeitest du im Moment?
Wie ihr hier im Atelier erkennen könnt, gibt es sehr viel zu tun. Ich bereite gerade eine Ausstellung für die Villa Schöningen in Potsdam vor, die in ein paar Wochen eröffnet. Außerdem gibt es eine zweiteilige Ausstellung mit Mamma Anderson, die bei Bo Bjerggaard in Kopenhagen und Magnus Karlsson in Stockholm gezeigt werden wird. Für 2017, bereite ich gemeinsam mit Anders Kold eine umfassende Rundschau meiner bisherigen Arbeit im Louisiana Museum of Modern Art in Humlebæk bei Kopenhagen vor.

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Interview: Michael Wuerges
Fotos: Florian Langhammer

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